24. Oktober 2023

Ich betreibe hier in meinem Wohnzimmer gerade derart obskure Recherchen, dass es mich fast schon selbst befremdet. Und zwar bohre ich mich gerade in eigentümliche biographische Bachmann-Details. Im Zuge des Besuchs der Bachmannfilm-Premiere sah ich mir wieder einmal Originalaufnahmen an, die die Autorin sprechend zeigen. Bei Lesungen ist ja klar, dass sie abliest. Jetzt kamen mir aber auch interview-artige Dokumente unter, wo sie Fragen beantwortet, die eine Stimme aus dem Off stellt. Dabei schaut sie so leicht nach unten, wie auf Notizen. Sie hat sich offenbar nicht zugetraut, frei zu antworten oder konnte das nicht mit ihrem schriftstellerisch ambitionierten Anspruch an vollendeten sprachlichen Ausdruck vereinbaren. Das wirkt alles seltsam hölzern und geschraubt, wenn auch bemerkenswert formuliert. Es ist mir noch nicht gelungen, ein Filmdokument zu finden, wo sie natürlich oder gar impulsiv aus dem Stegreif zu antworten scheint oder mit natürlicher Lebhaftigkeit spricht. Ob es das überhaupt gibt? Ihr Bruder Heinz Bachmann, der noch lebt und ihr ungeheuer ähnlich ist, auch vom Akzent her und von der Mimik, beschrieb sie als ganz natürlich und einfach im privaten Umgang. Nun sind das aber ja meist Filmdokumente aus den Sechziger Jahren, die da zu finden sind.

Das ist aber nicht das, was ich mit obskuren Recherchen meine. Sondern, kam ich auf den Gedanken, dass das Hölzerne, etwas Abgestumpfte, Statische mit dem gleichförmig mechanischen Duktus auch auf einen Zustand der Sedierung zurückzuführen sein könnte. Das Ergebnis des Cocktails aus Psychopharmaka, Beruhigungs- und Schlafmitteln, den sie über Jahre täglich zu sich nahm. Das stärkste Mittel, Seresta, war dasjenige, welches die starken Entzugserscheinungen mit epileptischen Anfällen bei ihrem Todeskampf verursachte, das bis einen Tag vor ihrem Sterben vom persönlichsten Umfeld verheimlichte Medikament. Nun habe ich den bizarren Ehrgeiz entwickelt, herauszufinden, wann sie angefangen hat, das zu nehmen. Meine Recherche hat zutage gefördert, dass Seresta 1960 auf den Markt kam und zwar in der Schweiz.

Im Briefwechsel mit Frisch schreibt Bachmann an ihn im November 1960, dass die befreundete Schweizer Arztgattin Heidi Auer ihr ein Medikament als Therapie nahelegt, das ihr gut helfen könnte. Es wird nicht namentlich genannt. In der Folge erwähnt sie dann ab und zu in Briefen an Frisch, dass sie noch ihre Tabletten nehmen muss und die schon ganz gut anschlagen. Es geht um ihre Angststörung, genau dafür ist Seresta gedacht, ein starkes Beruhigungsmittel mit dem Wirkstoff Oxazepam, das schnell abhängig macht und persönlichkeitsverändernde Wirkungen hat, wie eine gewisse Gleichgültigkeit. Auf der Seite der Betty Ford-Klinik heißt es zur Wirkweise bei langfristigem Konsum u. a.: "So klagen viele Abhängige über eine stetig wachsende Emotionslosigkeit, Erinnerungslücken, kognitive Einschränkungen, Halluzinationen und bisweilen sogar über Psychosen. Das Leben verläuft gedämpft und wird wie unter einer Glasglocke wahrgenommen." Für mein Empfinden passt das zu der marionettenhaften Sprechweise von Bachmann. Max Frisch hat ihren fortschreitenden Konsum von Psychopharmaka besorgt beobachtet, heißt es.

