14. Dezember 2010



Oder man stellt sich vor, die Zeit schlägt in verschieden großen Wellen an Land. Wenn man hinnimmt, dass die Welle groß ist, weiß man, dass man viel Kraft und Geschick braucht, um darauf zu reiten. Eine kleine Welle ist keine große Gefahr. Sie reißt nicht in die Tiefe. Man muss sich nicht so damit beschäftigen. Manche Wellen sind zu groß, um darauf zu reiten. Außer man glaubt an Jesus und wie die alle heißen. Ich glaube nur an das Maß an Kraft und wundersame Stärke, das ich in starken Zeiten an mir selbst oder anderen erlebt habe. Ich weiß gar nicht, ob mir schon einmal ein Wunder begegnet ist. Also so ein Wunder zum sich drüber wundern. Naturwunder hab ich schon viele bewundert. Aber ich dachte nie an Hexerei, sondern den einfachen, ganz normalen Zauber der Biologie, die meiner Meinung nach überhaupt keine Mystifizierung braucht, sie ist wunderbar und geheimnisvoll genug, so lange es noch irgendein Rätsel der Zellen und Energie, die sie wachsen und rotieren lässt, gibt. Und selbst wenn alle Formeln gefunden und alle Rätsel gelöst sind, wird der Zauber der Nervenbahnen eines Blattes im Gegenlicht immer bleiben.

Auf manchen Wellen kann man nicht reiten, das wäre Größenwahn. Irrsinn. So langweilig ist das Leben auch nicht, dass man den Abgrund herausfordern müsste, um sich zu spüren. Dafür bin ich mir auch viel zu nah. Ich bin mir zum Beispiel zu wertvoll, im Hinblick darauf, diese einmalige Beziehung zu mir selbst weiterführen zu wollen, und zu erleben, wohin die unwägbare Reise geht, um vor der Zeit aus dem Leben zu treten. Wenn man so etwas artikuliert, bedeutet es natürlich, dass man eine Weile oder immer wieder darüber nachgedacht hat. Es ist ein Dilemma, das viele kennen. Die Sehnsucht nach Auflösung, Schmerzlosigkeit, Leichtigkeit. Aber so lange man es nicht wenigstens einmal über einen längeren Zeitraum geschafft hat, das in diesem irdischen Dasein zu erfahren, hat man eine Aufgabe vor sich. Ein längerer Zeitraum, auf den man später als jene wunderbare Zeit zurückblicken kann. Weißt du noch? Ungetrübt. An die man sich erinnert wie an einen schönen Film ohne Riss in der Geschichte. Gibt es das? Eine strahlend helle, warme Zeit, wie eine Ära? Eigentlich muss es möglich sein, weil auch das Gegenteil möglich ist. Eine Frage, die man sich gar nicht stellt. Gibt es das, eine dunkle Zeit, über einen längeren Zeitraum.

Dunkel, wahrhaft dunkel ist, wenn man in einen lichtlosen Schacht fällt, und fällt und fällt und nicht aufschlägt. Schlägt man auf, ist man ohnmächtig. Wacht man wieder auf, spürt man die Knochen, die Verletzung. Man liegt da und der Kopf dreht sich wieder zum Licht, nach oben, dahin, wovon man fiel, in die Tiefe. Der Blick hält sich an dem fernen Licht fest. Man schaut nicht nach unten, wenn man auf dem Rücken liegt. Nach oben. Es sei denn, man schließt die Augen. Das muss manchmal sein. Man muss auch schlafen. Aber irgendwann ist es nicht mehr interessant, in der Regungslosigkeit zu verharren. Man will nicht erstarren, und wieder spüren, wie sich Bewegungen anfühlen. Dann fängt man vorsichtig wieder damit an, ganz vorsichtig. Bis man wagt, aufzustehen, sich wieder aufzurichten. Dann schaut man, wo ein Mauervorsprung ist, der Halt gibt, beim ersten Tritt, wenn man versucht, sich nach oben zu ziehen. Am besten, man schaut mittags, wenn die Sonne am höchsten steht und senkrecht in die dunkle Tiefe fällt. Dann kann man mit dem Blick ausloten, wo man Halt finden kann. Wie man sich behelfen kann.

Letzte Nacht bin ich sehr erschrocken. Ich habe etwas geträumt, das einen solchen Schmerz verursacht hat, dass ich einen tiefen Schmerzensschrei ausstieß. Es war tief im Schlaf und ich weiß nicht, ob ich nicht wirklich geschrien habe, im Schlaf und davon aufgewacht bin. Der Schmerz war wie ein Dolchstoß, aber waffenlos. Als ob in Sekundenschnelle alles zerstört wurde, was mir lieb und wichtig war, in diesem Augenblick. Ein furchtbarer Moment. Aber ich stand auf, früh, und vergaß über den Tag diesen seltsamen Moment im Traum. Mir ist, als hätte ich in der Nacht noch darüber nachgedacht, dass meine schlafenden Nachbarn vielleicht dadurch aus dem Schlaf geschreckt sein könnten, und dass sie gedacht haben müssten, dass jemandem furchtbare Gewalt angetan wird.

