Ausnahmsweise mal keine Kleiderschrankfotos. Man erschrickt ja schon fast und denkt, man ist auf dem falschen Blog. Nein, nein, hiergeblieben! Neulich, am vierzehnten November aus meinem Fenster zur Auguststraße, am Gipsdreieck. Dem linken Fenster in meinem Wohnzimmer. Rechts davon ist die Dachloggia, wo ich mich bald wieder in der Sonne brate, wenn es mir gestattet ist. Dann gibt es noch ein drittes Fenster zur Auguststraße, das ist im Schlafzimmer. Das Küchenfenster und noch eines vom Wohnzimmer (das ist so über Eck, weil ich ja in einem Eckhaus wohne, das wo die Milchbar unten drin ist), gehen zur Joachimstraße, da wo ich auf die Teller vom Hackbarths gucken kann. Ein Haus weiter rechts von den Bäumen, die man auf den Farbfotos sieht, aber nicht im Bild, ist das graue Haus, auf dem oben groß Anwaltsgeheimnis an der Fassade steht, da ist unten das "next to... Kuchi" drin, wo Brangelina am Dienstag mit ihren Kids gefuttert haben. Das ist der von mir aus gesehen hintere Teil vom Gipsdreieck, mit der Gipsstraße. Bitte weiterhin zu bedenken, es handelt sich um Fotos vom November 2012. Jetzt sind alle Bäume schon wieder größer und dicht mit einem schicken Frühsommerkleid bedeckt. Allerliebstes Grün da unten.
Das war dieser Tag. Ich muss leider erkennen, ich habe diese schwarze transparente Chiffon-Hemdbluse mit Kragen, Brusttaschen und Manschetten aus schwarzem Satin nicht angemessen ins Bild gesetzt. Bei diesem Kleidungsstück handelt es sich gewissermaßen um eine Reminiszenz an jene schwarze Chiffonbluse von Yves Saint Laurent, die 1968 Furore gemacht, um nicht zu sagen, einen mittleren Skandal ausgelöst hat. Die amerikanische VOGUE schreibt in ihrem Lexikon, dem Voguepedia, zum Stichwort "Le Smoking" im historischen Abriss der Entwicklungs-Geschichte (und damit der Gesellschaftsfähigkeit und Emanzipation) des Smokings für Frauen unter dem Jahr 1968:
"March: In Vogue, Richard Avedon photographs Penelope Tree in Saint Laurent’s daring transparent bow-necked chiffon blouse, worn with a trim smoking jacket and Bermuda-style tuxedo shorts. Black tights and Roger Vivier’s Mary Jane pumps complete the look. August: A relaxed smoking features a black satin blouse with white satin collar and cuffs, belted with a fringed sash and loose-fitting trousers."
Saint Laurent hat seinen Entwurf von 1968 dieses Chiffonhemds später mehrfach zitiert, was er ja ohnehin gerne tat (gerade in Sachen Damen-Smoking), anders, moderner, neu aufgelegt. Mir ist, als hätte ich mein Exemplar gekauft, nachdem ich eine Fotostrecke in der deutschen Vogue gesehen hatte. Es muss etwa Mitte der Neunziger gewesen sein. Es war jedenfalls eindeutig die Historie in meinem Kopf, als ich meine entdeckte, und ungeachtet des Preises kaufte. Man findet so etwas selten, auch diese Verarbeitung. Die Knopfleiste ist ganz reduziert gehalten, mit sehr kleinen mit schwarzem Satin bezogenen Knöpfen, ganz unauffällig. Ich habe diese Bluse schon oft getragen, allerdings nie ohne Nichts darunter. Bei seiner allerletzten Schau, der Retrospektive, des großen Abschieds von Saint Laurent, trug Naomi Campbell das legendäre Kleidungsstück. Mit Nichts darunter. Versteht sich.