Ich will mal weiter auskundschaften, ob es Film-Aufnahmen vor 1960 gibt. Bachmann hat Frisch 1958 getroffen, vielleicht spielte bis dahin nur Alkohol eine Rolle. Das drogenaffine Schweizer Paar Heidi und Dr. Fred Auer gehörte zum Freundeskreis von Frisch und war durchgängig die Quelle für die Besorgung sämtlicher Medikamente. So viel zu meinen detektivischen Aktivitäten zur Abendstunde.

P.S. Spannend finde ich den von mir vermuteten Sachverhalt, dass Bachmanns Hardcore-Psychopharmaka-Konsum nicht etwa NACH und WEGEN der Trennung von Frisch zwecks Trennungstrauma-Therapie forciert wurde, sondern die ganze Beziehung annähernd von Anbeginn begleitete und zunehmend belastete. Frisch trennte sich demnach von einer schwerst Drogen-Abhängigen und wandte sich einem vitaleren Geschöpf zu. Nebenbei auch kein dummes Püppchen, diese Marianne Oellers, spätere Frisch. Sie hatte Germanistik, Philosophie, Romanistik und Theaterwissenschaften studiert und arbeitete als literarische Übersetzerin. Herausgestrichen wird immer, dass Oellers dreißig Jahre jünger als Frisch war, als sei das ihre einzig attraktive Eigenschaft für den damals Anfang-Fünfziger gewesen. Auch Bachmann war wesentlich jünger als er, der Altersunterschied betrug fünfzehn Jahre. Nur fürs Protokoll und jenen ins Gebetbuch, die sich über Gebühr mit Altersdifferenzen bei Paaren aufhalten.

23. Oktober 2023



WORK IN PROGRESS: "LUCY IN THE SKY WITH DIAMONDS". Zweihundertfünfunddreißig Teile positioniert; demnächst fixiert.







22. Oktober 2023



Schönen Sonntag aus Berlin!

21. Oktober 2023







Die Namen der Damen, von hinten links im Uhrzeigersinn: Saskia, Jenny, Doro, Gaga. Der Mann hinten in der Ecke gehörte nicht zu uns. Er war in Begleitung einer jüngeren Frau, die neben ihm am Fenster saß. Merkwürdigerweise verfolgten beide von Anbeginn interessiert unser Vierer-Gespräch, ohne selbst jemals ein Wort miteinander zu wechseln. Als ob wir eine Vorstellung für sie geben würden. Es war aber auch interessant, was wir zu erzählen hatten. Tabulose Frauengespräche! An einem Punkt war seine Reaktion so deutlich amüsiert-interessiert, dass ich ihn darauf ansprach, dass das offenbar ein sehr interessantes Gespräch sei, dem er hier folgte, was er nun bestätigte. Er begann selbst zu sprechen und es trat zutage, dass er ebenfalls bei der Bachmann-Premiere zugegen gewesen war. Er war mit der Darstellung von Frisch nicht d'accord, was mir im Zuge seiner Erklärungen zunehmend plausibel schien, wenn ich auch nicht alles verstanden habe. Also akustisch, ich saß am weitesten von ihm weg. Jennys Phantasie schlug Purzelbäume, was die private Konstellation des schon etwas älteren Herrn anging. Sie tippte auf Professor und Studentin, die Richtung in etwa. Ich tippte auf gar nichts, weil es mir relativ schnurzpiepegal war und ist, wenn Paarungen starke Altersunterschiede aufweisen. Es fasziniert mich eher, als dass es mich besorgt. Immer auch ein Kompliment für einen fortgeschritten älteren Menschen, wenn ein jüngerer noch Lust am erotischen Diskurs zeigt. Meine Haltung amüsierte Saskia, Jenny und Doro. Sie fanden diese Betrachtungsweise wohl originell bis kurios. Ich unterhalte gerne!

