13. August 2022





Alsdann tritt man wieder durch das Portal zum Ausgang und hat einen heißen Sommertag vor sich. Es ist 11:32 Uhr, fast Mittag und der Blick fällt auf den Sebalder Platz mit dem alten Pfarrhof. Und das daran wie ein Vogelnest angeklebte, nicht übersehbare prachtvolle Erkerlein. Solche findet man immer wieder an besonders alten Häusern in Nürnberg und sicher auch in anderen mittelalterlichen Städtchen. Aber ich weiß nicht, ob die Erkerlein auch anderswo "Chörlein" heißen. Als ich die Sebalduskirche betrat, erklärte gerade eine Ortskundige ihrer aus Hamburg angereisten Freundin oder Bekannten im künstlerisch angehauchten Kaftan mit passend aus einem bestimmt teuren Seidentuch geschlungenem, mondänen Turban dass DAS das berühmte Chörlein sei. Ich habe die Bekannte kurz antworten hören und meinte den ganz typischen Tonfall einer Hamburgerin erkannt zu haben. Ich musste innerlich lächeln, weil die Einheimische etwas wie ein kompliziertes Fremdwort erklärte, was mir sofort wieder geläufig war - "ach ja genau, das Chörlein". Auch wenn man gar nichts darüber weiß, bleibt man stehen und staunt, weil es so besonders hübsch und filigran gestaltet ist, als wäre es mit dem Brautportal der gegenüberliegenden Sebalduskirche direkt blutsverwandt. Das Chörlein am Pfarrhof ist schon das zweite, also eine Nachbildung, aber auch schon wieder sehr alt. Das Original von 1370 ist vor Wind und Wetter geschützt im Germanischen Nationalmuseum ausgestellt und hat noch Reste einer vielfarbigen Bemalung. Das Chörlein vom Sebalder Pfarrhof ist eindeutig der Superstar unter den Nürnberger Chörlein. Wie Maria Callas oder Marilyn oder Elvis. Oder die Stones. Must See! Und der Platz ist sowieso schön. Es handelt sich beim Chörlein vom Sebalder Pfarrhaus um eine Mini-Hauskapelle, für die schnelle Andacht zwischendurch, nach dem Frühstück oder vor dem Schlafengehen. Sehr praktisch, man kann im Schlafanzug oder Morgenrock oder sogar ganz wie Gott einen schuf, im Chörlein beten und Andacht halten. Ob das der Herr Pfarrer von St. Sebald manchmal macht?



12. August 2022





Kirchgang durch St. Sebald beendet. War doch schön, oder? Angenehm kühl auch, draußen ging es auf Mittag zu, ein heißer Tag dieser 2. Juli 2022, aber auch immer ein lauer Wind, da am Sebalder Platz und Richtung Burgberg. Für heute eine gute Nacht!

12. August 2022



Noch ein paar hübsche Details aus St. Sebald. Was mir so auffiel.



"Madonna im Strahlenkranz von 1438. Ein namentlich nicht bekannter Nürnberger Künstler hat sie aus Birnbaumholz geschnitzt und reich mit Gold bemalt. Zwei Engel setzen Maria die Krone auf, zwei andere tragen sie auf einer Mondsichel in den Himmel. Strahlen umgeben sie, als ob sie mit der Sonne bekleidet wäre, wie es in einer Vision d. Johannes in Offenbarung 12 heißt."

12. August 2022





Kirchenorgeln sind auch so eine Wissenschaft für sich. In St. Sebald wird erst die dritte Orgel seit 1440 bespielt. Die erste, die „Traxdorff“-Orgel von 1440 ist 1945 verbrannt. Auf der hat in den 505 Jahren (1/2 Jahrtausend!), die sie funktioniert hat, u. a. zwischen 1695 und 1706 Johann Pachelbel, der Lehrmeister von Johann Sebastian Bach gespielt. Sie wurde vielfach restauriert und war sie bis zu ihrer Zerstörung am 2. Januar 1945 die älteste noch spielbare Orgel der Welt. Nach dem Zweiten Weltkrieg bekam die Sebalduskirche 1947 eine ausrangierte Orgel aus dem Jahr 1904. Erst 1975 wurde das Provisorium mit dem Orgelneubau der Peter-Orgel beendet. Auf meinen Fotos ist also die vergleichsweise blutjunge Peter-Orgel von 1975 zu sehen. Tolle Begriffe in der Beschreibung des Instruments: "(...) II. Manual Schwellpositiv III. Manual Schwelloberwerk Schwiegel Nachthorn Rohrgedeckt Flaut d’amore Bärpfeife Rohrpommer Grobgedeckt Weidenpfeife Gemsterz Rohrgedeckt Bombarde (...)" klingt für mich wie aus einem mittelalterlichen Pornoheft! Wie man sofort erkennt: ich bin überhaupt nicht fachkundig was Orgeln und Orgelmusik angeht, ich bekomme aber zuverlässig wahlweise metaphysische oder furchterregende Schauer, wenn eine Orgel ertönt, je nach Werk und Spielweise. Gehört unbedingt in jeden guten alten Horrorfilm.