Langer Glitzermantel. Könnte ich mir auch in der Manege vorstellen, mit passendem hohen Glitzer-Zylinder, so aus Silberpailletten. Fehlt mir noch in meiner Sammlung! Und dann noch die passende Veranstaltung. Gaga Nielsen als Zirkusdirektorin! Das gefiele mir vom Prinzip her, also optisch und auch sonst, als Rolle für mich, obwohl ich Zirkusvorstellungen eigentlich nicht besonders leiden kann. Ich glaube, ich habe mich schon als Kind im Zirkus unbeschreiblich gelangweilt. Weder konnte ich über den Clown lachen, was mir auch immer irgendwie peinlich war, weil sich alle anderen scheinbar wie Bolle über den stolpernden Mann in der karierten Hose amüsieren konnten, noch hat mich die komplizierte und auch gefährliche Turnerei zu Pferde und in der Luft wirklich fasziniert. Ich dachte dann immer eher: die haben das ja auch monatelang geübt, sind eben sportlich und dann kann man solche Gymnastik-Kunststücke irgendwann aus dem Effeff. Das schien mir immer alles so berechenbar und ich musste die ganze Zeit als Kind so tun, als ob ich mich gut unterhalten fühle. Ein Glück, dass man als Erwachsener nicht mehr in den Zirkus muss. Aber so ein Zirkus-Direktorinnen-Kostüm mit Zylinder. Ein Traum! Ach ja: die Tiernummern haben mir auch nicht gefallen, weil immer einer mit der Peitsche dabei war und die Kunststücke genauso berechenbar waren wie bei den Trapezturnern. Aber wem es gefällt! Ich bin auf keinen Fall dagegen. Ich denke, das fahrende Volk sind sympathische Leute und so Zirkuswagen sind auch sehr hübsch. Ah! Jetzt weiß ich: was mich interessiert hat, so ein bißchen zumindest, waren die Zirkuswagen, also die Wohnwagen. Wie die drinnen so ausschauen, ob mit Plüsch ausgeschlagen und getigerter Bettdecke. Und Schminktisch mit großem runderherum beleuchteten Spiegel und vielen Schminksachen. Also so einen Zirkuswagen finde ich toll. Uschi Obermaier hat sich ja seinerzeit, damals mit ihrem Bockhorn, ein altes Wohnmobil dekorativ zurechtgezimmert, wie im Puff! Nur mehr so Hippie. Toll. Wie man sieht, ich blogge schon wieder munter. Laser-Bombardierung überlebt. Aber das Geräusch ist ja eklig. Dieses mechanische Hämmern. Ich dachte, das wäre mehr so ein hohes Fiepen. War zum Glück nach ungefähr zwei Minuten vorbei. Nein, keine Faltenbehandlung. So weit bin ich noch nicht. Ich sage dann Bescheid, wenn es so weit ist. Eine kleine Hautmutationsentfernung. Hab das Pflaster schon vorsichtig abgezupft, schon schöne Kruste. Hat aber stark geblutet, das erste Pflaster war gleich durch, musste ich mich noch mal hinlegen. War heute Mittag, gegen halbeins, der kleine Eingriff. Danach heim und zwei Stunden auf's Ohr gelegt, ein bißchen geschlafen. Und jetzt wieder wach. Ach ja, als ich heimgelaufen bin, von der Krausnickstraße, wo es gemacht worden ist, in die Auguststraße, war ein Kamerateam auf dem Spielplatz am Gipsdreieck, direkt unter meiner Wohnung. Zwei oder drei Kameras haben auf eine junge Frau und einen Mann gehalten. Die beiden sind interviewt worden. Ihn habe ich noch nie gesehen, aber die Frau war glaube ich eine Schauspielerin, wo die Mutter auch als Darstellerin arbeitet und schon mal im Playboy war. Genauso alt wie ich, also mein Jahrgang. Die Mutter, meine ich. Sie hat schon mehr Erfahrung mit Schönheitschirurgie als ich. Ich schätze mal ungefähr so viel Erfahrung wie Costa Cordalis. Aber ich schweife etwas ab. Schade, dass der mir unbekannte Mann neben ihr, also der jungen Schauspielerin auf dem Spielplatz, nicht ihr Lebensgefährte war. Till Lindemann hätte ich mir schon ein bißchen genauer angeschaut, aber heimlich von oben, aus meinem Wohnzimmerfenster. Aber er war es ja leider nun einmal nicht. Als ich oben war, hab ich noch mal kurz aus dem Fenster nach unten auf die Szene geschaut. Sie stand dann zwei Meter woanders und wurde einzeln interviewt und gefilmt. Verstanden hab ich nichts. Ich habe dann noch überlegt, warum sie die Perspektive gewechselt haben, und ob die Kameraleute gedacht haben, die Straßenflucht Richtung Rosenthaler Straße, mit den Leuten, die draußen an den Tischen sitzen und essen und trinken, ist vielleicht dekorativer. Ich habe dann aber auch bald, also nach ungefähr fünfzehn Sekunden gemerkt, dass mich die beiden da unten, und auch leider die Fernsehleute, nicht so richtig interessieren. Schade eigentlich. Wäre doch toll gewesen, wenn wer Interessantes da gestanden hätte. Warum schaffe ich es einfach nicht, mich für die Freundin von Till Lindemann zu interessieren! Verdammt. Sie ist hübsch und vorlaut und eigensinnig, aber ich kriege es einfach nicht hin. Nicht mal ihre Mutter interessiert mich. Dabei sind wir doch ein Jahrgang! Wie aufregend hätte der Nachmittag sein können. Ich hätte vielleicht zum ersten mal heimlich Leute aus meinem Fenster fotografiert. Dann hab ich mich hingelegt, in mein Bett und dunkel gemacht und meine kleine Wunde geleckt. Heute ist übrigens auch wieder ganz super Wetter. Aber ich soll nicht in die Sonne, muss erst wieder heil sein. Aber bestimmt bald. Werde mal was essen.