21. Oktober 2023



Leute in der Paris Bar, bestimmt Schauspielerinnen! Sehen und gesehen werden! Teuren Wein im Glas und Lippenstift und Schminkspiegel im Anschlag. So normale Leute würden sich gar nicht trauen, in einem französischen Restaurant ihr Make up aufzufrischen. Aber Schauspielerinnen wissen natürlich, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, speziell, wenn sie eine Kamera sehen! Habe dann ein paar Fotos gemacht, um die Eitelkeit der beiden Grazien zu befriedigen. Die leben ja vom Scheinwerferlicht! Ich war bloß froh, dass beide ziemlich attraktiv waren, sonst hätte es mir keinen Spaß bereitet - ich hätte Interesse heucheln müssen!





21. Oktober 2023







Das war also die Berliner Kino-Premiere von Margarethe von Trottas neuem Film "Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste". Im ausverkauften Delphi-Filmpalast fanden wir im hinteren Bereich fünf Plätze nebeneinander. Fünf Freundinnen, die Interesse an Bachmann und ihrer Beziehung zu Max Frisch hatten. Jede hatte ihren eigenen Wissenstand zu Bachmann und Frisch mitgebracht.

Ich zum Beispiel habe über Jahrzehnte immer wieder über die beiden gelesen, auch was sie selbst als Autoren verfassten. Es rutscht aber auch manches wieder in die Vergessenheit, meine Auffrischung war Anfang der Woche das Büchlein des Bruders von Ingeborg Bachmann. Den Briefwechsel von Bachmann und Frisch habe ich nur deswegen noch nicht gelesen, weil er erst im kommenden Frühjahr als Taschenbuchausgabe erhältlich ist und mir die Hardcoverausgabe unterwegs zu schwergewichtig ist. (E-Reader schmälern mein Lesevergnügen.)

Nun gab es also einen Film, der auf meinem Kenntnisstand über die beiden beruhte, da Trotta weder vor noch bei den Dreharbeiten Einblick in den Briefwechsel der beiden nehmen durfte, trotz aller Bemühungen und der Fürsprache von Bachmanns Bruder. Der Suhrkamp-Verlag blieb eisern. Im Nachgang las ich in Rezensionen, dass eine bemerkenswerte Neuigkeit sei, dass Max Frisch keineswegs autokratisch in Gutsherrenmanier in "Mein Name sei Gantenbein" Beziehungsdetails ausgeplaudert und verarbeitet hat, sondern vielmehr Bachmann von Anbeginn eingebunden war, lektoriert hat und er jegliche Änderungswünsche ihrerseits berücksichtigte. In der Tat bemerkenswert, weil es nicht in die Opferrolle der vermeintlich rücksichtslos von Frisch für seine literarischen Zwecke ausgebeuteten Bachmann passt, die bis dahin gepflegt wurde.

Aber nun zum Film. Durchaus ein Erlebnis, vor allem visuell. Grandios die Auswahl der Filmmusiken, Selbstläufer, ganz dichte, elegante Bilder und Ausstattung. Ich hätte mir doch ein wenig mehr äußerliche und ausstrahlungsmäßige Ähnlichkeit von der Hauptdarstellerin Vicky Krieps erhofft, die im Vergleich mit Bachmann etwas stabiler rüberkommt. Ich meine das mental. Bachmann war äußerst willensstark, hatte aber eine damit kontrastierende hohe Empfindlichkeit, die auch schüchterne Anklänge hatte. Ich sehe das in Original-Filmdokumenten, wo sie lesend zu hören und zu sehen ist. Auch ein leichter österreichischer Akzent hätte mir überaus gefallen.

Aber ich sehe auch die Herausforderung, eine Schauspielerin zu finden, die all das erfüllt und der Rolle auch intellektuell gewachsen ist. Von Trotta erzählte in einem Interview, dass sie nicht explizit nach einer idealen Bachmann-Darstellerin gesucht hat, sondern schon längere Zeit einmal mit Vicky Krieps arbeiten wollte, weil sie sie besonders gut fand. Die Verbindung bot sich dann an.

