01. Dezember 2013



Eintrag ins Logbuch. Erster Dezember 2013. Zwanzig Uhr einundvierzig. Gaga Nielsen sitzt in halber Hocke auf ihrem Bodenkissen und tippt. Im Hintergund läuft Konservenmusik im Zufallsabspielmodus. Gaga Nielsen hat gerade eine Mail geschrieben, in der sie Sachen fragt. Womöglich heikle Sachen fragt. Das ist gar nicht so beabsichtigt. Gaga Nielsen ist einfach manchmal unwahrscheinlich neugierig. Gaga Nielsen weiß gerade gar nicht so genau, wo sie selber steht. Auf jeden Fall aber ganz woanders als vor zwei oder zwölf oder zweiundzwanzig Jahren. Oder zweiunddreißig. Oder zweiundvierzig Jahren. Was war vor zweiundvierzig Jahren? Ich war sechseinviertel. Und - Moment ich gucke in meiner Vita nach - Neunzehnhunderteinundsiebzig - Fahrradfahren ohne Stützräder gelernt. Daniel Gérard und sein Butterfly-Lied angehimmelt. Und Chris Roberts. Und George Harrison mit seinem "My Sweet Lord"-Lied. So war das also. Und was habe ich zweiundvierzig Jahre später gelernt? Hmh. Die Hand reichen. Verzeihen. Dankbarkeit für Gesundheit, noch mehr als sowieso schon. Dankbarkeit für Sachen, die ich durch Begegnungen gelernt habe, wenn sie in der Vergangenheit auch mit schmerzhaften Erfahrungen einhergingen. Aber das schmälert die Bereicherung nicht. Die Wunden aufgrund der anderen Dinge sind eine andere Baustelle. In der Mail ging es auch um Baustellen. Dinge, die man angefangen hat und nicht zu Ende gebracht. Und ich behauptete, dass das sehr verzeihlich sei, weil es auch bedeutet, sich einzugestehen, dass sich etwas überlebt hat. Wie zum Beispiel diese Vita, die ich nur bis zum Jahr 1987 schrieb. Einige wissen, weshalb es dann abbrach. Ich brachte es nicht übers Herz, über den Unfalltod meines Bruders hinwegzuschreiben. Ich war wie gelähmt. Und auch wollte ich die Serie verunglückter Liebesgeschichten nicht fortführen müssen. Andere hätte ich nicht parat gehabt. Und die zumindest eine Weile geglückten wären so viel später gekommen. Also blieb es dabei. Ich bedauere das nicht. Denn es geht ja nur um diese paar Jahre zwischen 1987 und 2003, wo niemand, der nicht beteiligt war, weiß was im Einzelnen geschah. Aber noch ist ja nicht aller Tage Abend. Jetzt wird ja auch noch gelebt. Ich muss auch erstmal an den Punkt kommen, wo ich mir selber diese fehlenden Geschichten erzählen möchte. Später mal, oder von Zeit zu Zeit, wenn ich wider Erwarten nostalgisch werden sollte. Oder mir über irgendetwas aus dieser Zeit klarer werden muss. So wie es kommt.

tinius - So, 1. Dez, 23:02

Leben ist wichtiger als Schreiben, und wenn etwas geschrieben werden will oder soll, wird es sich unabweisbar melden. Das, was mich insgeheim prägt, hab ich in zwei Texten versucht zu fassen, beide gut 30 Jahre nach dem Ereignis entstanden, beide immer noch nicht hinreichend gut. Ein erster Schritt.

g a g a - So, 1. Dez, 23:13

Die erforderliche zeitliche Distanz dokumentiert auch die tiefe Spur, die ein Ereignis hinterlassen hat. Man könnte auch sagen, eine Art Intensitäts-Stempel. Und Brandmal. Ich lese ja seit geraumer Zeit an Volker Schlöndorffs Autobiographie und bin nun im letzten Viertel an dem Punkt, wo er von einer zweigleisigen Beziehung zu einer jungen Frau in New York erzählt und der weiterhin geführten Ehe mit Margarethe von Trotta, die nichts davon wusste. Ich staunte ein bißchen, dass es ihm gelungen ist, seine Geheimniskrämerei so unbeschönigt zu dokumentieren. Es hilft aber auch, sich einzufühlen. Sehr spannend. Das ist bei ihm jetzt ca. siebenundzwanzig Jahre her bzw. als er es schrieb, vierundzwanzig Jahre. Ja, gut, das ist vorstellbar. Danach kam eine weitere Ehe, die bis heute anhält. Aber aufwühlend, das zu lesen. Man kennt so viele ähnliche Konstellationen... oder hat sie selbst erlebt.
kaltmamsell (Gast) - Mo, 2. Dez, 07:17

Aus den Fotos sieht mir gerade eine ganz andere Frau entgegen. Das ist ein bisschen seltsam, aber sehr spannend.

g a g a - Mo, 2. Dez, 19:23

Die Fotos sind vom 1. September 2013, meinem 48. Geburtstag, dem Ausflug zu Hilma af Klint. Also ein Vierteljahr alt. Aber schon noch repräsentativ. Die Haarspitzen sind ein bißchen länger. Muss mal wieder ein bißchen schneiden. Mit meiner Frisör-Schere aus dem Internet. Ich nehme an, der Blick ändert sich nach einschneidenden Erlebnissen. Und davon gab es ein paar, gerade im letzen Vierteljahr.

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