05. Dezember 2011

Warnung - sehr langer Eintrag

Mit Vernunft (...) wird die Fähigkeit des menschlichen Geistes bezeichnet, von einzelnen Beobachtungen und Erfahrungen auf universelle Zusammenhänge in der Welt zu schließen, deren Bedeutung zu erkennen und danach zu handeln – insbesondere auch im Hinblick auf die eigene Lebenssituation (...) Wikipedia



Ich bemühe mich sehr um Vernunft. Mehr als je zuvor. Vernunft kann aber auch sein, über die Stränge zu schlagen, wenn die Kraft einen oben auf der Welle trägt, zu ungeahnten Horizonten. Jetzt ist eine andere Zeit, ich erkenne das. Die Wellen sind nicht furios, nicht sensationell, eher gleichmäßig, unspektakulär. Was war eher da, die Henne oder das Ei? Die Reduktion der Ereignisse oder die Reduktion der Motivation?. Oder beides parallel. Ich glaube ja, mehr oder weniger gleichzeitig. Die Welle zog sich zurück und ich mich mit ihr. Ich kümmere mich um Dinge, die mir sehr lange keinen Gedanken wert waren. Unerwarteterweise erfahre ich bei meiner relativ jungen Beschäftigung mit Preisen für Lebenshaltungskosten eine Art Forscherglück. Ach, das klingt so beschönigend. Es ist vielleicht auch nur deshalb wahr, weil ich es nur aus einem vorübergehenden Engpass betreibe. Vor etwa fünfzehn Jahren hatte ich das auch mal, da war es aber schlimmer und schwieriger in den Griff zu bekommen. Es ist nicht existentiell, das muss man hinzufügen. Wenn man innerhalb einiger Monate mit knallharter Disziplin wieder in den grünen Bereich kommt, ohne außerordentliche Zuwendungen, ist es noch kein Desaster.

Ich war einfach sehr leichtsinnig in den letzten Jahren. Bequem auch, viel unterwegs, viele Taxifahrten, um schneller im Bett zu sein. Ich habe mir allen Ernstes Holunderbeersaft aus der Privatkelterei van Nahmen zu Butter Lindner in der Rosenthaler Straße liefern lassen, vom Catering Service. Eine ganze Kiste. Damit ich möglichst bequem, im Vorbeigehen (ich laufe jeden Tag an dem Laden vorbei) immer mal wieder ein Fläschchen holen konnte. Dass die Flasche zum Preis von knapp sieben Euro mehr als einen Euro oder sogar noch mehr teurer war als in der Feinschmecker-Abteilung von Galeria Kaufhof am Alexanderplatz, war mir die Bequemlichkeit wert. Man muss vielleicht wissen, dass der Kaufhof am Alex nur eine sehr, sehr kurze Haltestelle von dem Butter Lindner-Laden in der Rosenthaler entfernt ist. Aber: hin und zurück inclusive an der Kasse anstehen bestimmt ein halbes Stündchen Lebenszeit.

Aber was ich mache, mache ich ganz. Über die Stränge schlagen oder Klausur. Mit großem Sportsgeist habe ich mir also seit Anfang November auferlegt, mit fünfzig Euro Wirtschaftsgeld pro Woche auszukommen. Bis jetzt hat es prima geklappt. Das Wirtschaftsgeld ist für Lebensmittel und Hygieneartikel zu verwenden. Alles andere wird, bis auf meine BVG-Monatskarte, vom Konto abgebucht. Für den ganzen Dezember habe ich insgesamt 220 Euro zur Verfügung. Ich packe die fünfzig Euro-Scheine für eine Woche immer in einen Umschlag, den ich beschrifte. Ich darf nur noch einmal pro Monat zum Geldautomaten gehen und da hebe ich das ganze mir zustehende Wirtschaftsgeld in einer Transaktion ab. Was für ein Gefühl neulich, nach längerer Zeit keinen Minusbetrag mehr auf der Kontostand-Zwangsanzeige des Sparkassen-Geldautomaten zu sehen. Neuerdings hole ich mir sogar freiwillig Kontoauszüge, was ich in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren tunlichst vermieden habe.

