Verdrängung vs. Transzendenz

Ich habe ein Problem. Nein, falsch. Ich habe zwei Probleme. Wenn ich es mir recht überlege, habe ich sogar drei Probleme.

Es gibt ungefähr sieben Möglichkeiten, mit einem Problem umzugehen. Also habe ich 21 Möglichkeiten bei drei Problemen.

1. Verdrängen
2. Leiden (aussitzen)
3. Bloggen, (künstlerisch verarbeiten)
4. Drogen nehmen
5. Transzendieren
6. Harakiri
7. Lösen (Zustand vor Problem oder neuen Zustand herstellen)

Bei entwickelten Persönlichkeiten geht man davon aus, dass Verdrängung, Leiden, Drogen nehmen und Harakiri keine Herangehensweise wäre, die eines erwachsenen Menschen würdig ist. Dagegen wird künstlerische Verarbeitung, Transzendierung und Lösung (politisch korrekt versteht sich, ohne die zehn christlichen Gebote zu übertreten) empfohlen. Gibt Karmapunkte. Ich schwanke.

Wenn es sich um eine Speisekarte handeln würde, wäre meine Vorspeise 4. Drogen nehmen, der Zwischengang 5. Transzendieren, das Hauptgericht Nr. 7. Lösen. Und als Dessert nehme ich gerne 3. Bloggen. Ich mache aber gerade etwas anderes. Fragt sich nur warum. Warum halte ich mich nicht an mein Wunschmenü der Problemlösung. Verdrängen und Leiden habe ich eigentlich nicht bestellt und möchte es auch nicht in großen Portionen serviert bekommen. Irgendwas läuft da schief, auch im Servicebereich.

Gerade stand ich in meiner Küche, im Stehen essend und denkend, transzendieren ist ein zunächst rationaler Vorgang, der aber keine Lösung ist, wenn die Transzendenz nicht zum Herz reicht. Wenn die Bewältigung durch transzendente Sichtweise auf ein vermeintliches Problem, ach was vermeintlich, gefühltes Problem, im Intellekt stecken bleibt, das Herz nicht heilt, ist die ganze möchtegern-Transzendenz für den Orkus.

Wahrscheinlich funktioniert Transzendenz nur, wenn es bei dem ganzen eine Portion Liebe gibt, die den Kanal zum Herzen öffnet. Aber woher Liebe zum Defizit nehmen. Liebe zum problemauslösenden Sachverhalt. Ich könnte so tun "als ob", in der Hoffnung, dass sie sich schon einstellen wird, die echte Transzendenz, das phantastische Schweben auf jener Meta-Ebene, von der aus alle meine Probleme klein und lächerlich aussehen, ja gar keine mehr sind. Im Gegenteil. Schöne, spannende Herausforderungen, an denen ich wachsen kann.

Im Augenblick bewegt sich mein Transzendentierungspotenzial im nicht messbaren Bereich und hält keiner härteren Überprüfung stand. Meine augenblicklichen Bemühungen verdienen das Prädikat Transzendenz in keinster Weise. Die richtige Bezeichnung muss Verdrängung lauten. Verdrängung durch Ablenkung. Verdrängung durch Konzentration auf andere Dinge. Dieses unter-den-Teppich-kehren hat so wenig den Seelenfriedens-Nobelpreis verdient, wie der Erfinder der Atombombe.

Ich würde gerne Transzendieren, aber mein Bauch rebelliert. Alle meine Zellen. Und ich habe das Gefühl, es gibt einen guten Grund, wenn man etwas, was sich nicht gut anfühlt, nicht hinkriegt, 'schön zu denken'. Ich kann mir meine drei Problemchen weder schöndenken noch schöntrinken. Und ich fürchte, dass Meditation und erbauliche Schriften da auch nicht weiterhelfen. Es würde sich wie Verdrängung anfühlen.

Lösen. Tja. Was ist mit Lösen. Lösen wäre großartig. Aber Lösen ist mit Loslösung verbunden. Schmerzhaft. Sehr. Zumindest das, was mir einfällt, zur Lösung beizutragen. Aber ich denke eindimensional. Wenn ich an eine Lösung denke, die einen vorherigen Zustand herstellt, bevor der jetzige kompliziertere eintrat, fällt mir nur Rückzug ein.

Viel schöner wäre eine Transformation. Ein Wunder. Ich wünsche mir einfach nur ein Wunder. Transzendenz kann ich nicht, bin ich zu blöd. Harakiri will ich nicht, bin ich zu jung. Gut lösen kann ich es nicht alleine, bin ich machtlos.

