Ja wirklich. Das war auch der 25. März. Plötzlich ist die Sonne hervorgebrochen, freigelassen aus ihrer langen, sibirischen Gefangenschaft. Am Vormittag noch graue Winterwolken und gegen Mittag ist der Himmel aufgerissen, ich habe den blöden Poncho weggeschmissen, über die Lehne der kleinen gepolsterten Bank im Flur und das große, gestreifte Badetuch geholt. Das Fenster der Gaube weit auf, und den Sonnenfleck angebetet. Der Balkon war noch im Winterschlaf und musste sich erst rekeln und frisch machen, der war noch nicht so weit wie ich. Wie man sich nach der Sonne sehnt. Man hat es fast schon wieder vergessen, wie es war, die Sonne zu spüren, direkt auf der Haut, ungefiltert, nicht als ob man in seiner Jacke unter einem blöden Heizpilz steht.
Ich gucke ein bißchen fotomüde am 25. März 2012. War ich auch. Ich dachte, so bist du doch neulich schon dagesessen, mit deinem Poncho und der Kamera. Wie lange soll das gehen, worin liegt demnächst noch der Reiz? Das ging mir so durch den Kopf, und natürlich auch später immer wieder einmal, wenn man die Wiederholung erkennt, die déjà vus kommen und später das déjà vu beim déjà vu. Ich habe es trotzdem bis heute weiter durchgezogen. Mir ging es ja weniger um die Klamotten, das war nur eine Nebenerscheinung, die ich mit der Zeit als Spiel gesehen habe. Ich wollte und will jeden Tag in Kontakt mit mir kommen, mir in die Augen schauen, bis dankbare Wertschätzung kommt, durch eine zusätzliche Selbstwahrnehmung von Außen, und sie ist jeden Tag eingetreten. Ich konnte die Kamera zufrieden ausmachen, mit dem Gefühl, ich bin mir näher gekommen und weiß wieder wer ich bin und dass es gut ist, wie ich bin. Ich gesund bin und es mir gut geht in diesem Augenblick, ich an einem guten Platz in der Welt bin und Grund habe dankbar zu sein und die Welt anzulächeln, wenigstens innerlich. Es war ein Sonntag glaube ich, es gibt keine Indizien, dass Gaga Nielsen das Haus verlassen hat. Später gab es unerwartete Sonne und das erste richtige Sonnenbad in diesem Jahr. Gibt auch noch Fotos. Aber angefangen hat der Tag kalt und wolkig. Heute, am 14. Oktober 2012 scheint in Berlin die Sonne. Ich gehe gleich zur offenen Balkontür und setze mich im Schneidersitz auf dem Boden in die Sonne und trinke meinen zweiten Kaffee. Auf dem Balkon ist es mir ein bißchen zu kalt, aber im großen Sonnenfleck an der Balkontür ist es ganz warm.
Frau Nielsen im Bauarbeiter-Unterhemd. Das war auf keinen Fall ein Zustand, in dem ich die Wohnung verlassen hätte. Scheint wohl warm gewesen zu sein, am vierundzwanzigsten März. Ich glaube das Feinripp-Leibchen habe ich Mitte oder Ende der Achtziger Jahre für zwei Mark neunzig bei Woolworth in der Hauptstraße in Schöneberg gekauft. Also vor ungefähr einem Vierteljahrhundert. An den Nähten ist es schon leicht ausgefranst. Ich schreibe hier ausführlich über das blöde Hemd, als wäre es ein modisch relevantes, qualifiziertes Bekleidungsstück, aber es handelt sich wie so oft nur um reine Zeilenschinderei. Ein Blogeintrag ohne Wörter drin ist wie Promidinner ohne Prominente! Ganz toller Vergleich, spitzenmäßig. Bin nicht in Topform heute - lyrikmäßig(!).
Gucke gerade die Vox-Spiegel-Doku "Internetstars - die schnelle Karriere im Netz". Ist wohl nur noch heute kostenlos abrufbar. U. a. mit Sascha Lobo und vielen Anderen! Mit lauter mir unbekannten "You Tube-Stars" etc. pp.! Schon toll, was es so gibt. Die Kids rühren mich ja immer, wenn sie sich nach den Hausaufgaben am Wochenende zum Filmchenmachen treffen. Halt wie die Großen!
Jetzt ist es so weit, die Rollkragenpullover sind wieder griffbereit. Man sieht nur noch am Titel der Fotostrecken und der Dateibenennung, dass die Bilder nicht von heute sind. Die Haare vorne sind ein bißchen länger, ich hatte die Schere eine Weile nicht in der Hand. Ich habe eine kleine Friseurschere, irgendwann bei Amazon bestellt. Ich weiß nicht genau, ob im März noch Spuren von externer Haarfarbe in den Spitzen waren. Vielleicht. Oder auch nicht. Guido Westerwelle ist sichtbar älter geworden oder besser gereift, sehe ich gerade in der ZDF-Mediathek. Er wirkt grüblerischer, weniger selbstzufrieden. Aber so genau weiß ich es nicht, ich beobachte ihn nicht ernsthaft genug, um mir ein Urteil erlauben zu können. Es ist immer sehr billig, plakative Statements über jemanden zu machen, den man nicht im Entferntesten kennt.