Wenn ich dann also das Bargeld habe, gehe ich freudig meine vier bis fünf Briefumschläge für den jungfräulichen Monat beschriften. Und zukleben! Das hat mir vor vielen Jahren schon einmal aus der Misere geholfen. Die Hemmschwelle ist viel, viel größer, als wie wenn das Geld so offen Kraut und Rüben griffbereit im Portmonnaie liegt. Ich würde mich vor mir selber schämen, wenn ich vor der Zeit einen neuen Umschlag öffnen würde. Lieber verzichte ich auf etwas! Es ist ja meistens nur ein paar Tage, bis der nächste Umschlag dran ist. Und wie groß die Freude dann ist! Unter anderem bin ich ja bis vor kurzem mehr oder weniger jeden Tag in dem einen oder anderen gastronomischen Betrieb zu Gast gewesen. Und wenn es nur die durchaus preisgünstige TU Mensa war. Kleinvieh macht auch Mist. Das läppert sich!

Um auf die oben erwähnte Welle zurückzukommen: da trifft es sich ganz gut, dass meine Verfassung im Moment sowieso etwas Klösterliches hat. Das passt eigentlich alles ganz gut zusammen. Schauen, was man wirklich braucht. Ich habe noch nie zuvor einen derartigen Genuss bei einer Tasse Lavazza-Cappuccino mit einer doppelten Portion Espresso oben drauf gehabt, wie in diesen Tagen. Mein größter Luxus nunmehr! Früher: gewöhnlich! Ich habe früher nicht mitgezählt. Was für eine Vorfreude auf kleine Dinge sich entwickeln. Es ist furios. Ich bin in kürzester Zeit eine Top-Fachkraft in Sachen Preisvergleich im Lebensmittelhandel geworden. Noch vor acht Wochen hätte ich nur vage beantworten können, was ein Stück Butter kostet, wenn es preisgünstig ist. Ich habe die Sachen einfach nach Appetit, Qualität und Schönheit der Verpackung ausgeguckt, in den Wagen gelegt und an der Kasse bezahlt. Hat immer einwandfrei geklappt. Bis ich nun doch dahinter gekommen bin, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen meinem Desinteresse am Preisvergleich und meinem unverändert homöopathischen Kontostand bestehen könnte.

Nun habe ich zwar kein Auto aber zwei Mieten zu bezahlen. Das haut schon ganz schön rein. Über die Höhe wollen wir hier nicht sprechen. Des weiteren bin ich seit vielen Jahren im Naturschutzbund stilles, zahlendes Mitglied, damit ordentlich viele Hektar Landschaft für Biosphärenreservate gekauft werden können. Dann habe ich einen Kabelanschluss, obwohl ich seit ungefähr vier Jahren nur noch zweimal im Jahr den Fernseher anschalte. GEZ, Ehrensache. Schließlich höre ich zu gerne die Internetkonserven von Bettina Rusts sonntäglicher Radiosendung. Ob meine zwei Greenpeace Energy-Verträge für die beiden Mietobjekte nun sonderlich preisgünstig sind, weiß ich gar nicht, aber das ist für mich eher ein Politikum, eine Frage, was und auch wen man unterstützen will mit seinem Schotter. Eine Frage der Vernunft.

Sehr wohl allerdings in Frage zu stellen ist mein Vertrag für den Internetzugang. Und hier muss ich endlich Schritte einleiten. Dieser mein Vertrag widerspricht nun jedweder Vernunft. Es ist direkt peinlich zuzugeben. Ich kriege es kaum über die Tasten. Ich habe vor vielen Jahren, zu vielen Jahren, eine Flatrate für Internet und Telefon gebucht, die seinerzeit quasi der Rolls Royce unter den Internetzugängen war. Aber die Zeiten ändern sich! Damals wollte ich einfach nur das schnellste Internet wo gibt, Geld spielt keine Rolle. Sehr freundlich war der Kundendienst zu mir, schon damals waren alle möglichen Extras drin, die ich gar nicht genutzt habe. Hauptsache schnelles Internet! Nun wurden aber alle Internets auf einmal ganz schnell, nicht nur meins mit dem teuren Vertrag. Und auf einmal kam ein Anruf, dass jetzt noch ein Extra dazukommt und ob ich das haben will, der Preis wäre der gleiche.

