06. September 2012

Gestern war ich wieder einmal auf einer Aussichtsplattform. Am Alexanderplatz steht ein viereckiger Turm mit 39 oder 40 Stockwerken, das Hotel "Park Inn", früher zu DDR-Zeiten "Forum-Hotel". In der 37. Etage ist eine Location, die man mieten kann und nach der Wende wurde nachträglich eine Aussichtsterrasse gebastelt. Man fährt bis zum 37. Stock, geht ein paar Treppen nach oben, bezahlt bei einem netten Hotelmitarbeiter, der auch Getränke im Angebot hat, drei Euro und geht raus. Es stehen ein paar stoffbespannte Liegestühle herum, wie man es von diesen Strandbars kennt. Es ist sehr windig, das sind Aussichtstürme ja meistens. Man schaut direkt auf den Fernsehturm, der ist ganz nah, gegenüber. Und über die ganze Stadt. Man schaut aber durch ein Sicherheitsnetz, so ähnlich wie es Katzenbesitzer oft an den Balkon basteln, nur größere Maschen und stabiler. Dieser Aussichtspunkt auf Berlin ist für meinen Geschmack bislang der bei Tag am wenigsten attraktive, auf dem ich bisher war, obwohl die anderen keine Getränke im Angebot haben. Ich würde es keinem Berlin-Besucher ans Herz legen und auch keinem Berliner. Die Terrasse wirkt auf mich trotz der Strandliegen ein bißchen improvisiert und lieblos und man findet keine windgeschützte Ecke. Ich finde, man muss da nicht rauf, lieber woanders. Und da dachte ich gestern, als ich da oben war, wie unvergleichlich schöner es doch auf der Kuppelbalustrade des Französischen Doms ist. Man kann es eigentlich gar nicht vergleichen. Sagen wir, wenn man Flair in Hotelkategorien ausdrücken wollte, wäre die Plattform vom Park Inn eine Jugendherberge und der Französische Dom ein fünf Sterne-Hotel. Ein unvergesslicher Eindruck. Ich war am dritten März zum ersten Mal in meinem Leben da oben, auf der Domkuppel. Es kostet auch drei Euro Eintritt. Man sollte sich vielleicht selber etwas zu trinken mitnehmen. Ein Fläschchen Champagner wäre durchaus angemessen. Oder ein schöner Châteauneuf-du-Pape. Und Gläser. Oder einen Eisbecher. Kein Bier, denn das wäre dem Ort nicht angemessen, ja unschicklich.



Es muss ein elegantes Getränk sein oder ein Eisbecher mit Schlagsahne. Oder ein großer Becher heiße Schokolade oder Kaffee. Aber ohne Plastikdeckel! Dazu feinste Trüffel- Nuss- und Nougat-Pralinen. Mozartkugeln! Constanze-Marzipanherzen! Oder meinethalben auch eine Packung Raffaello oder Ferrero Rocher. Als ich nach oben gegangen bin, hat das wunderbare Carillon angefangen zu spielen, das Glockenspiel. Ich war hin und weg und habe ganz aufgeregt, ganz schnell nach der Filmfunktion auf meiner Kamera geguckt und angemacht. Man kann es nicht beschreiben. Es ist mir unvorstellbar, dass irgendein Mensch keine Gänsehaut bekommt, in so einem Augenblick. Für mich kam es auch noch überraschend, ich wusste das gar nicht. Und nun stand ich so dicht an dem Glockenspiel, an dieser mächtigen Konstruktion wie aus einem Jules Verne-Roman. Ich habe damals noch am selben Tag die kleine Filmaufnahme hochgeladen, hier ist der Eintrag. Nur für die vielen mitgebrachten Bilder habe ich sehr lange gebraucht. Ich habe heute viel Zeit damit zugebracht, die Bilder in eine Reihenfolge zu bringen, die mein Erleben nachempfindbar macht. Die Wendeltreppe nach oben zu gehen, die Höhe des schlanken Kuppelturms zu begreifen und die mächtige Eisenkonstruktion des Glockenspiels. Durch die wagenradgroßen, runden Aussichtsfenster zu schauen und nach draußen zu treten, einmal oder auch zweimal rund um die Kuppel, mit den großen steinernen Amphoren und dem stolzen Krähenvogel, der wie ein König oben auf einer der Amphoren thronte und erhaben und zufrieden über sein Reich in die sinkende Sonne schaut. Am Ziel.





Das sind Momente, die ich teilen möchte. Und deshalb widme ich diesen Eintrag ganz besonders allen Menschen, denen es nicht möglich ist, aus eigener Kraft auf so einen Aussichtspunkt zu gelangen und das Glück zu empfinden, wie ein königlicher Vogel über die Stadt zu blicken. Fliegen kann auch ich nicht, das können nur die Vögel, aber ich kann Bilder verschenken, um gemeinsam mit mir durch meine Augen zu fliegen, in den Himmel über Berlin.

05. September 2012

Durch einen Zufall auf eine dieser automatisch generierten Seiten mit flickr content gekommen, wo man den eigenen Bilderstrom nach dem Kriterium "most interesting" sieht, von oben nach unten sortiert. Keine Ahnung, wer sich so etwas ausdenkt. Ich habe jetzt eine ganze Weile geguckt. Von oben nach unten. Wie ein Film.