12. August 2022



Musikfest ION - internationales Festival für geistliche Musik.



Wikipedia über ION: "Seit 1951 wird das auch als "Europas Fest Geistlicher Musik" bezeichnete Festival jährlich an zehn Tagen im Mai oder Juni in Nürnberg veranstaltet. Es gehört damit zu den größten und ältesten Musikfesten dieser Art in Europa und ist bis heute ein kultureller Höhepunkt der Metropolregion Nürnberg. In den ersten Jahren stand Orgelmusik an den Orgeln der beiden großen evangelischen Altstadtkirchen St. Lorenz und St. Sebald im Mittelpunkt des Programms. Mittlerweile werden konfessionsübergreifend auch die katholische Frauenkirche und Kirchen außerhalb der Stadtmauern einbezogen."



Missa Minitura, Elina Albach - Ensemble Continuum Berlin





Das Festival ION war auch der Grund, wieso ich zwei Tage vorher in der Lorenzkirche zusätzliche Bestuhlung, Scheinwerfer und Fernsehkameras sah, es wurde vom Kammerchor Stuttgart die Messe Es-Dur von Franz Schubert aufgeführt, die er in seinem letzten Lebensjahr komponierte und deren Uraufführung er nicht mehr erlebte, sie fand erst ein Jahr nach seinem Tod in Wien statt.

12. August 2022





Man muss sich vorstellen, dass ich durch das Portal ging und mich nach rechts wandte, mein Blick wurde vom Westchor und der Decke gefangen und in diesem Moment hörte ich das Kyrie der h-Moll-Messe von Bach. Mir lief ein Schauer durch den Körper. Ein himmlischer Gesang, den ich nicht träumte, er war wirklich da, und kam von der genau gegenüberliegenden Seite, dem großen Chor im Osten der mächtigen Sebalduskirche. Ich war ungeheuer beglückt, weil es ein Moment war, wie man ihn nur aus Filmen kennt, aber er war real und er hörte nicht auf. Ich schritt weiter, sehr bewegt, weil man dann nicht mehr geht, sondern schreitet. Die Musik wurde nicht von einem Tonträger abgespielt, sondern leibhaftig aufgeführt. Es war eine Probe für ein Konzert des Festes ION für geistliche Musik und ich war zufällig in diesem Moment eingetreten, um so einen unfassbar schönen Moment zu erleben. Es gibt eine Aufzeichnung auf BR Klassik davon, bitte wenigstens fünf oder zehn Minuten anhören und sich vorstellen, wie es ist, zu diesen Klängen eine Kathedrale zu durchschreiten.

11. August 2022

Das Hauptportal. Ich will weiß Gott keine schulunterrichtshaften Einträge schreiben, aber was da bildhauerisch von Heinz Heiber erschaffen wurde, ist erklärungsbedürftig und für mein Empfinden zutiefst beeindruckend, zumal an einem historischen Sakralbau. Ich innerlich sofort: wow! Ich copypaste auszugsweise von der Homepage der Sebalduskirche, die vom "Heiber-Portal" spricht:



"1988 bis 1991 gestaltete der Nürnberger Bildhauer Heinz Heiber (1928–2003) zunächst das nordwestliche, ursprünglich leere romanische Bogenfeld und dann auch die Türen selbst. Er nahm das klassische mittelalterliche Portalmotiv des Weltgerichts auf und setzte es mit zeitgenössischen Ausdrucksformen um. Im Unterschied zu klassischen Darstellungen mit dem Weltenrichter Christus bildet seine Werkgruppe ab, wie Christus bei seiner Ankunft sämtliche Grenzen überwindet. Er durchbricht den Türstock und stürzt dem Tod entgegen. Dessen Handlanger, die vier apokalyptischen Reiter, die alles unter sich begraben, verweisen einerseits auf seine Erfahrungen in Krieg, Gefangenschaft und Vertreibung, andererseits auf die berühmte Darstellung Albrecht Dürers, der in St. Sebald getauft wurde, geheiratet hat und in die Kirche gegangen ist."



