27. Dezember 2014







Bye bye. Sechzehnter Mai. Mein Flieger geht erst am Nachmittag aber Schwechat ist eine dreiviertel Stunde von Wien entfernt. In Niederösterreich, wie ich gelernt habe. Und ich bin auch gerne zeitig beim Einchecken. Und es gab auch eine vereinbarte Zeit am Vormittag, bis wann wir die Bleibe verlassen sollten. Ich glaube elf Uhr. Hat ja alles irgendwie gepasst. Wir haben noch gefrühstückt, aber so halb jeder für sich, wie auch jeder für sich sein Bündel zu packen hat. Seinen Rucksack oder Koffer oder Reisetasche. Mir ist, als hätte Duke mehr Gepäck dabei gehabt als ich, vom Umfang her. Obwohl ich diejenige war, die dauernd andere Sachen angezogen hat. Aber er hatte noch einen Weg vor sich, der ihn nicht zu sich heim führte, sondern zu einem Auftritt, irgendwo in Deutschland, nicht da, wo er wohnt. Sein Zug ging früher, als ich zum Flughafen musste. So war es ein Abschied, der eher von möglichst schnellem Zusammensuchen aller Siebensachen getragen war. Ich wollte möglichst wenig Spuren hinterlassen, und hatte noch zu tun, das eine oder andere Möbel an den alten Platz zu rücken. Ein paar abgehängte Bilder von Familienschlössern wieder über dem Bett aufzuhängen. Unser Gastgeber, dessen Herkunft mich sehr amüsierte, hat wohl das eine oder andere geerbte Bild in der Wohnung verteilt. Aber viel musste ich gar nicht umräumen, das meiste war schon an sich sehr gelungen platziert. Ich mache das gerne, wenn ich länger als eine Nacht wo bin. Mir ist nicht gleichgültig, wie ein Raum aussieht, in dem ich mehrere Tage aufwache und schlafen gehe. Es soll meiner werden. Deswegen habe ich in meinem Gepäck immer ein paar sehr schöne Tücher dabei, mit denen ich allzu grelle Lampen verschleiern kann oder was sonst noch ein schöneres Kleid verträgt. Große, feingewebte Schals und Tücher, die man auch selber anziehen kann, sind ideal. Es muss natürlich immer auch etwas leicht Transparentes in warmen Farben dabei sein. Ich habe da so ein paar Lieblingsteile, die mir schon seit Jahren gute Dienste leisten. Und eine Handvoll Seide wiegt so gut wie nichts.





Also Tücher eingepackt, das Bett wieder gerade gerückt, das mir ein bißchen schief über Eck besser gefiel. Es war interessant, die Reaktion von Duke auf das verrückte Bett zu sehen. Er wusste ja nicht, wie das Zimmer normalerweise aussieht, da er erst einen Tag später kam. Er fragte mich, ob das Bett schon so gestanden hätte, oder ob ich das war, weil es so eine gewisse Raffinesse hätte, wie es im Raum steht, die man normalerweise nicht sieht. Die meisten würden ein Bett nahtlos an die Wand rücken. Ich musste lachen, weil er das erkannt hatte. Wie er das erahnt hatte, obwohl wir uns seit zwölf Jahren nicht mehr gesehen hatten. Sein Bett habe ich aber nicht verrückt. Er hatte sein eigenes, ebenso großes Schlafzimmer mit einem genauso großen Bett. Das war einer der Gründe, warum die Wohnung so ideal erschien, jeder hatte ein Schlafzimmer und ein eigenes Badezimmer für sich, auf verschiedenen Ebenen. Das schöne Wohnzimmer mit den großen Sofas haben wir nicht einmal genutzt, es lag einfach so da, unter der Dachschräge und sah schön aus. Wir saßen fast immer am Esstisch in der offenen Küche, unserem Treffpunkt. Als Duke aus der Dusche kam, hat er etwas ins Gästebuch geschrieben und ich schrieb auch etwas hinein. Für einen Kaffee hatten wir noch Zeit. Als Duke gehen musste, haben wir uns noch einmal gedrückt und ich ein, zwei Tränen zerdrückt. Das passiert eben bei Abschieden, wenn man nicht weiß, für wie lange, oder ob vielleicht sogar für immer. Wenn man in keiner Verpflichtung steht, außer sich gut in Erinnerung zu behalten, ist das nicht so vollkommen klar. Das hat mich ein bißchen überwältigt, in diesem Moment. Er hat ein bißchen hilflos geguckt, weil er es nicht deuten konnte, nehme ich an. Aber es war schon alles in Ordnung. Ich habe dann noch ein bißchen in seinem Zimmer aufgeräumt, die Bettwäsche abgezogen und mit den Geschirr- und Handtüchern auf den Treppenabsatz gelegt. Und Dukes Aschenbecher von der Terrasse ausgeleert. Ein grün-blau-violetter Porzellan-Aschenbecher mit einer feinen Zeichnung von einem chinesischen Mann mit einem Strohhut und einem Hängeschnurrbart. Dann hab ich den Müll und die leeren Flaschen heruntergebracht, das erste und letzte mal. Alles war wieder wie vorher. Ich habe mich noch einmal ganz in Ruhe umgeschaut und allen Zimmern und Fenstern bye bye gesagt und ein paar Fotos gemacht. Leb wohl Küche, leb wohl Schlafzimmer, leb wohl Badezimmer, leb wohl Küchentisch, leb wohl Treppe. Leb wohl du alter Ahnherr auf dem dunklen Ölgemälde im Flur. Gehabt euch wohl. Ich habe nicht Auf Wiedersehen gesagt, sondern bye bye. Obwohl es schön da war. Zu Wien sage ich Auf Wiedersehen, irgendwann. Aber dann in einer anderen Bleibe, irgendeiner Zuflucht, wo ich wieder ein Bett verschieben werde. Wann das sein wird, weiß ich noch nicht. Als ich die Tür hinter mir zuzog, wusste ich auch noch nicht, ob ich im Jahr darauf oder viele Jahre später einmal wiederkommen würde, aber dass es nicht das letzte Mal in Wien war, das spürte ich. Das war ein angenehmes Gefühl. Als ich mit meiner großen Reisetasche und der kleineren über der Schulter vor die Tür trat, wo es schon wieder - oder immer noch regnete, wusste ich, dass ich nur bis zur Ecke laufen musste, zur Wiedener Hauptstraße und ein Taxi würde sich finden. Und so war es auch.




: : alle Wiener Geschichten : :

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