24. Dezember 2014

"Durch ein prunkvolles Tor und eine gewaltige kuppelüberwölbte Halle erreicht man die Kaiserappartements der Wiener Hofburg, die ehemaligen Wohnräume von Kaiser Franz Joseph und seiner Sissi. Neben den privaten Räumen sind auch die Repräsentationsräume und die kaiserl. Hofsilber- und Tafelkammer zu besichtigen. Gemächer, die Prunk und Glanz eröffnen, wohin das Auge blickt. Palisandermöbel, belgische Gobelins und Kronleuchter aus böhmischem Kristall schmücken die Gemächer"







Die Hofburg. Und die Sisi. Ein paar Wochen habe ich nun mit verschiedenen Recherchen zugebracht, weil ich gerne den Zusammenhang zwischen der Wiener Hofburg und seiner bekanntesten Bewohnerin nicht gänzlich unvermittelt lassen wollte. Meine Wienreise war keine Sisi-Reise. Ich war nicht auf ihren Spuren unterwegs, aber dennoch ist sie in meinem Hinterkopf. Die Schreibweise Sissi rührt von den Romy-Filmen, den drei Marischka-Filmen aus den Fünfziger Jahren. Darüber, ob "Sisi" nicht eigentlich eine "Lisi" war, und ihre Handschrift fehlinterpretiert wurde, darüber wurde erst unlängst diskutiert. Eines aber vorweg - Sis(s)i hin, Lisi her. Die Frau, die diesen Mythos in die Welt gebracht hat, sie selbst, hätte heute ihren 177. Geburtstag. Sie wurde am 24. Dezember 1837 in Possenhofen bei München geboren. Und wenn ich mir die neuere Geschichtsforschung anschaue, die ja auch nun schon nicht mehr so neu ist, lese ich zwar interessiert von der Eigenwilligkeit und Exzentrik, die mehr in unsere Zeit zu passen scheint, aber wirklich sympathisch ist sie mir nicht. Dunkel kann ich mich erinnern, dass ich schon früh irritiert war, als ich erstmalig Fotografien der realen Elisabeth sah, dass sie so überhaupt keine Ähnlichkeit mit der bildhübschen Romy hatte. Genauer gesagt: der Mythos der angeblichen großen "Schönheit" hat sich mir nicht erschlossen. Dass sie viel an sich gearbeitet hat, um sich beeindruckend zu präsentieren, ist vielfach dokumentiert. Wenn man sich jedoch das ganze Blendwerk mit der üppigen Haarpracht, der mit Korsett und manischen Turnübungen gedrillten Figur und den erstklassig geschneiderten Roben sowie der luxuriösen Umgebung wegdenkt, wieviel Schönheit bleibt da noch übrig? Für meinen Geschmack eher wenig. Eher durchschnittlich attraktive Gesichtzüge, die vor allem einen starken Willen und Ehrgeiz ausdrücken. Eine Strenge. Das leicht Verkniffene, die beharrliche Abwesenheit eines Lächelns, soll auch von den schlechten Zähnen gerührt haben. Sie muss sich diszipliniert haben, selbst beim Sprechen so gut wie gar nicht die Lippen zu öffnen, um das Elend zu vertuschen. So viel zur angeblich makellosen, legendären Schönheit der Elisabeth von Österreich. Dass die Marischka-Filme so gut funktioniert haben, liegt mit Sicherheit nicht nur daran, dass es eine hochklassige Produktion in jeglicher Hinsicht war, angefangen bei der Ausstattung und den Dialogen - ja, den Dialogen, die durchaus augenzwinkernd waren und gar nicht durchweg banal, dumm oder undifferenziert reaktionär, sondern neben den großartig besetzten Nebenrollen, auch an der zur wahren Elisabeth völlig konträr besetzten Romy Schneider, die mit ihrem unfrustrierten Unschulds-Lächeln, das noch an das Gute glaubt, die Herzen erwärmte. Ein Lächeln, das der wahren Elisabeth vielleicht nur als Kind zueigen war. Na ja. Aber das kann man ja alles auf tausend Seiten im Internet nachlesen. Die Hofburg, um einmal wieder den Bezug zu den Bildern herzustellen, war einer ihrer beiden Wohnsitze in Wien. Schloss Schönbrunn und die Wiener Hofburg. Aber die Hofburg hat sie wohl am meisten verabscheut und die Kerkerburg genannt.