Das einzige Rätsel ist für mich, wieso überhaupt die Idee aufkam, eine zeitgenössische bildhauerische Arbeit dort anzubringen. Ob das romanische Bogenfeld leer war, weil das ursprünglich dort befindliche mittelalterliche Portalmotiv wiederherzustellen zu komplex schien und nach einer inhaltlich adäquaten Alternative gesucht wurde? Das Vorgehen erscheint mir so ungewöhnlich progressiv. Aber ich finde das Ergebnis grandios. Auch die Arbeit an der Tür selbst. Ganz große Kunst. Die Kirche durch dieses Portal zu betreten, da durchzugehen war mir ein Fest, erhebend.

11. August 2022



Beiläufig erwähnte ich, dass das "Bratwursthäusle" am Rathausplatz unterhalb der Sebalduskirche steht. Wir sind in St. Sebald, so heißt das Viertel, benannt nach der gleichnamigen gotischen, heute evangelischen Kirche. Sie ist die älteste der drei berühmten christlichen Kathedralen von Nürnberg. Erhebend schön. Ich werde gerade Fan der gotischen Bauweise stelle ich fest. Gestern Abend habe ich etwas Interessantes gelernt, als ich ein bißchen recherchierte. Ich lernte nicht nur, dass das besonders filigran gestaltete Seitenportal "Brautportal" heißt, sondern auch, was es damit auf sich hat. In Unkenntnis dachte ich, dass es vielleicht ein besonders hübscher, festlicher Eingang bei Hochzeiten in der Kirche ist, damit sich das Brautpaar und vor allem die Braut in ihrem prächtigen Kleid noch erhabener fühlen kann und ein schönes Bild abgibt. Es verhält oder verhielt sich tatsächlich so, dass bis zur Renaissance die Eheschließungen nicht in der Kirche stattfinden durften, weil es sich dabei um kein Sakrament handelte. Bei den Katholiken wurde das dann später eingeführt. Bei den Evangelen ist es immer noch kein Sakrament, sie müssen vorher standesamtlich geheiratet haben. Es ist kompliziert. Jedenfalls wurde die Eheschließung früher vor der Kirche, unter dem Brautportal oder der Brautpforte vollzogen, und die wurden dann dafür extra hübsch gebaut. Erst danach durfte das Paar die Kirche betreten. Brautportale gibt es also an einigen Kirchen, aber das von der Sebalduskirche ist schon besonders schön. Für mich als Kind und Jugendliche hat die Sebalduskirche keine Rolle gespielt, außer vielleicht im Heimatkundeunterricht. Oder zur Orientierungshilfe, wenn man nach dem Weg gefragt hat oder selber den Weg erklärt hat. Dann hat man gesagt: "links kommt dann die Sebalduskirche, da vorbei und immer den Berg hoch". Oder so ähnlich. Albrecht Dürer ist übrigens in der Sebalduskirche getauft und hat dort auch geheiratet und ist da immer brav in die Kirche gegangen. War ja auch sehr nah zu allen drei Häusern, in denen er in seinem Leben gewohnt hat. Mehr oder weniger immer zwischen dem Hauptmarkt und der Burg. Premium!





Ich kenne ja einen Restaurator, Sebastian, der wie schon erwähnt, in der Lorenzkirche aber auch in der Sebalduskirche als Restaurator gearbeitet hat, gerade neulich erst wieder. Mir ist aufgefallen, dass er immer von St. Sebaldus spricht, was mich irritiert. Die Einheimischen sagen nämlich entweder Sebalduskirche oder St. Sebald. Meistens Sebalduskirche. Er hat aus beidem eine neue Kombination geschaffen. Das fand ich dann wieder interessant. Bin gespannt, was er dazu sagt! Er kommt nicht aus Nürnberg und hat das dementsprechend nicht so eingetrichtert bekommen wie ich. Aber ich bin schon ewig lange weg und habe sofort eine Wahrnehmung dafür. Dabei war er unzählige Male in der Kirche und ich bin immer nur dran vorbei. Aber diesmal nicht, ich war drin und es war grandios, warum, erkläre ich gleich später.

10. August 2022

Soll ich weiterspazieren?

10. August 2022





Doch, ja. Ich habe schon einen sehr liebenden Blick auf solche baulichen Details. Ein ganz herrlicher Adler, dieser Greif! Bildhauer aller drei Wappen der Portale war Leonhard Kern (22.11.1588 - 4.4.1662), kurbrandenburgischer Hofbildhauer. Alles über die Bedeutung dieses Adlers und der anderen Wappenfiguren kann man hier nachlesen. Das war mein Album vom Rathausplatz!





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Schöne Erinnerung....
25.05.25, 13:27
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