Ina und ich waren gestern Abend in der Österreichischen Botschaft beim Österreichischen Kulturforum, um der Eröffnung der
Ausstellung zu Ingeborg Bachmann beizuwohnen. Aufgrund der staatstragend anmutenden Anmeldevorschriften phantasierte ich einen staatstragenden Festakt mit dem Charme alter k. u. k.-Tradtition. Die Gästeliste wurde am Eingang abgehakt und dann ging es in den Raum, in dem vorab als Auftakt eine Lesung mit musikalischer Untermalung stattfand. Es musizierte die österreichische, elektroakustische Harfe Spielerin Martina Stock, die eigene Stücke vortrug, von Percussion aus der Konserve begleitet, was musikalisch durchaus beeindruckend war. So ging es los, filigran und atmosphärisch. Dann las die Schauspielerin Barbara Sotelsek, die von weitem sehr ähnlich wie Vicky Krieps ausschaute (die Bachmann-Darstellerin im Trotta-Film) Texte von Bachmann, aus ihrem Kriegstagebuch (als sie noch unter zwanzig war, Schülerin in Klagenfurt). Sie las recht gut, die Texte waren auch intensiv (mir bereits geläufig). Dann wieder Harfenmusik. Dann wurde wieder gelesen, dann wieder Harfe, dann wieder gelesen. Eine Stunde war verstrichen, ich scharrte innerlich ein wenig mit den Füßen, war ich doch vor allem neugierig auf die Ausstellung. Bachmann-Texte lesen kann ich ja recht gut selber, und hatte es weitgehend auch schon getan. Nun war nach einer guten Stunde doch der Zeitpunkt der Ausstellungseröffnung gekommen. Vom Erdgeschoss ging es nun in den dritten Stock unters Dach. Ich ging schnell noch aufs Klo. Oben angekommen, erfasste ich recht schnell, dass die als mit "noch nie gesehenen Fotografien" angekündigte Ausstellung offenbar mit einem festen Blick auf Einhaltung eines Budgets konzipiert wurde. Es wirkte eher unaufwändig und weniger staatstragend als erwartet.
Das Publikum hatte sich nicht merklich herausgeputzt - ich war da etwas overdressed in meinem schwarzen Abendanzug mit volantreicher Rüschenbluse. Rechts vom Ausgang des Ausstellungsbereichs unterm Dach stand ein längerer Tisch mit Weißwein, Rotwein und Wasser, es wurden der aktuellen Tradition in Restaurants entsprechend, halb gefüllte Gläser gereicht. Die Ausstellung selbst hatte - und da war ich etwas perplex - keinerlei Exponate im Sinne von meinerseits erwarteten Erstausgaben von Bachmanns Erstveröffentlichungen oder handschriftlichen Originalmanuskripten oder sorgsam hinter Passepartout gerahmte Originalfotografien, oder sogar ihren Schreibtisch, der nun wieder in Klagenfurt steht - etwas derartiges hatte ich mir erhofft. Nein. Weit gefehlt. Die gesamte Ausstellung besteht ausschließlich aus ca. 20 - 25 sogenannten Roll ups. Das ist keine Leckerei aus der asiatischen Küche, sondern senkrecht gespannte Banner aus bedruckter Kunststoff-Folie, die klassisch zum Zubehör von Messen und Werbeveranstaltungen gehören. Also
Werbe-Aufsteller. Auf diesen rund zwanzig Reklame-Aufstellern waren biographische Daten, Textfragmente von Bachmann und locker eingestreute Fotos, die ich durchweg kannte. Allerdings habe ich ein recht großes Privatarchiv mit Bachmann-Material, Büchern und Bildbänden. So waren mir sämtliche biographische Eckdaten bekannt, auch die Zitate waren mir nicht neu, ich scannte kurz quer und war bald durch und leider nicht beeindruckt. Das einzige, was mich länger hätte fesseln können, war eine Filmdokumentation, die auf einem winzigen Ipad auf einem Stativ in einer Ecke zu sehen war, der Ton superleise, italienische Untertitel, es war sinnlos etwas vom Inhalt zu erfassen, ohne sich direkt mit dem Kopf zum Gerät herunterzubücken, um den Ton zu hören, dann hätte man das Bild aber nicht gesehen. Den Film hatte ich bereits online gesucht, da ist er aber nicht zu finden, auch nicht bestellbar, es gibt nur kurze Ausschnitte auf youtube. Der Film auf einer Projektionswand hätte die Ausstellung für mich besuchenswerter gemacht. Vielleicht ist so eine Form der Ausstellung sinnvoll für einer neunte oder zehnte Klasse, wo die Lehrkraft der Deutschstunde auf diesem Wege bequem, Schaffen und Werk von Ingeborg Bachmann anteasern kann. Aber für Kenner der Materie ist das kein Erlebnis. Wir sind recht bald Richtung Potsdamer Platz und landeten im Restaurant
Essenza, einem eher hochpreisigen Italiener mit ganz schönem Ambiente und dort haben wir es uns gut gehen lassen. Der Potsdamer Platz ist leider eher eine kulinarische Wüste, da waren wir wohl dann in jeder Hinsicht an der ersten Adresse, nämlich "Potsdamer Platz 1".