Es ist kein Film, der den Anspruch hat, Ingeborg Bachmanns gesamtes Leben nachzuzeichnen. Margarethe von Trotta wurde Bachmann - so vermittelte sie es zumindest im Gespräch nach der Filmvorführung - als Filmprojekt von Produzentenseite angetragen, und sie hatte freie Auswahl, welchem Lebensabschnitt sie sich widmet. Die fehlende Detailkenntnis über die Beziehung mit Frisch wurde dann mehr oder weniger frei mutmaßend so ausgefüllt, dass es in etwa dem allgemeinen Kenntnisstand vor der Veröffentlichung des Briefwechsels entsprach. Überzeichnungen nach Gusto von Produzentenseite und Regie inbegriffen.

Mir fiel erst später, gestern, wieder ein, dass ich meine, in einem Buch, nämlich in "Wer war Ingeborg Bachmann?" von Ina Hartwig gelesen zu haben, dass Bachmann sich während ihrer Beziehung zu Max Frisch gelegentlich Blumen in die gemeinsame Wohnung und auch einmal ins Krankenhaus schicken ließ (ihr wurde die Gebärmutter entfernt), und sie nebulös im Dunkeln ließ, dass sie selbst die Auftraggeberin war und keineswegs ein bewundernder Verehrer. Das erwähne ich deshalb, weil im Film immer wieder - fast schon ein running Gag - Blumensträuße unbekannter Herkunft der Aufhänger für Max Frischs angebliche übersteigerte Eifersucht sind. Der sehr geschätzte Ronald Zehrfeld hat hier leider eine etwas undankbare Rollenaufgabe, indem er im Spiel sein Potenzial plakative Eifersucht darzustellen, ausloten muss. Was dann auch zu allgemeinen Lachern im großen Publikum führte. Er kann sich in den Szenen nicht ultimativ wohlgefühlt haben, dafür kommen sie zu aufgesetzt rüber. Was ich von Zehrfeld eigentlich nicht kenne: aufgesetzt wirkendes Spiel.

Der Film arbeitet durchgängig mit Rückblenden. Ausgangssituation ist ein Ägypten-Urlaub im Mai 1964, ein Jahr nach Ende der Beziehung mit Frisch, über das sie nicht hinwegkam, er verließ sie für eine andere. Bachmann reiste mit ihrem neun Jahre jüngerem Freund Adolf Opel nach Ägypten, bekanntlich ein Wüstenland, daher "Reise in die Wüste". Es wird als kathartisches Reise-Erlebnis vermittelt, die Reise in die Wüste, die Frisch ihr zu Beziehungszeiten in Aussicht gestellt hatte, die aber nie unternommen wurde. So sehen wir allerlei schöne Wüstenbilder und nordafrikanische Innenausstattung, was auch für den Kinozuschauer Urlaubsqualität hat.

Ich habe den Film genossen und freundete mich nach und nach auch mit Vicky Krieps Spiel an, weil sie doch eine einigermaßen angemessene Wahl vom Spielpotenzial ist. Am besten fand ich sie, als sie auf einem Podium vor vielen Männern in Schlips und Anzug, mit um Festigkeit ringender Stimme einen ihrer ernsten und durchaus politischen Texte las. Die Ausstattung, die Kamera, Kostüm, alles Augenweide, man kann es nicht oft genug sagen. Durchaus eine Empfehlung, dieses visuell opulente Werk von Trotta.

Was ich nicht gebraucht hätte, war die sich stark vom Film und vom Bachmann-Frisch-Thema entfernende Diskussion mit drei hinzugeladenen Damen, die sich dezidiert auf patriarchalische Zustände Anno Dazumal und heute fokussierte. Da saß Zehrfeld als einziger Vertreter seines Geschlechts und wurde kaum in das Gespräch einbezogen. Ich hätte lieber ein paar Anekdoten rund um die Dreharbeiten gehört. Aber Trotta amüsierte mich mit ihren teilweise resoluten bis unwirschen Entgegnungen. Sie ist schon eine Klasse für sich.

