Immer wieder erreichen mich Bitten, in welchen der Wunsch an mich herangetragen wird, Einblicke in mein Heim zu gewähren. Viele Jahre habe ich darüber nachgedacht, wie ich diesem wiederkehrenden Wunsche gerecht werden könnte, ohne meine Privatheit zu gefährden. So dachte ich mir, es wäre an der Zeit, zumindest einen Blick in den Innenhof meines kleinen Serails zu ermöglichen. Die Orangenbäume blühen gerade so herrlich. Der Gärtner korrigiert mich: die Orangenbäume tragen erste Früchte! Ja, so ist es richtig! Ich kann mich natürlich nicht selbst um die Pflege all der herrlichen Gewächse aus dem Orient (meiner Heimat) kümmern. Aber schauen Sie doch selbst. Ich hoffe, dass dieser Einblick ein wenig dem vielfachen Wunsche gerecht werden kann. Ich interessiere mich natürlich auch für Bilder aus Ihrem Heim! Vielleicht haben Sie ja auch eine Vorliebe für diese maurischen Mosaiken, so wie ich! Natürlich gibt es auch einen Springbrunnen und mehrere Wasserbecken, die Sie hier jetzt leider nicht abgebildet sehen. Ich habe diese herrlichen Mosaikarbeiten bei einem Meister seiner Zunft, dem Chefrestaurator der Alhambra in Auftrag gegeben, die sich leider nicht mehr im Familienbesitz befindet. Viel Freude bei dem Rundgang in meinem kleinen Juwel!
P.S. heute Abend wird mein guter alter Freund Cheb Khaled zu Gast sein und uns seine Weisen vortragen! Er hat mir aus alter Freundschaft erlaubt, eine Aufnahme zur Untermalung der kleinen Bilderschau hier einzustellen:
Ein Eintrag, bevor die Turmuhr schlägt. Ich war doch bei diesem Suhrkamp-Geburtstag im LCB. Wegen Angela Winkler vor allem. Als ich genug Leuchtballons fotografiert hatte und die dunkle Terrasse betrat, sprach mich ein junger Mann mit Namen an. Er guckte irgendwie familiär und ich grübelte, woher wir uns kennen könnten. Weil er ziemlich gut aussah, überlegte ich, ob da vielleicht mal was war, aber wenn, schoss es mir durch den Kopf, würde er mich jetzt sicher nicht so unbefangen anlächeln. Außerdem bin ich aus dem Alter raus, wo man sich nicht mehr an seine Schandtaten erinnert. Ich erinnere mich inzwischen an alles. Mein Gedächtnis ist so gut, dass ich selber manchmal erschrecke und mich frage, ob es sich um eine Art Überfunktion handelt, so wie Schilddrüsenüberfunktion. Ein bißchen mehr Vergessen täte mir in vielerlei Hinsicht bestimmt sehr gut. Na ja. Ich musste kein wirklich schlechtes Gewissen haben, dass ich nicht sofort wusste, woher er mich kannte. Es war nur ein einziger Abend in einer Kreuzberger Kneipe mit ein paar anderen Bloggern vor über drei Jahren, und er saß auch am anderen Ende des Tisches.
Ich erzählte ihm, dass ich hauptsächlich wegen Angela Winkler gekommen sei, weil es diesen roten Faden von Verwechslung und Vergleich gäbe und ich mir selbst ein Bild machen wollte. "Stimmt" meinte André, "du siehst ihr wirklich ähnlich". Fand ich zwar immer noch nicht so sehr, aber sympathisch war sie mir schon, soweit ich das von Fotos und Filmausschnitten beurteilen konnte, und wie sie mir da bei meiner Zahnärztin lächelnd entgegengekommen war. Das erste mal war mir ihr Bild auf dem Einband der Taschenbuchausgabe "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" begegnet. Ich war vielleicht dreizehn oder vierzehn. Wir nahmen diesen verfilmten Böll im Deutschunterricht durch und ich fand es eine schöne Hausaufgabe, Romankapitel zu lesen, weil ich sowieso gerne las.
Auch auf der Terrasse wurde gerne gelesen und ich holte mir ein zweites Glas. Irgendein spanischer Rotwein mit ordentlich Tannin. Wir schlenderten Richtung Wintergarten, wo schon ziemliches Gedrängel herrschte. Ich bemerkte beiläufig "Wenn man jetzt unbedingt was aufreißen wollte, wäre schon so einiges dabei." Das war eigentlich gar nicht als Kalauer gedacht. Ich fand wirklich, dass eine ungewohnt unüberschaubare Menge an attraktiven Menschen durch die Räume der alten Wannseevilla wimmelte. Christian Brückner saß auf einer Tischkante und ich spürte den Pfeil seiner Energie. Gut sah er aus. Der wird irgendwie auch nicht älter. Attraktive, kultivierte Menschen. Autorenfotos an der Wand. Fotogene Köpfe unter den Suhrkamp-Autoren. Den sehr charismatischen Florian Havemann hab ich leider verpasst, aber Jan hat ihn tagsüber im Sonnenlicht erwischt. Ich war ja, wie schon mehrfach erwähnt, vor allem wegen Frau Winkler da.
