24. Oktober 2023
Ich betreibe hier in meinem Wohnzimmer gerade derart obskure Recherchen, dass es mich fast schon selbst befremdet. Und zwar bohre ich mich gerade in eigentümliche biographische Bachmann-Details. Im Zuge des Besuchs der Bachmannfilm-Premiere sah ich mir wieder einmal Originalaufnahmen an, die die Autorin sprechend zeigen. Bei Lesungen ist ja klar, dass sie abliest. Jetzt kamen mir aber auch interview-artige Dokumente unter, wo sie Fragen beantwortet, die eine Stimme aus dem Off stellt. Dabei schaut sie so leicht nach unten, wie auf Notizen. Sie hat sich offenbar nicht zugetraut, frei zu antworten oder konnte das nicht mit ihrem schriftstellerisch ambitionierten Anspruch an vollendeten sprachlichen Ausdruck vereinbaren. Das wirkt alles seltsam hölzern und geschraubt, wenn auch bemerkenswert formuliert. Es ist mir noch nicht gelungen, ein Filmdokument zu finden, wo sie natürlich oder gar impulsiv aus dem Stegreif zu antworten scheint oder mit natürlicher Lebhaftigkeit spricht. Ob es das überhaupt gibt? Ihr Bruder Heinz Bachmann, der noch lebt und ihr ungeheuer ähnlich ist, auch vom Akzent her und von der Mimik, beschrieb sie als ganz natürlich und einfach im privaten Umgang. Nun sind das aber ja meist Filmdokumente aus den Sechziger Jahren, die da zu finden sind.
Das ist aber nicht das, was ich mit obskuren Recherchen meine. Sondern, kam ich auf den Gedanken, dass das Hölzerne, etwas Abgestumpfte, Statische mit dem gleichförmig mechanischen Duktus auch auf einen Zustand der Sedierung zurückzuführen sein könnte. Das Ergebnis des Cocktails aus Psychopharmaka, Beruhigungs- und Schlafmitteln, den sie über Jahre täglich zu sich nahm. Das stärkste Mittel, Seresta, war dasjenige, welches die starken Entzugserscheinungen mit epileptischen Anfällen bei ihrem Todeskampf verursachte, das bis einen Tag vor ihrem Sterben vom persönlichsten Umfeld verheimlichte Medikament. Nun habe ich den bizarren Ehrgeiz entwickelt, herauszufinden, wann sie angefangen hat, das zu nehmen. Meine Recherche hat zutage gefördert, dass Seresta 1960 auf den Markt kam und zwar in der Schweiz.
Im Briefwechsel mit Frisch schreibt Bachmann an ihn im November 1960, dass die befreundete Schweizer Arztgattin Heidi Auer ihr ein Medikament als Therapie nahelegt, das ihr gut helfen könnte. Es wird nicht namentlich genannt. In der Folge erwähnt sie dann ab und zu in Briefen an Frisch, dass sie noch ihre Tabletten nehmen muss und die schon ganz gut anschlagen. Es geht um ihre Angststörung, genau dafür ist Seresta gedacht, ein starkes Beruhigungsmittel mit dem Wirkstoff Oxazepam, das schnell abhängig macht und persönlichkeitsverändernde Wirkungen hat, wie eine gewisse Gleichgültigkeit. Auf der Seite der Betty Ford-Klinik heißt es zur Wirkweise bei langfristigem Konsum u. a.: "So klagen viele Abhängige über eine stetig wachsende Emotionslosigkeit, Erinnerungslücken, kognitive Einschränkungen, Halluzinationen und bisweilen sogar über Psychosen. Das Leben verläuft gedämpft und wird wie unter einer Glasglocke wahrgenommen." Für mein Empfinden passt das zu der marionettenhaften Sprechweise von Bachmann. Max Frisch hat ihren fortschreitenden Konsum von Psychopharmaka besorgt beobachtet, heißt es.
Ich will mal weiter auskundschaften, ob es Film-Aufnahmen vor 1960 gibt. Bachmann hat Frisch 1958 getroffen, vielleicht spielte bis dahin nur Alkohol eine Rolle. Das drogenaffine Schweizer Paar Heidi und Dr. Fred Auer gehörte zum Freundeskreis von Frisch und war durchgängig die Quelle für die Besorgung sämtlicher Medikamente. So viel zu meinen detektivischen Aktivitäten zur Abendstunde.
