Statt in den Baumarkt zu fahren, weiße Holzlasur und ein Pinselset zum Anstreichen online prime bestellt. Ich gehe ganz gerne ab und zu in den Baumarkt, aber bei der Regenprognose, die mich hindert, das gleich heute zu verarbeiten, doch nicht. Der Südbalkon hat bröckelnde Farbe auf der Wetterseite. Ich streiche lieber selber drüber, als den Handwerker zu bestellen, ist entspannter und keine Wissenschaft. Der eine Balken sollte schon vor bald fünf Jahren mal ausgewechselt werden, ist nie zum Ausführungstermin gekommen, jetzt ist es mir auch langsam egal. Irgendwann kommt wieder der Rundumschlag-Termin für Außenanstrich und dann wird es neu aufgegriffen, nehme ich an. Bei Dachgeschoss, also Balkontüren- und Gauben-Holzverschalungs-Außenanstrich, müssen die Handwerker immer durch die Wohnung. Die Wohneinheiten unter mir haben sowas nicht, da gibts nur Außenfenster, die übers Gerüst gestrichen werden können. Nachteil einer Wohnung unterm Dach.
Apropos Baumarkt, beim
Bachmannwettbewerb war ein Text dabei, der im Baumarkt spielt, den fand ich recht gut. "
Die Möglichkeit einer Ordnung" von Dennis Pfabe. Außerdem arbeitet der Autor tatsächlich drei Tage die Woche im Baumarkt. Die Jury hatte auch Lobendes vorzutragen, meine Aufmerksamkeit wurde auch recht gut gehalten, aber den Bachmann-Preis hat er nicht gekriegt. Schade.
Ich hatte sogar mitgevotet, aber nicht für den, weil ich dachte, der ist eh eine Erfolgsgeschichte, sondern für einen Text einer Österreicherin, der für mein Empfinden zu sehr unterging. "
Schwestern" von Ulrike Haidacher. Da ging es um den Besuch einer Enkelin bei der sterbenden Oma im Krankenhaus, dort trifft sie auch auf ihre Mutter. Der ganze Prozess wird minutiös beschrieben, was ihr da durch den Kopf geht, Ängste, schlechtes Gewissen, die Beziehung zur eigenen Mutter, die auch nicht einfach ist. Gefiel mir, weil glaubwürdig, dicht und unaffektiert. Auch der Vortrag war packend, im österreichischen Alltags-Duktus.
Ich konnte nicht verifizieren, wie das Ranking des Publikums-Votings war. Gewonnen hat den Publikumspreis ein vielgelobter, satirischer Text der Österreicherin Johanna Sebauer um "
Das Gurkerl", eine Posse in volkstümlichem, leicht zugänglichem Schreibstil. Ein Unfall eines Zeitungsreporters mit einer Essiggurke, bei dem ihm der Essig schmerzhaft ins Auge spritzt, wird von ihm zu einem Drama von Weltrang hochstilisiert, was ihm als Pressevertreter möglich ist. Woraufhin alle Welt Position pro oder contra Gurke (Gurkenverbot) beziehen muss und leidenschaftlich bezieht. Ein Sinnbild für Aufregungsmechanismen in unserer Zeit, Thema fast schon wurscht. Ich bin mir allerdings recht sicher, dass viele, die dem Text und dem Vorführen der zuweilen grotesk ausufernden Empörungsdynamiken Beifall zollen, auch nicht frei von Beteiligung an diesen Dynamiken sind.
Sei es pro oder contra Impfen, Maske, Gendern, Zuwanderung, Klimapolitik. Dezidierte, schulmeisternde Rechthaberei ist halt offenbar für viele ein befriedigendes Element der Äußerung und des sich Positionierens in der Welt.
Thomas Strässle von der Jury (übrigens einer der vier Herausgeber des Bachmann-Frisch-Briefwechsels), bemängelte, dass sich der Text nicht mit Ursachenforschung dieser Dynamik befasst, sondern nur das Phänomen vorführt.
Ich ganz persönlich glaube, dass es vielen Menschen Sicherheit gibt in einer unsicheren Welt, sich auf eine Seite zu schlagen und an der Zementierung einer bestimmten Sichtweise zu bauen. Zudem spürt man sich intensiver, wenn man eine leidenschaftliche Äußerung vorbringt, auch die Reibung belebt, sorgt für erhöhte Intensität in einem langweiligen Alltag. Außerdem bietet es die Möglichkeit von Gruppensolidarität, sich eingebunden fühlen in die Gruppe, die den vermeintlich richtigen und einzigen Weg für das Menschheitsglück und damit das eigene kennt. Also ist es ein Beruhigungsmittel für alle, die Angst vor dem Verschwommenen, Diffusen, Unklaren und Unwägbaren haben. Vermute ich mal. Und die halt noch nicht die Weisheit der Queen haben, die als Alterserkenntnis wissen ließ:
"Life is full of contradictions."
Der zuletzt im Wettbewerb vorgetragene Text "
Luft nach unten" von Tamara Stajner konnte meine Aufmerksamkeit auch noch einigermaßen fesseln. Abermals das Thema Mutter-Tochter-Beziehung. Die Autorin hatte schon beim Lesen eine Körperhaltung, dicht über das Papier gebeugt, die klarmachte, wie autobiographisch es im Text zugeht, gegen Ende konnte sie stellenweise kaum weiterlesen, musste Tränen wegdrücken. Aber das war ihr persönliches Risiko, sie wusste ja selbst wie aufwühlend das Ganze für sie ist. Ich sehe nicht, dass man sie da hätte vor der Kamera-Situation schützen müssen und womöglich abbrechen, wie es auch z. T. Stimmen gab. Sie ist erwachsen und mündig und nicht gezwungen, derart filigrane Bekenntnisse in einem im Fernsehen übertragenen Wettbewerb darzulegen.
Außerdem fand ich
"Eine Treppe aus Papier" von Henrik Szanto über die Autobiographie eines Mietshauses über Jahrzehnte recht gelungen. Hat überraschenderweise auch keinen der Preise erhalten.
Zu den übrigen Texten und Vorträgen mag ich mich nicht äußern, weil sie entweder durchgerauscht sind oder mein Nervenkostüm strapaziert haben. Manches ist gehypt worden, was mir zu modisch und prätentiös daherkam, sowohl inhaltlich als auch stilistisch. Der Preisträger des ultimativen Bachmann-Preises hatte wohl auch einen ganz guten Text, ich konnte aber nicht die erforderliche Konzentration aufbringen, um ihn vollständig zu verfolgen.