Und nun war es also so weit. Ich versuchte mich etwas mehr anzunähern, ohne zu drängeln. Da stand sie, rechts vom Flügel und strahlte wie ein siebzehnjähriges Mädchen. Ich muss dieses klischeehafte Bild bemühen, weil mir einfach kein besseres einfällt. Ich spürte, dass sie gut gelaunt war und möglicherweise ein kleines bißchen betrunken. Was sich aber außerordentlich charmant auswirkte. Aber vielleicht ist sie ja auch immer so. Sie begann den Vortrag mit der Bemerkung, sie wüsste eigentlich gar nicht genau, was sie jetzt machen soll und was von ihr erwartet wird und irgendwo hätte gestanden, dass sie heute Abend Brecht singt, und sie wüsste auch nicht, aber sie singt dann halt einfach mal irgendwas jetzt. Wie sie da so unvorbereitet redete, musste man sie gleich gern haben. Dann hat sie ein sehr sentimentales Chanson der verstorbenen Barbara gesungen. Nicht, dass sie jetzt die umfangreichste Stimme hätte, aber was für eine Hingabe. Ans Herz rührend. Nach dem zweiten Lied fragte sie "gefällt es Ihnen denn ein bißchen?" Man hatte noch nicht einmal den Eindruck, dass die Frage kokett war, obwohl man es so empfinden musste. Die Herzen flogen wie Rosenblätter in die Ecke mit dem Flügel.
Ich konnte schwer begreifen, dass dieses mädchenhafte Wesen mit dem explosiven Lächeln eines Kobolds eine sechsundsechzigjährige Frau sein sollte. Eine Dame im Seniorenalter. Wenn sie irgendwie gesetzter ausschauen würde, würde man von ihr vielleicht als der 'großen Mimin' oder der 'Grande Dame' des deutschen Theaters reden. Aber das passt hinten und vorne nicht. Man denkt bei solchen Ehrentiteln automatisch an eine gesetztere, robuste Erscheinung. Aber nicht an jemand wie Angela Winkler. Ich war angetan. Mir fällt Magnetismus ein. Eine Spur Romy, nur elektrischer und auch ein bißchen Nico. Aber vor allem Angela Winkler. Erotisierte Heiterkeit erfüllte den Raum. Vor mir stand die Schauspielerin Katja Bienert. Zufällig hatte ich erst zwei Tage zuvor irgendwo im Internet gelesen, dass sie am gleichen Tag wie ich Geburtstag hat. Sie drehte sich plötzlich zu mir um und fragte, ob ich gerne ihren Platz einnehmen wollte, sie hatte meine Kamera gesehen. Wirklich nett. Es war recht dunkel, ich konnte eigentlich nur Bilder machen, die schön sind für mein eigenes Erinnern, ganz furchtbar verrauscht. Aber den Zauber hab ich eingefangen.
Gerade gelesen, dass man Heilerde auch essen kann. Oder trinken. Ich probier das gleich mal. Mein neuestes Hobby ist, mich zu behandeln, obwohl ich nicht krank bin. So zur Vorbeugung! Außerdem will ich austesten, ob man damit so eine Art Turbo-Energie-Beschleunigung auslösen kann. Also die Logik zugrundegelegt: krank, schwach + Heilmittel = gesund, stark. Was ergibt dann gesund + Heilmittel? = Ekstase?!? Ich will das unbedingt wissen.
An jenem Tag, im blauen Mond September, still unter einem jungen Pflaumenbaum, da hielt ich sie, die stille bleiche Liebe in meinem Arm wie einen holden Traum.
Und über uns, im schönen Sommerhimmel, war eine Wolke, die ich lange sah. Sie war sehr weiß, und ungeheuer oben, und als ich aufsah, war sie nimmer da.
Seit jenem Tag sind viele, viele Monde, geschwommen still hinunter und vorbei. Die Pflaumenbäume sind wohl abgehauen und fragst du mich, was mit der Liebe sei?
So sag ich dir: ich kann mich nicht erinnern. Und doch, gewiß, ich weiß schon, was du meinst. Doch ihr Gesicht, das weiß ich wirklich nimmer, ich weiß nur mehr: ich küsste es dereinst.