P.S. Spannend finde ich den von mir vermuteten Sachverhalt, dass Bachmanns Hardcore-Psychopharmaka-Konsum nicht etwa NACH und WEGEN der Trennung von Frisch zwecks Trennungstrauma-Therapie forciert wurde, sondern die ganze Beziehung annähernd von Anbeginn begleitete und zunehmend belastete. Frisch trennte sich demnach von einer schwerst Drogen-Abhängigen und wandte sich einem vitaleren Geschöpf zu. Nebenbei auch kein dummes Püppchen, diese Marianne Oellers, spätere Frisch. Sie hatte Germanistik, Philosophie, Romanistik und Theaterwissenschaften studiert und arbeitete als literarische Übersetzerin. Herausgestrichen wird immer, dass Oellers dreißig Jahre jünger als Frisch war, als sei das ihre einzig attraktive Eigenschaft für den damals Anfang-Fünfziger gewesen. Auch Bachmann war wesentlich jünger als er, der Altersunterschied betrug fünfzehn Jahre. Nur fürs Protokoll und jenen ins Gebetbuch, die sich über Gebühr mit Altersdifferenzen bei Paaren aufhalten.
Das ist aber nicht das, was ich mit obskuren Recherchen meine. Sondern, kam ich auf den Gedanken, dass das Hölzerne, etwas Abgestumpfte, Statische mit dem gleichförmig mechanischen Duktus auch auf einen Zustand der Sedierung zurückzuführen sein könnte. Das Ergebnis des Cocktails aus Psychopharmaka, Beruhigungs- und Schlafmitteln, den sie über Jahre täglich zu sich nahm. Das stärkste Mittel, Seresta, war dasjenige, welches die starken Entzugserscheinungen mit epileptischen Anfällen bei ihrem Todeskampf verursachte, das bis einen Tag vor ihrem Sterben vom persönlichsten Umfeld verheimlichte Medikament. Nun habe ich den bizarren Ehrgeiz entwickelt, herauszufinden, wann sie angefangen hat, das zu nehmen. Meine Recherche hat zutage gefördert, dass Seresta 1960 auf den Markt kam und zwar in der Schweiz.
Im Briefwechsel mit Frisch schreibt Bachmann an ihn im November 1960, dass die befreundete Schweizer Arztgattin Heidi Auer ihr ein Medikament als Therapie nahelegt, das ihr gut helfen könnte. Es wird nicht namentlich genannt. In der Folge erwähnt sie dann ab und zu in Briefen an Frisch, dass sie noch ihre Tabletten nehmen muss und die schon ganz gut anschlagen. Es geht um ihre Angststörung, genau dafür ist Seresta gedacht, ein starkes Beruhigungsmittel mit dem Wirkstoff Oxazepam, das schnell abhängig macht und persönlichkeitsverändernde Wirkungen hat, wie eine gewisse Gleichgültigkeit. Auf der Seite der Betty Ford-Klinik heißt es zur Wirkweise bei langfristigem Konsum u. a.: "So klagen viele Abhängige über eine stetig wachsende Emotionslosigkeit, Erinnerungslücken, kognitive Einschränkungen, Halluzinationen und bisweilen sogar über Psychosen. Das Leben verläuft gedämpft und wird wie unter einer Glasglocke wahrgenommen." Für mein Empfinden passt das zu der marionettenhaften Sprechweise von Bachmann. Max Frisch hat ihren fortschreitenden Konsum von Psychopharmaka besorgt beobachtet, heißt es.
Ich will mal weiter auskundschaften, ob es Film-Aufnahmen vor 1960 gibt. Bachmann hat Frisch 1958 getroffen, vielleicht spielte bis dahin nur Alkohol eine Rolle. Das drogenaffine Schweizer Paar Heidi und Dr. Fred Auer gehörte zum Freundeskreis von Frisch und war durchgängig die Quelle für die Besorgung sämtlicher Medikamente. So viel zu meinen detektivischen Aktivitäten zur Abendstunde.
P.S. Spannend finde ich den von mir vermuteten Sachverhalt, dass Bachmanns Hardcore-Psychopharmaka-Konsum nicht etwa NACH und WEGEN der Trennung von Frisch zwecks Trennungstrauma-Therapie forciert wurde, sondern die ganze Beziehung annähernd von Anbeginn begleitete und zunehmend belastete. Frisch trennte sich demnach von einer schwerst Drogen-Abhängigen und wandte sich einem vitaleren Geschöpf zu. Nebenbei auch kein dummes Püppchen, diese Marianne Oellers, spätere Frisch. Sie hatte Germanistik, Philosophie, Romanistik und Theaterwissenschaften studiert und arbeitete als literarische Übersetzerin. Herausgestrichen wird immer, dass Oellers dreißig Jahre jünger als Frisch war, als sei das ihre einzig attraktive Eigenschaft für den damals Anfang-Fünfziger gewesen. Auch Bachmann war wesentlich jünger als er, der Altersunterschied betrug fünfzehn Jahre. Nur fürs Protokoll und jenen ins Gebetbuch, die sich über Gebühr mit Altersdifferenzen bei Paaren aufhalten.
g a g a - 24. Oktober 2023, 20:03