Wenn man sich auf die wichtigsten Überlebensfunktionen konzentriert, die kleinen Ablenkungen reduziert, gewinnt man eine Form von Klarheit in sich, die sich anfühlt, als könnte man die Parameter in seinem Leben besser einschätzen, gewichten und daraus folgern, was man beibehält und was nicht. Was absolut lebensnotwendig ist und auch, was für den Aufbau sorgt. Welche Elemente des Lebens aufstrebende Kräfte in sich tragen. Das zum Beispiel. Sich nach einem Tag, der auf eine schöne Art unspektakulär verlaufen ist, vor dem Schlafengehen solche Gedanken machen zu können. Sie aufzuschreiben, festzuhalten, lesbar zu machen. Für sich selbst und andere. Was für ein Luxus. Die Wohnung so warm, das weiche Bett so nah. Das gesunde Gefühl in den Knochen und Zellen. Die Verantwortung dafür auch endlich begriffen zu haben. Ich bin seit einiger Zeit in einer Phase, in der mir von Giften zugeneigten Hedonisten als wahnhaft diszipliniert belächelte Gesundheitsaktivitäten, meinerseits nicht mehr hysterisch vorkommen. Wahrscheinlich eine gängige Entwicklung in meinem Alter. Ich bin Mitte Vierzig. Ich begrüße es, wenn sich jemand nicht gehen lässt und der direkte Zusammenhang mit gesteigerter Sinnenfreude erkennbar ist. Wahrscheinlich könnte ich jetzt immer so weiter tippen, bis mir die Augen zufallen und ich meine Leser schnarchen höre. Morgen ist auch wieder ein Tag. Ich gehe jetzt ein bißchen nach Westen. Aber nur in meiner Wohnung, zu meinem Bett. Mit dem Kopf nach Süden und den Füßen nach Norden.

13. Dezember 2010



Ich weiß es nicht. Vielleicht Pampelmuse. Zitronenbäume haben ganz andere Blätter, kleiner, glatter. Orangenbäume auch oder? Unscharf dahinter wächst eine Avocado. Soviel ist sicher, weil ich mich genau erinnere, den Kern in die Erde gesteckt zu haben und ich nicht so oft Avocado esse. Es ist eine Zitrusfrucht. Mandarine kann es nicht sein, weil ich nur selten Mandarinen esse, nie welche kaufe. Auf jeden Fall wächst es immer schneller und stärker und will keine besondere Behandlung. Bei mir gibt es sowieso nur Wasser. Wem das nicht passt, kann ja gehen. Und manchmal eine neue Schaufel Erde obendrauf. Und Sympathie. Viel Sympathie. Wohlwollen. Einen freundlichen Blick aber kein Gerede. Ich glaube sowieso viel mehr an wortloses Verstehen. Vorgestern in einem alten Tagebuch einen ewig langen Eintrag gelesen, in dem ich darüber sinniere, warum ich so ein geringes Mitteilungsbedürfnis habe, in Form von Sprechen. Ich war sehr erstaunt über den Eintrag, der fast neunundzwanzig Jahre zurückliegt, in einem geradezu philosophischen Ausbruch mündet, und seine Parallele zur Gegenwart. Damals hatte ich auch diesen Transit wie jetzt, diese Saturn-Venus-Konjunktion, und aus diesem Grund interessierten mich die Einträge und Ereignisse aus dieser Zeit. Saturn braucht etwa neunundzwanzigeinhalb Jahre für einen Umlauf um unsere Sonne, um an denselben Punkt zurückzukehren. Deswegen habe ich mir diesen Aspekt genauer angesehen, man erlebt ihn nur zwei, dreimal im Leben. Darüber denke ich in den letzten Tagen nach. Ich war froh, dass ich einiges hinter mir gelassen habe, was ich da las. Die Orientierungslosigkeit, nicht zu wissen, wie man von da wegkommt, wo man ist, nicht den geringsten Plan zu haben, aber den brennenden Wunsch, unbedingt weg zu wollen. Das scheinbar unlösbare Problem, nicht zu wissen, wie man sich alleine über Wasser halten soll. Damals war ich sechzehn, als ich das schrieb, ging noch zur Schule, träumte von der weiten Welt. Selbst eine andere Stadt zu sehen, hätte mich befriedigt, ich wusste nicht, wie man das angeht. Meine Eltern verreisten nie. Sie hatten ihren großen Garten und fanden, das wäre Urlaub genug. Sehr sesshafte Menschen, denen der Blick in die Ferne durch den Fernseher aus mir unerfindlichen Gründen eben reichte. Meine Freunde verreisten mit ihren Eltern oder anderen Freunden, aber nicht alleine. Ich war zu dem Zeitpunkt nur einmal am Meer gewesen, mit den Eltern einer Freundin. Ich durfte mit, ich glaube es war 1977. Oder 1979? Ich weiß es nicht mehr. Nur dass in der Hotel-Diskothek auf der damals jugoslawischen Insel Mali Losinj "Pop Muzik" und "My Sharona" lief. Und ich mit einem blonden, muskulösen Profi-Schwimmer der Jugendklasse aus Bad [ZENSIERT] techtelte. Nicht mechtelte allerdings, dafür fühlte ich mich noch zu jung. Er war sexy und braun gebrannt und hatte genauso eine Zahnlücke wie ich. Da sah ich das erste mal, dass das keine Behinderung sein muss, sondern sogar anziehend wirken kann. Irgendwie verwegen sah er aus. Wie hieß er bloß. Ich müsste nachschauen. Sein Vater war der Kurdirektor von Bad [ZENSIERT]. Oh là là. Diesen Zeitraum sollte ich besser mal checken, was ich da für einen interessanten Transit hatte.