Und auch den Kuss, ich hätt' ihn längst vergessen, wenn nicht die Wolke da gewesen wär. Die weiß ich noch und werd ich immer wissen, sie war sehr weiß und kam von oben her.
Die Pflaumenbäume blühn vielleicht noch immer, und jene Frau hat jetzt vielleicht das siebte Kind. Doch jene Wolke blühte nur Minuten und als ich aufsah, schwand sie schon im Wind.
"Am interessanten von den vieren finde ich die Moses-Illusion.Dachte, als ich das las (ich kannte auch keinen der vier Begriffe), an das Phänomen, wenn man etwas mit großer Selbstverständlichkeit aussagt oder sich betont souverän bewegt, wird die Aussage für bare Münze genommen oder die Souveränität zugestanden. Mir fällt da als Beispiel ein, wie ich einmal auf einem Messegelände keinen Eintritt zahlen wollte und beschloss, betont geschäftig und souverän über den Lieferantenparkplatz durch einen Nebeneingang in die Messehalle zu gehen. Da waren andere Mitarbeiter, die mich sehen konnten. Ich konnte unbehelligt durch die Tür gehen. Da hatte ich deutlich das Gefühl, dass es an der berechnenden Art mich zu bewegen lag, als gehörte ich dazu. Funktioniert sicher nicht immer, aber oft. Warum sollte man auch alles anzweifeln. Deshalb wirkt dieser Moses-Effekt. Man verlässt sich auf die "glaubwürdige Ausstrahlung" des Vortrags der Aussage, ohne den Inhalt anzuzweifeln. So funktioniert auch die Tagessschau und das Heute-Journal. Die können den größten Mist erzählen, niemand überprüft das, weil diese öffentlich rechtlichen Nachrichten-Kanäle einen Seriositäts-Nimbus haben, den kaum jemand anzweifelt. Von investigativen Internet-News-Channels abgesehen."
Ah, das ist ja schon morgen, das Sommerfest im Literarischen Colloquium am Wannsee. Ab Nachmittag kein Regen auf dem Radar! Mal sehen, ob ich schon um drei zu Gregor Gysi gucke. Aber Angela Winkler will ich aus bestimmten Gründen am Abend auf jeden Fall sehen! Der Suhrkamp Verlag feiert seinen sechzigsten Geburtstag. Ich mag diese Villa am Sandwerder sehr. Am Schönsten ist mir das Fest vor fünf Jahren in Erinnerung. Dazu hab ich auch was geschrieben. Damals feierte der Verlag Hoffmann und Campe sein zweihundertfünfundzwanzigjähriges Bestehen. Dagegen ist Suhrkamp ja noch im Strampelanzug, mit seinen sechzig Jährchen. Mal gucken, was ich anziehe.
Über einen Eintrag in einem befreundeten Bibliotherapie-Blog bin ich soeben darauf gestoßen, dass es in Amerika bereits seit dreißig Jahren ein viel schöneres Wort für Befindlichkeitsbloggen gibt, nämlich Poetry Therapy. Selbst Poesietherapie klingt ansprechender und ist meines Erachtens auch viel besser geeignet, um Respekt, Verständnis und Mitgefühl für den gesamten Vorgang zu wecken. Auch mache ich mir so meine Gedanken, ob es nicht an der Zeit wäre, eine Petition zur Senkung der gesetzlichen Krankenversicherungsbeiträge für Blogger bei den hiesigen Krankenversicherungsverbänden einzureichen, da die gar nicht hoch genug anzusetzende finanzielle Entlastung der Solidargemeinschaft durch diese preisgünstige Form der Selbst-Medikation tausender Blogger endlich eine Würdigung erfahren sollte, die sich auch im Portemonnaie bemerkbar macht. Alternativ könnte ich mir einen Zuschuss für die erforderlichen medizinischen Zusatzgeräte- und Vorrichtungen (Flatrate/Notebook/Digitalkamera) vorstellen. Ich denke, da wird sich eine Lösung finden!
PALOMA PICASSO: (...) Ich war ein sehr stilles kleines Mädchen, ich konnte Stunden neben meinem Vatersitzen, während er gearbeitet hat. Nervös bin ich erst geworden, als ich andere seinetwegen die Augen aufreißen sah. Für mich war er einfach mein Vater. Wenn wir ausgingen, bat man ihn überall um Autogramme, es war wie das Leben mit einem Rockstar. Er war sehr zugänglich, man konnte leicht mit ihm ins Gespräch kommen.
VOGUE: Dann mussten auch Sie keine Angst vor ihm haben?
PALOMA PICASSO: Nein, und die meisten Väter würden sich um die schulische Leistung ihrer Kinder Sorgen machen. Ihm war das völlig egal! "Schau mich an", pflegte er zu sagen, "ich war auch schlecht in der Schule. Mach dir keine Sorgen."