Oder so ähnlich. Oder nein, es war noch anders, es hieß glaube ich, es gibt jetzt noch ein schnelleres Internet und da ist auch gleich automatisch so ein Entertaiment-Paket dabei, irgendwas für den Fernseher, was mich aber gar nicht interessiert hat, weil ich wollte ja immer noch nur schnelles, schnelles Internet! Also hab ich ja gesagt, mir doch egal, ob da was für den Fernseher dabei ist. Auf einmal liegt irgendwann kurz nach diesem Anruf ein Paketzusteller-Zettel im Briefkasten, ich sollte bei der Schauspieleragentur in der ersten Etage ein Paket abholen. Ich hab mich erstmal gefreut, weil man weiß ja nie, Überraschung, Überraschung! Und bei der Schauspieleragentur im ersten Stock war ich auch noch nie, vielleicht geht die Tür auf und lauter tolle prominente deutsche männliche Schauspieler stehen vor mir, die in echt unerwartet attraktiv und sympathisch ausschauen. Also nichts wie hin und das Paket geholt.

Was soll ich sagen: die Agentur-Inhaberin öffnet die Tür, hinter ihr an der Wand sehe ich lauter Schwarzweiß-Portraitfotos von Schauspielern, sie ist aber leider alleine in den Räumlichkeiten, wie es scheint, da man keine Stimmen hört. Eine sehr attraktive Brünette, die mich angetan anlächelt. Schade, dass ich keine Schauspielerin bin, bestimmt könnte sie viel für mich tun. Aber um zur Sache zu kommen: ich zeige ihr meinen Paketzettel und sie hat das Ding schon gleich griffbereit neben der Tür. Ein nicht zu kleiner Karton. Ungefähr so groß wie die Verpackung für einen ziemlich großen Videorecorder. Also DVD-Player für die Jüngeren. So Stereoanlagen-Receiver-aus-den-Achtzigern-Größe. Um es kurz zu machen: es stand unverkennbar der Name von meiner Internet-Zugang-Firma drauf. Sehr verwirrend. Ich habe es ihr aus der Hand genommen und mich mit einem besonders verbindlichen Lächeln verabschiedet. Man weiß ja nie.

Oben, im fünften Stock mache ich den Karton vorsichtig auf, obwohl ja schon drauf stand, was drin ist. Ich wollte mich nur von der Größe des gewichtigen Objekts überzeugen. Ein großer, schwerer schwarzer Kasten, mit einem eingeschweißten Umschlag mit persönlichen Zugangsdaten für dieses Entertainment-Paket. Kann man irgendwie an den Fernseher anschließen, vorausgesetzt vermutlich, man hat ein besonders neuzeitliches Modell, was ich aber bestimmt nicht besitze. Mir eigentlich auch völlig schnurz. Das Ding hat nichts extra gekostet, weil ich den Vertrag in der Einführungswoche gemacht habe, wo der Kasten umsonst dabei war. Ein Receiver quasi für Fernsehprogramme auf Abruf. So ähnlich, wie man wahrscheinlich jetzt schon seit geraumer Zeit in den Internet-Mediatheken alles mögliche anschauen kann, nur halt weltweiter und unbegrenzter, was weiß ich. Egal. Wohin mit dem Kasten? Nun hat er seit einigen Jahren seinen Platz in der Bettwäschetruhe im Schlafzimmer.

Unangeschlossen. Ich brauche das alles nicht. Es interessiert mich nicht. Ich wollte den Kasten schon verschenken, aber dann bräuchte ja derjenige so einen blöden teuren Vertrag wie ich, so eine Scheiße! Ich zahle also seit ich-weiß-nicht-wann diesen Entertainment-Quatsch für den Fernseher und habe über Jahre überhaupt nicht das immense Spar-Potenzial realisiert, wenn ich den Vertrag nur etwas schlichter halten würde. Nun fällt es mir wie Schuppen aus den Haaren! O.k. ich habe damit Arbeitsplätze gesichert, so was sage ich mir dann immer. Ist auch wichtig! Aber nun sind mal andere dran, ich habe mein Scherflein lange genug dazu beigetragen. Somit ist eines meiner nächsten Lebensziele, diesen komischen Entertainment-Internet-Vertrag meinen tatsächlichen Konsumgewohnheiten anzupassen. Damit könnte sich mein wöchentliches Wirtschaftsgeld glatt um zehn Euro erhöhen, wenn nicht mehr. So viel also zur Haushaltslage. Der Haushalt ist im Prinzip bereits konsolidiert, nun geht es darum Überschuss zu erwirtschaften.