Später in der Paris Bar, wir tauschten uns angeregt über das Gesehene und auch die Diskussion aus, ließ Saskia ihrer Vermutung Raum, dass Margarethe von Trotta etwas verschleiert und unter den Teppich gekehrt haben könnte, dass sie durchaus eine persönliche Beziehung zur Bachmann-Frisch-Konstellation haben dürfte. Wir sahen im Foyer ihren langjährigen Gefährten Volker Schlöndorff. Wie allgemein bekannt, auch ein ehemaliges Paar von Alphatieren mit gleicher Profession. Und Schlöndorff war mit Frisch befreundet. Aber auch hier können wir nur mutmaßen.







20. Oktober 2023



Gestern im Delphi-Filmpalast. Ausführlicher Eintrag dann morgen.

19. Oktober 2023



Der folgende Eintrag korrespondiert mit meinem Abendprogramm. Zur Einstimmung auf den heutigen Filmabend mit geschätzten Freunden im Delphi-Filmpalast, las ich die vergangenen beiden Tage das schmale, gerade erschienene Buch von Heinz Bachmann, "Ingeborg Bachmann, meine Schwester", Piper Verlag 2023. Es folgen zwei Stellen, die mich beschäftigten und berührten. In der ersten Passage ist die Rede von Briefen, die Max Frisch an Ingeborg Bachmann schrieb.

Seite 75

"Das Scheitern der Beziehung überraschte mich nicht und hat mit der Ungleichheit der Beteiligten zu tun. Ingeborg, die die Utopie eines Neuanfangs leben wollte, ein Ideal, das scheitern musste, und Frisch, der im Jetzt zu leben schien und einen Mangel an Empathie und Mitgefühl hatte. Ganz abgesehen von seiner Eifersucht, die allgemein als extrem bekannt war. Was mich beim Lesen der Briefe noch heute verwundert, ist, dass er meiner Schwester oft Durchschriften, nicht die Originale schickte. Wer macht so etwas?"

S. 85

"Vater beschreibt im zweiten Teil des Heftes die Schrecken des Zweiten Weltkrieges, von Standgerichten, dem Chaos des Rückzuges und der Feigheit der SS, die nur ihre Haut retten wollte und sich auf der Flucht um niemanden kümmerte. Vater erzählt bis zur Einkesselung in Prag und der Flucht aus der Stadt mit seinen Untergebenen. Seine Haltung zum Krieg war klar, und er berichtet in seinen Aufzeichnungen von einem Gespräch mit einem Kollegen aus der Schule: »Ich bedaure nichts, was war«, sagte der, und Vater antwortete: »Ich verfluche diese Zeit.« Interessant war, dass dieser Kollege nie »eingerückt« war. Mir gegenüber sagte mein Vater: »Es war fürchterlich, ich kann nicht darüber reden.« Das Schreiben ist ihm leichter gefallen. Er litt unter Albträumen und schlief zum Leidwesen unserer Mutter sehr unruhig und schrie häufig im Schlaf. In seinen Aufzeichnungen besteht eine große Lücke zwischen Jugend, Erstem Weltkrieg und dem Zweiten Weltkrieg. Ingeborg muss wohl auch auf dieses Kapitel gewartet haben, das unser Vater anscheinend nie geschrieben hat. Denn im Gespräch war das sehr klar: »Papa, ich brauche deine ganze Lebensgeschichte.« Ganz allgemein war das Geplänkel der »Tagespolitik« in Gesprächen oder sonst am Esstisch kein Thema. Aber geschichtlich wichtige Hintergründe, das war etwas, das immer wieder aufkam. Die verlorenen Lebensjahre in sinnlosen Kriegen vergeudet, das hat er sich selbst nicht verziehen."

Bewegend. Wir sehen heute in Anwesenheit von Margarethe von Trotta und des Casts und der Filmcrew, ihren neuen Film Reise in die Wüste. Hier ist der Trailer. Ich berichte.