Auf eine Art sortiert, wie man es selbst nie machen würde, wozu auch. Aber interessant. So durcheinander, zufällig und mosaikartig läuft dann wahrscheinlich irgendwann einmal der Lebensfilm ab, falls es ihn gibt. Bei diesem Bild blieb ich dann hängen und habe aufgehört. Morgen kommt mein Kühlschrank. Muss schlafen jetzt.

4. September 2012



Heute war ich an einem der schönsten Orte unter dem Himmel von Berlin. Ich wagte mich durch das Tor der großen Moschee und ein muslimischer Bruder lud mich herzlich ein, die Moschee zu betreten und mir alles anzuschauen. Ich habe gefragt, ob ich Fotos machen darf. Ja! In der Moschee ist jeder herzlich willkommen, auch Brüder und Schwestern mit anderer oder gar keiner Religion. Man muss nur die Schuhe ausziehen, weiter nichts. Dann sinkt man in den tiefen Teppich und ist wie in einem Märchen aus Tausend und einer Nacht. Ganz zauberhaft. Ein junger, gläubiger Muslime hat erzählt, was alles in der Moschee gemacht wird. Manchmal hat er sich im Schneidersitz auf den dicken Teppich gesetzt. Die Moschee ist nicht nur wie eine Kirche sondern ein Treffpunkt, wo man im Hof auch was trinken kann und essen, wenn man mag. In der Moschee darf nicht nur der Imam sprechen sondern auch andere, Hauptsache es ist ein wissenschaftlicher Vortrag. In der einen Nische hat ein gläubiger Mann in Richtung Mekka gebetet. Es gibt einen wunderschönen heiligen Schrein an der Wand, damit man beim Beten gleich die richtige Richtung weiß und nicht lange überlegen muss. Es wurde auch erklärt, was die Gebetshaltungen von den Armen und Händen bedeuten. Das war alles sehr schön und leicht und heiter. Gar nicht ernst und schwer, und sehr innig. Die Moschee ist drinnen so sauber, so rein, dass ich es gar nicht in Worte fassen kann. Ich habe noch nie irgendwo einen so sauberen Teppich gesehen. Alle gehen in Strümpfen, wie im Wohnzimmer. Es ist ganz still, die Fenster sind leicht geöffnet und es weht ein leichter Wind, man hört die Blätter rauschen, sieht die Sonnenflecken auf dem Teppich und fühlt sich aufgehoben. An der Decke und überall sind wunderschöne, filigrane Arabesken und Ornamente gemalt. Die gemauerten Bögen der Säulengänge haben ein Blockstreifenmuster wie in der Alhambra. Es ist überhaupt vieles wie in der Alhambra, nur lichter und wohnlicher. Ein lichter, federleichter freundlicher Palast zu Ehren der Schöpfung. Wundervoll. Als ich gegangen bin und noch einmal zurückgeschaut habe, um die schöne Moschee ganz zu sehen, mit den beiden Minaretten, hat mich ein anderer freundlicher Muslime im Hof angesprochen und mich ebenfalls mit großer Herzlichkeit ermutigt, doch gerne hineinzugehen. Aber ich war ja schon drin, das hat er nicht gewusst. Ich habe ihm gesagt, wie schön ich die Moschee finde, er hat gestrahlt und noch fast besorgt gefragt, ob ich auch schon ein Foto von der Moschee mit beiden Türmen drauf habe? So eins müsste ich auch noch machen. Das habe ich dann auch noch gemacht. Ich habe ihm auch gesagt, dass ich gespürt habe, wie rein die Atmosphäre dort ist. Er hat interessiert zugehört und gemeint, dass das nicht jeder gleich so spürt, aber so ist es. Er hat sich nett verabschiedet und ich bin aus einem arabischen Märchen direkt zur Bushaltestelle gegangen. Wie auf einer Wolke.



Mit deiner Seele hat sich meine
Gemischt, wie Wasser mit dem Weine.

Wer kann den Wein vom Wasser trennen,
Wer dich und mich aus dem Vereine?

Du bist mein großes Ich geworden,
Und nie mehr will ich sein dies kleine.

Du hast mein Wesen angenommen,
Sollt' ich nicht nehmen an das deine?

Auf ewig hast du mich bejahet,
Daß ich dich ewig nie verneine.

Dein Liebesduft der mich durchdrungen,
Geht nie aus meinem Mark und Beine.

daß ich seufze,
Gieb einen Schlag mir, daß ich weine.

Süß ist mein Weinen und mein Seufzen,
Daß ich der Welt zu jauchzen scheine.

Du ruhst in meiner Seele Tiefen
Mit deines Himmels Widerscheine.

O Edelstein in meinen Schachten,
O Perl' in meinem Muschelschreine.

Mein Zucker ist in dir zerschmolzen,
O Milch des Lebens, milde, reine;

Und unsre beiden Süßigkeiten
Genießet Kindermund als eine.

Du preßtest mich zu Rosenwasser,
Nicht seufzt' ich unter deinem Steine.

In deiner süßen Qual vergaß ich,
Daß ich die Rose war am Raine.

Da brachtest du an deinen Kleidern
Mich mitten unter die Gemeine;

Und als du auf die Welt mich gossest,
Ward sie zu einem Rosenhaine.


Dschalal ad-Din Muhammad Rumi 1207-1273
in der Übersetzung von Friedrich Rückert, 1819

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