Dann könnte ich vielleicht sogar mal wieder, so wie früher, die eine oder andere extravagante Fernreise in Betracht ziehen. Ich denke, das wird sich alles zur rechten Zeit finden. Im Moment wüsste ich sowieso noch nicht, wo ich als nächstes hinwollte. Es gibt also kein echtes Fernwehproblem. Ich habe noch so viele Bilder von früheren Reisen in mir. Das will alles wohl überlegt sein. Meine Prognose ist, wenn ich genug Extra-Geld auf dem Konto habe, und damit meine ich so viel, dass ich mir auch noch qualitativ hochwertigen Zahnersatz nach der Rückkehr leisten könnte, ohne in den roten Bereich zu kommen, ist es so weit. Dann wird sich alles fügen und plötzlich wird es einen fernen Ort geben, zu dem es mich unweigerlich zieht, ihn zu entdecken. Aber erst mal nicht.

Und das Gleiche gilt für die anderen Dinge. Menschen zu treffen, freiwillig. Mit ihnen zu sprechen. Im Moment muss ich verstehen und begreifen und sortieren. Das braucht viel Zeit. Es ist nämlich so, wenn man wie ich keine Lust auf Geplauder hat, in der Begegnung den Tiefgang sucht, kann das Gegenüber zu Recht erwarten, dass man um diese Qualität zu erreichen, von sich wesentliche Dinge preisgibt, sich offenbart. Was einen im Tiefsten bewegt. Und genau das kann ich im Augenblick nicht bieten. Es ist mir kein Bedürfnis, aus einem Schutzbedürfnis. Über manche Dinge, die man laut aussprach, denkt man später - ich hätte es gar nicht sagen sollen, nicht laut aussprechen. Ich habe es stark damit gemacht. Dem Unwürdigen dadurch Raum und Gewicht geschenkt.

Darum geht es. Darum ist es nicht immer gut, sich auszusprechen. Ich wünschte, ich hätte mich in einiger Hinsicht in den letzten Jahren weniger offenbart. Und ich wünschte, manche hätten mir manches nicht erzählt. Dinge, die ich nicht richtig fand, dass sie mein Ohr erreichten. Indiskretion aus Vertrauen. Nur gut gemeint, aber nicht gut, nicht richtig bei mir angekommen, auf einer filigranen, schwer greifbaren, vielleicht ätherischen Ebene mir nicht gut bekommen. Ich glaube, das ist ein fürchterlich langer Blogeintrag. Ich muss bestimmt ein paar Absätze reinmachen, bevor ich ihn veröffentliche. Die letzten Tage fühlte ich mich zu schwach etwas zu schreiben. Auch physisch. Deswegen ist es jetzt so viel geworden. Man muss die Gunst der Stunde nutzen. Auch beim Bloggen. Beim Schreiben. Immer. Auf der Welle reiten.

04. Dezember 2011



Das Frag den Abendwind-Lied gefällt mir noch besser. Aber da ist nicht so eine tolle Ansage* von Thomas Fritsch drin. Schon lange die alten Françoise Hardy-Schallplatten nicht mehr gehört. Françoise Hardy hat mir schon immer gut gefallen, nicht nur wie sie singt. Sie guckt immer so eigenwillig. Dass sie super aussieht, immer schon sehr modern und untussimäßig, kommt noch erschwerend hinzu. So wollte ich von klein auf werden. Hosenanzüge haben mir immer schon besser gefallen als Kostüme. Vielleicht weil die Hosenanzug-Frauen nicht nach Mutti, Tante und Kaffeeklatsch sondern mehr nach schicken Abenteuern, Safari und um-die-Welt-Reisen ausgeschaut haben. Aber ohne Drei-Wetter-Taft. Und bunte Minikleider und lange Partykleider mit wilden Paisley- und Pucci-Mustern wollte ich auch noch anziehen.



Mini und Maxi hat man damals dazu gesagt. Midi war uninteressant. Nicht Fisch, nicht Fleisch. Total spießig. Aber lange Partykleider, rückenfrei. Einfach super. Leider habe ich nie eines gehabt. Mangels Party-Einladungen in meiner Kindheit. Und später dann waren lange Partykleider auf einmal unmodern. Nie wäre man in die Disco mit langem Kleid gegangen, die Hippiezeit war auch schon vorbei. Schade. Und jetzt wo ich groß bin, läd mich auch keiner zu Parties mit langen Kleidern ein. Ganz schön blöd.

* "...im schwarzen Smoking von Yves Saint-Laurent, dem letzten Modeschrei."

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