Wäre es nicht so spät von der Uhrzeit her gewesen, wären wir nicht nur im Innenhof im Regen spaziert, sondern hätten auch das dort befindliche Sisi-Museum mit den Kaiserappartements besucht. Aber es war schon kurz vor der Schließzeit und irgendwo hat jemand auch vermerkt, man sollte sich gut und gerne einen halben Tag für den Besuch der kaiserlichen Gemächer und des Sisi-Museums nehmen. Kleider sind von ihr dort zu sehen, ihre persönlichen Sachen, einer ihrer Turn-Räume und auch ein Nachbau ihres opulenten Reise-Wagons. Den hätte ich zu gerne gesehen. Das Original steht im Technischen Museum in Wien. So waren wir also nicht im Sisi-Museum und in den Innenräumen. Aber sollte ich wieder nach Wien reisen, und das wird, so Gott will, schon noch einmal passieren, lässt sich das ja alles nachholen.





Übrigens kann man in der Hofburg auch wohnen, als Mieter. Es ist wohl nur schwer, an die Wohnungen heranzukommen, Wartelisten werden geführt. Zweiundfünfzig Wohnungen soll es dort geben. Allerdings ist das Luxuriöseste wohl die Lage, wie auch bei den mietbaren Wohnungen in Schloss Schönbrunn. Der Denkmalschutz sorgt dafür, dass man nicht beliebig renovieren kann, was ja auch verständlich ist. Für mich war es schön, durch das große Portal zu gehen und die schmiedeeisernen Arabesken im Gegenlicht zu sehen. Auch das Zelt im Regen. Weil ich neugierig war, inwiefern Wien und vielleicht die Hofburg in den Sissi-Filmen vorkommt, habe ich geschaut, ob es nicht wieder zu Weihnachten eine Sendung der drei Filme gibt. Das war doch eigentlich immer so. Aber da waren nur Sendetermine im Schweizer Fernsehen und auf diesem Bezahl-Kanal Sky. Gestern lese ich in den gmx-Nachrichten eine Erklärung, warum es diesmal Weihnachten ohne die Sissi-Filme gibt: sie wurden schon im Frühjahr, anlässlich des Todes von Karlheinz Böhm gezeigt, daher. Welche Nicht-Sendung eines Filmes führt sonst schon zu einer extra-Nachricht. Das ist schon putzig. Aber weil ich letztes Wochenende so erpicht darauf war, mir das noch einmal anzuschauen, habe ich tatsächlich alle drei Folgen komplett im Internet gefunden und sie hintereinander weg angeschaut. Zuletzt habe ich sie vielleicht vor dreißig Jahren gesehen, nie mehr richtig angeschaut, seit meiner Kindheit nicht. Und ich war wirklich überrascht, dass die Filme bei aller Kritik von wegen Fünfziger-Jahre-Heile-Welt-Schmarrn-Verdrängungs-Kitsch doch so viele gewitzte Dialoge haben und durchaus auch rebellische Momente. Wenn Karlheinz Böhm als Kaiser Franz Joseph irritiert von sich weist, einen Erschießungs-Erlass für acht junge, aristokratie-feindliche Rebellen mit einem Federstrich zu unterzeichnen: "Ja ist das denn so schlimm, was diese jungen Menschen gemacht haben, dass man sie erschießen müsste? Ich kann doch nicht einfach so über das Leben von acht jungen Menschen entscheiden!" Und dann Romy, also Sissi, mit ihren Störaktionen, wenn ein Tier bei der Jagd erschossen werden soll. Es wird geniest, es werden plötzliche Bewegungen gemacht, die das Tier flüchten lassen. Ich muss sagen, da sind schöne Momente dabei, die ich politisch sehr korrekt finde. Freilich war die echte Elisabeth eine Nutznießerin ihrer aristokratischen Luxus-Verhältnisse, die ihr einen extravaganten Lebensstil ermöglichten, zu dem auch derlei Luxus-Gedankengänge gehörten, wie die Aristokratie als überholtes Konstrukt zu beurteilen. Ein recht luxuriöses Dilemma.



