Ich weiß auch nicht - - -
Man müsste langsam mal die Pille für Männer einführen, nicht um den Quatsch ernsthaft zu praktizieren, sondern eine Idee davon zu vermitteln, was dauerhafte Gabe von Hormonen für schleichende aber massive Auswirkungen auf mentale Verfassung und Libido haben. Aber die Kerle bräuchten ja technisch ggf. etwas anderes, um die Samenproduktion impotent zu machen, als Östrogen. Obwohl... na ja, ich bin ja keine Andrologin. Klar ist nur, der schwindende Bartwuchs und wachsende Brustansatz wäre dann doch zu unerwünscht. Bei den Damen ist das ja eher tendenziell eine erwünschte Nebenwirkung, bzw. analog zur Ausgangskonstruktion vom lieben Gott mehr oder weniger erwünscht. Der natürliche höhere Pegel an männlichen Hormonen führt zu schnellerer Erregbarkeit, schnelleren Bewegungen, größerer Aggression, weniger Anpassungsbereitschaft. Aus dem Fenster lehne ich mich. Ich kenne mehr Frauen, die die Pille nehmen, als Frauen, die das nicht tun.
Ich schluckte sieben Jahre lang die Antibaby-Pille Valette. Ich vertrug die sehr gut. Fand ich. Die Haut wurde zarter. Nach sieben Jahren gestand ich mir ein, dass sich meine sexuellen Bedürfnisse erstaunlich gewandelt hatten. Zurückgebildet. Nicht, dass ich überhaupt keine Lust mehr gehabt hätte, aber es war mir gleichgültiger als früher. Und früher war mir DAS überhaupt nicht gleichgültig. Dann wollte ich es noch einmal wissen und herausfinden, ob ich diese seltsame und doch prägnante Entwicklung einem natürlichen Alterungsprozess verdanke oder der jahrelangen Gabe von Hormonen.
Ich hatte mittlerweile auch in Foren im Internet darüber gelesen, dass Frauen an sich selbst beobachteten, dass ihre Libido schwächer wurde. Nicht in jedem Fall quälend aber doch bemerkbar. Vor allem auch im zunehmenden Kontrast zu den Bedürfnissen ihres männlichen Partners. Das stellte ich auch an mir fest. Meine sexuellen Bedürfnisse reduzierten sich oder besser konzentrierten sich eher in einem prinzipiellen, theoretischen Wunsch Sexualität auszuleben, weil es ja zu einer Paarbeziehung gehört und ich auch das Ritual an sich sehr liebe. Aber drängende Triebhaftigkeit war nur noch sehr selten der Grund. Ich stellte nach Ende einer Beziehung sogar fest, dass ich es nicht einmal mehr wie früher brauchte, mich selbst mit allerwenigstens der Regelmäßigkeit selbst zu beglücken, wie man es dem deutschen Durchschnittspaar statistisch zugesteht. Irgendwann wachte ich schon die dritte oder vierte Woche auf, an einem Samstag, mit aller Zeit der Welt und spürte, dass ich nichts in dieser Richtung wirklich 'brauchte'. Und das war mir plötzlich unheimlich. Bei meinen Internetrecherchen verdichteten sich die Suchergebnisse, die zu Diskussionssträngen in Foren führten, wo es genau um diesen Zusammenhang ging, den ich vermutete. Ich will noch einmal einfügen, dass ich keineswegs eine Unfähigkeit zu lustvollem Empfinden an mir feststellte, sondern einen stark reduzierten Drang, der kaum noch einen aggressiven Aspekt hatte. Ich konnte es durchaus genießen, mich selbst zu befriedigen, vor allem mit aller Zeit der Welt, aber es war nicht mehr diese animalische Energie, die sich unbedingt einen Weg bahnen muss.
Etwa um meinen vierzigsten Geburtstag herum beschloss ich, dass es ein guter Zeitpunkt sei, herauszufinden, an welchem Entwicklungspunkt sich mein Körper und meine Libido in diesem neuen Lebensalter in purem Zustand befände. Es dauerte ungefähr ein dreiviertel Jahr, bis ich eine signifikante Veränderung bemerkte. Jetzt weiß ich, dass es ein ebenso langsamer Umstellungsprozess war, wie der Anfang dieser Phase, als ich anfing mit dieser kleinen regelmäßigen Hormongabe. Ich lebe damit, dass meine Haut nicht mehr ganz so zart ist und die Blutungen stärker. Und ich. Das Geschenk, das ich zurückerhalten habe, ist meine ureigene Energie. Meine gesunde Aggression. Und meine ungedämpfte Lust. Dann steht man nur noch vor dem Problem einer alternativen Empfängnisverhütung. Ein großes Problem nebenbei. In meinem Alter weiß man dann auch, was es für Möglichkeiten gibt und hat alle durchprobiert. Einschließlich Diaphragma und Verhütungscomputer. Aber das ist ein anderes Thema.
Ich dachte, auch wenn das ein weiterer Beitrag wird, der zwar viel gelesen wird, aber nicht kommentiert, er hat Existenzberechtigung. Ich spreche auch gerne mit anderen Frauen über dieses Thema. Man kann sich da sehr nah kommen, sehr schnell. Frauen unter sich. Es ist auch ein Tabu. Etwas, das Frauen nicht so sehr mit Männern diskutieren, weil man Schwierigkeiten hat, zu einer praktikablen, ebenso bequemen Alternative zu kommen. Diese Freiheit, zu jedem Zeitpunkt, Haut an Haut... eigentlich ein Traum. Aber manchmal hat dieser Traum einen kleinen Dorn, einen kleinen Stachel. Frauen und Männer wünschen sich körperliche Nähe bei Paarbeziehungen, inclusive gelebter Sexualität, nicht nur ein paar Streicheleinheiten. Man will es zelebrieren, feiern und man hat all diese Hollywoodfilme im Kopf, in denen auch in dieser Hinsicht alles großartig ist, ohne Verhütungs- Hormon- und Libidodiskussion. Wer will schon diskutieren. Niemand will das. Es ist ein heikles Thema. Ein sensibles Thema. Nicht einfach. Aber es offenzulegen bedeutet auch eine Annäherung zwischen Mann und Frau. Eine neue Dimension von Behutsamkeit.
Venus + Mars