18. Oktober 2023

Vor einem halben Jahr erwähnte ich meine damalige Lektüre, eine Sammlung von Kurzgeschichten von Zelda Fitzgerald, "Himbeeren mit Sahne im Ritz" (Penguin Books Taschenbuch, ins Deutsche übersetzt von Eva Bonné). Damals machte ich fünf bis sechs Eselsohren. Gestern las ich nochmals die geknickten Stellen und entschied mich für die folgenden drei Passagen. Also: Prädikat 3 Eselsohren.

Erstes Eselsohr S. 7

"Gracie war hübsch, für ein Mädchen von zwanzig Jahren allerdings ein wenig zu füllig. Ihr flachsblondes Haar hätte herrlich glatt und glänzend sein können, geradezu schön, wenn sie es nicht aufgedreht und über den Ohren festgesteckt hätte, bis ihr Kopf vollkommen deformiert aussah. Ihre blasse Haut schimmerte, ihre großen blauen Augen traten leicht hervor. Ihre Zähne waren klein und sehr weiß. Sie wirkte so warm und feucht wie aus heißem Milchschaum geboren, was sich nicht ausschließen ließ, immerhin hatte niemand je ihre Mutter gesehen. Sie bewegte sich so sinnlich wie die Diva einer Burlesque-Show, jedenfalls in ihren eigenen Augen; hätte Mr. Ziegfeld' (von dem Gracie nie gehört hatte) sie telegrafisch in seine Revue eingeladen, sie wäre nur wenig überrascht gewesen. Im Stillen erwartete sie Großes vom Leben, und zweifellos war das einer der Gründe, warum das Leben ihr Großes gewährte."

Beim zweiten Eselsohr geht es immer noch um die kesse, lebenshungrige Gracie aus New Heidelberg in Minnesota. Sie arbeitet im Familienbetrieb, einer Grillbude, wo regelmäßig ein feiner Herr aus dem größten Kaufhaus der Stadt sein Hühnchen verzehrt. Gracie glaubt irrtümlich, er sei der Blue Ribbon-Kaufhaus-Besitzer, aber er ist nur der Geschäftsführer. Sie träumt manchmal davon, im Kaufhaus anstatt in der Grillbude zu arbeiten und verwickelt ihn in ein Gespräch.

Zweites Eselsohr Seite 11 - 12

"(...) Gracie hatte nicht nur seiner Person geschmeichelt, sondern seiner Stellung im Leben. Er strahlte über das breite Gesicht. Für einen kurzen Moment hielt er vollkommen still und sah Gracie an, ohne auch nur ein Mal zu blinzeln. «Nicht ganz», sagte er und fing erneut zu schwanken an, ich bin nicht der Besitzer. Ich bin der Geschäftsführer. Blue Ribbon hat das Geld, ich habe den Verstand.» Mr. Pomeroys Stimme steigerte sich zu einem selbstbewussten Grölen, und Gracie war trotz ihrer Enttäuschung sehr beeindruckt. «Sind Sie mit ihm verwandt?», fragte sie neugierig. «Nicht ganz», sagte Mr. Pomeroy, «aber fast - wir sind sehr eng.» Womit er andeuten wollte, dass sie sich sehr nahestanden, wenn auch in diesem Moment nicht physisch. «Können Sie einfach hingehen und sagen: Das gefällt mir. Ich glaube, ich nehme das und dann aus dem Laden mitnehmen, was Sie wollen?» Sie war von dem Mann jetzt ganz gefesselt. Auch ihr Vater hörte aufmerksam zu. «Nicht ganz», musste Mr. Pomeroy zugeben. «Um genau zu sein, kann ich die Sachen nicht einfach mitnehmen, aber ich bezahle zwanzig oder fünfundzwanzig Dollar weniger als jemand, der keinen Einfluss genießt und nicht dort arbeitet.» «Ah, ich verstehe», sagte Gracie begeistert und überreichte dem wichtigen Gast einen Teller Hühnchenfleisch. «Deswegen arbeiten die Mädchen da. Ich würde das selbst gern mal probieren. Ich würde billiger kaufen, was mir gefällt, und dann würde ich kündigen.» «O nein, das würden Sie nicht», sagte Mr. Pomeroy mit vollem Mund. «Sie würden nicht kündigen. Das sagen Sie jetzt nur.» Er fuchtelte mit einem fettigen Hühnerbein vor Gracies Gesicht herum. «Ich frage mich, woher Sie das wissen wollen!», rief Gracie empört. «Wenn ich sage, ich kündige, dann kündige ich. Ich kann ja wohl kündigen, wann ich will.» Der Gedanke an die Kündigung erregte sie sehr. Sie sehnte sich leidenschaftlich danach, zu kündigen, und sie hätte zweifellos auf der Stelle gekündigt, hätte es etwas zu kündigen gegeben."