Ungut lösen will ich es nicht. Das macht mir Angst und ist auch traurig. Drogen sind keine Lösung. Da muss ich gerade an den blöden Satz denken "Alkohol ist keine Lösung, aber man vergisst die Frage". Bloggen will ich es nicht. Ich mag keine Verstärkung durch die Ehrung durch Worte. Aber das hier, diese etwas verallgemeinerten Gedankengänge, das hilft mir. Immerhin kann ich transzendent bloggen, wenn auch nicht an der Wurzel transzendieren.

Leiden ist immanent, bevor die Lösung da ist. Gäbe es keinen Leidensdruck, gäbe es keine rotierenden Gedanken und diese letzten Einträge nicht.

Wünschen. Das hab ich vergessen. man kann ja auch noch wünschen. Ich wünsche mir ein Wunder. Oder zwei. Oder drei. Politisch korrekte, versteht sich. Durch und durch gute. Vielleicht sollte ich mir lieber gleich vier Stück davon wünschen, zur Sicherheit. Vielleicht geht es ja beim Wunder-Wunschamt wie auf dem türkischen Bazar zu, und es wird gleich wieder runtergehandelt. Im Märchen bei der guten Fee hat man immer drei Wünsche frei. Aber alles wird teurer! Die Inflation! Also vier. Bitte vier Wunder. Danke.
g a g a - 31. Jul, 22:06

"In creative problem-solving, a mistake is an experiment to learn from, valuable information about what to try next. But if you take no chances and make no mistakes, you fail to learn, let alone do anything unusual or innovative."

Daniel Goleman

nanou - 1. Aug, 22:03

Ich wünsche!

Mittlerweile halte ich viel davon, zu wünschen UND zu erwarten, daran zu glauben, dass der Wunsch sich auch erfüllt.
Liebe!

g a g a - 1. Aug, 22:41

das ist schön, was du da schreibst...
kaltmamsell - 2. Aug, 07:59

Verkrampft aushalten, Zähne zusammenbeißen und auf den Impuls zum nächsten Schritt warten (der in meinem Fall leider fast immer radikal ist) - worunter fiele das?

g a g a - 2. Aug, 08:55

Das kommt mir bekannt vor. Das ist glaube ich eine Mischung aus leiden und aktiv verdrängen im Gegensatz zur passiv-bewusstlosen Verdrängung ("nicht wahrhaben wollen"/"nicht heranlassen") und dann die Lösung. Wie die auch immer aussehen mag. Radikale Veränderungen sind manchmal extrem schmerzhaft aber auch extrem befreiend. Man ist so blöd und ängstlich gestrickt, dass man bei bevorstehender radikaler Veränderung aus einer Krisensituation nicht vorrangig an das langfristig substanziell bessere Ergebnis denkt. Komische Art zu denken eigentlich. Veränderungen sind mit Geburtsschmerzen verbunden. Geburtswehen. Das Neugeborene sollte eigentlich Anlass zur Freude geben. Wie heißt es so schön "lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende". Schöner wäre ein Ende des Schreckens ohne Ende und gleichzeitig ein Neuanfang ohne Schrecken (an die gute Fee). Einer meiner radikalste Schritte war vor mittlerweile 23 Jahren ohne Aussicht auf einen Job und eine Wohnung alleine nach Berlin zu ziehen. Das war radikal und erstaunlich leicht. Irgend etwas hat mich getragen. Zuversicht. Dieses Irgendetwas war Zuversicht. Und mein Bauchgefühl. Total irrational. Und er hatte recht, der Bauch. Es ist eine Binse, aber man sollte wirklich immer auf seinen Bauch hören. Immer.
Falkin - 2. Aug, 18:32

Ich liebe meines Wesens Dunkelstunden

den Schmerz anzunehmen wandelt ihn vom Feind zum Freund - und dann, wenn Du Dein erstes Lächeln im Herzen wiedergefunden hast, bist Du dabei, zu *lösen*.


Ich liebe meines Wesens Dunkelstunden,
in welchen meine Sinne sich vertiefen;
in ihnen hab ich, wie in alten Briefen,
mein täglich Leben schon gelebt gefunden
und wie Legende weit und überwunden.

Aus ihnen kommt mir Wissen, dass ich Raum
zu einem zweiten zeitlos breiten Leben habe.
Und manchmal bin ich wie der Baum,
der, reif und rauschend, über einem Grabe
den Traum erfüllt, den der vergangne Knabe
(um den sich seine warmen Wurzeln drängen)
verlor in Traurigkeiten und Gesängen.
Rainer Maria Rilke


Kraft wünscht Dir: die Falkin
g a g a - 2. Aug, 18:34

Ach, der Rainer Maria...
den lieb ich ja so
Danke.

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