Bei meiner ausschweifenden Lektüre bin ich auch über das Krankheitsbild Sissi-Syndrom gestolpert. Sehr interessant. Das Phänomen, wenn Frauen mit großem Aufwand danach streben, ein nach Außen perfektes Bild abzugeben, sehr diszipliniert an ihrem Körper und Geist arbeiten, mit streng terminierten Turnexerzitien, Bildungsehrgeiz und zugleich eine innere Leere und Lebensunlust empfinden. Wo habe ich das denn gelesen - so vieles, das ich gefunden habe, rund um die arme reiche Elisabeth von Österreich.





"Das „Sissi-Syndrom” ist nach der österreichischen Kaiserin Elisabeth benannt, die zeitlebens, trotz Schönheit und privilegierten Lebens, an schweren Depressionen litt. Unter dem Sissi-Syndrom verstehen Mediziner eine besondere Ausprägung der Depression: Betroffenen Menschen ist das, im klassischen Sinne depressive Verhalten des Sich-hängen-Lassens völlig fremd. Stattdessen lautet die Devise „Aktion statt Resignation”. Diese Menschen powern durchs Leben, sind beruflich erfolgreich, haben ein makelloses Erscheinungsbild und werden von der Außenwelt bewundert, wohingegen sie selbst nur selten Freude am eigenen Leben empfinden. Ihre übermäßige Aktivität dient dem Ziel, mit aller Kraft von ihrer inneren Leere und Hilflosigkeit abzulenken."




Es mutet geradezu zeitgenössisch an, wenn man ihr eigenwilliges Tun auf sich wirken lässt, daher vielleicht auch vielerorts die größere Beschäftigung und Identifikation mit ihrer Person als mit anderen weiblichen historischen, aristokratischen Persönlichkeiten. Wo es brüchig wird, wird es interessant. Auf dieser Sisi-Seite sind auch ein paar interessante Video-Dokumentationen. In einer wird zum Beispiel darauf eingegangen, dass durch Sisi erstmalig eine extrem schlanke Körpersilhouette zur Mode erklärt wurde. Man kann sich mindestens drei Weihnachtsfeiertage mit dieser ruhelosen Persönlichkeit beschäftigen. Nach dem Freitod ihres sensiblen, erwachsenen Sohnes, des Kronprinzen Rudolph, der sich gemeinsam mit seiner bürgerlichen Geliebten das Leben nahm, trug sie nur noch schwarz und hatte einen weiteren Vorwand, sich dem Anblick der Welt durch einen Schleier zu entziehen. Die Welt sollte sie nur in ihrer Blüte in Erinnerung behalten. Man denkt an Marlene Dietrich, die sich selbst ihren engsten Freunden in den letzten Lebensjahrzehnten entzog, nur noch telefonischen Kontakt zuließ. Sisi war sechzig Jahre alt, als ihr das Leben in Genf durch einen Stich ins Herz genommen wurde, und es war vielleicht der richtige Zeitpunkt. Noch eine Stelle, die ich fand: "Der letzte Abend ihres Lebens, in der Rothschild-Villa, war ungewöhnlich heiter verlaufen: Sisi hatte Champagner getrunken, sogar mit gutem Appetit gegessen und den Klängen eines italienischen Orchesters gelauscht. Doch dann, während eines Spaziergangs durch den Orchideengarten der Rothschilds, hatte sie ziemlich unvermittelt und in perfektem Französisch gesagt: „Je voudrais que mon âme s’envolât vers le ciel par une toute petite ouverture de mon coeur“ – „Ich wünschte, meine Seele würde durch eine ganz kleine Öffnung in meinem Herzen zum Himmel fliegen“. Und so ist es dann auch gekommen.




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