Drittes Eselsohr, Seite 127, andere Geschichte

"Doch für Eloise war Tatkraft ein Gottesgeschenk, auf das man warten muss wie ein Gefangener auf die Gerichtsverhandlung; bis dahin ist man von Hoffnung erfüllt oder von dunklen Vorahnungen."

Jetzt bin ich erstmal fertig mit alten Eselsohren!

17. Oktober 2023

Helmut Krausser, "Einsamkeit und Sex und Mitleid" Dumont Taschenbuch. So lala, trallala, bißchen platt, bißchen flach, bißchen grell, mir zu schnell. Slapstick. Prädikat: 1 Eselsohr, S. 147

»Sag mal, (...) wann sehen wir uns eigentlich wieder?« Uwe dachte einen Augenblick zuviel nach. »Wir rufen uns einfach zusammen, oder?« Janine dachte: Pustekuchen. (...) »Gut, machen wir, gibst du mir noch mal deine Nummer? Ich hab sie, fürchte ich, verschlampt.« Uwe überlegte zwei, drei Sekunden, schrieb dann eine Nummer auf einen Bierdeckel und reichte ihr den, wie man als Dealer beim Blackjack eine verdeckte Karte gibt. Janine nahm den Bierdeckel, steckte ihn in ihre Handtasche, (...) stürzte den halben Shake in einem Zug hinunter und entschuldigte sich, sie müsse noch einen Termin wahrnehmen, der ihr entfallen sei. Mit diesen Worten verließ Janine das Lokal (...). Sie hätte gern jemanden, irgendeine neutrale Instanz, gefragt, mit der Bitte um ehrliche Antwort, ob sie sich lächerlich gemacht hatte. Andererseits: Scheiß drauf. Es gab so viele Menschen. So viele. Milliarden. Und alle würden in hundert Jahren tot sein. Sie war nur einer davon. Für Uwe traf nichts anderes zu.

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Lydia Gebel Ahhh,...
01.04.25, 22:28
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Lydia Gebel Warst...
01.04.25, 21:59
g a g a
Margarete 29. März...
29.03.25, 19:44
g a g a
Christoph Martius Was...
29.03.25, 19:43
g a g a
Margarete 28. März...
29.03.25, 01:04
g a g a
Margarete 24. März...
24.03.25, 21:20
g a g a
Margarete 23. März...
23.03.25, 13:35
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Margarete 18. März...
18.03.25, 18:33
kid37
g a g a
Saskia Rutner Danke...
18.03.25, 10:25
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Gaga Nielsen Foto:...
18.03.25, 08:37
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Der blaue Salon
17.03.25, 23:11
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P.S. Trivia, aber...
15.03.25, 21:53
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Ina Weisse Oh no,...
15.03.25, 21:36
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ANH 13. März 2025...
15.03.25, 00:43
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Margarete 12. März...
12.03.25, 09:34
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Lydia Gebel Das ist...
09.03.25, 17:49
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Imke Arntjen Da haben...
08.03.25, 12:46

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