Ich war doch schon beim Juni und Juli 1982. Reisen war also nicht drin, ich hatte kein Taschengeld gespart und keine Lust auf einen Job nebenher, auch nicht während der Ferien. Da wollte ich lieber ausschlafen und faulenzen. Ferienjobs klangen schrecklich, allesamt. Zeitungen austragen und dafür in der Dunkelheit und Kälte aufstehen. Oder irgendwas im Supermarkt einräumen. Ich las am liebsten Reisebücher. Ich notierte in einem Eintrag vom Juni 1982 "neue Bücher gekauft, "talk one's head off", "Anders reisen Paris", "Anders reisen San Francisco". Im Kopf war ich längst unterwegs. Gut, dass ich inzwischen einiges gesehen habe, das diese unbändige Sehnsucht, andere Länder, unbekannte Orte zu sehen, gestillt hat. Ich empfand das bis zu meinem zwanzigsten Lebensjahr als heftigstes Defizit. Das war streng genommen der einzige Grund, warum ich mich darauf einließ, zu arbeiten. Um mehr Geld zu haben, als nur das Dach über dem Kopf finanzieren zu können. Um zu reisen. In Länder, wo Pampelmusen und Avocados wachsen.



Ich las noch ein bißchen weiter, letzten Samstag, aber dann wurde mir dieses Erinnern an die Jugend zu dicht, die Details zu nah, die Zeit begann mehr zu leben, als ich es wollte. Aber wichtig war, zu sehen, dass es tatsächlich einen frappierenden Zyklus der Ereignisse und Gefühle zu geben scheint. Und demnach auch die Aussicht auf einen nächsten Zyklus, in dem etwas anderes vorrangig werden wird, als jetzt. Als sich die Konjunktion dem Ende neigte, im August 1982 hatte ich einen Schub, in dem ich wie wild anfing zu malen. Auf zerrissene Bettlaken, Aquarelle, Portraits. Eine Zeit der Zurückgezogenheit, in der ich in langen Sommerferien nur damit beschäftigt war, mich auf dem Dach der Garage des Hauses meiner Eltern zu sonnen, der abgeschiedenste Platz, den ich dort finden konnte, zu malen und Tagebucheinträge zu verfassen. Man musste über einen großen Regenwassertank mit einer gewissen Geschicklichkeit auf das Dach klettern, dazu fand niemand einen Grund, außer mir. Ich nahm mir etwas zu trinken und zu lesen mit und die Sonne brannte schattenlos auf meinen Körper. Mich beschäftigte der frühe Tod von Romy Schneider, die wenige Wochen vorher, Ende Mai gestorben war. Eines der Portraits zeigte sie. Zwei davon habe ich noch, hier in meiner Wohnung. Das andere auch ein Frauengesicht, halb eine alte Freundin, halb Patti Smith wirft immer Fragen auf, wenn es jemand sieht, heute. "Von wem ist das?". Weil ich so etwas heute nicht mehr mache, kommt die Frage, aber ich konnte das. Niemand weiß woher. Und dann kam der September und damit mein Geburtstag. Wie erstaunt ich las, dass ich ihn feierte. Oder besser gefeiert wurde. Das war so untypisch für mich. Hätte mich jemand gefragt, hätte ich voller Überzeugung behauptet, dass ich noch nie eine nennenswerte Geburtstagsfeier gemacht habe. Aber im Jahr 1982 kamen einige Freunde vorbei und hatten Kuchen dabei. Einer war mit Grasmehl gebacken. Der andere eine schwedische Apfeltorte. Selbstaufgenommene Kassetten gab es als Geschenk und noch andere Sachen. Vorher schien ich eine eremitische Phase gehabt zu haben, denn ich brachte große Überraschung zum Ausdruck, in meinem Tagebucheintrag. Ich schien der Meinung zu sein, ich hätte mich zu sehr von allen zurückgezogen, um noch bedacht zu werden. An der Stelle des Geburtstagseintrages legte ich das kleine Tagebuch wieder weg. Seitdem denke ich darüber nach, wie der nächste Zyklus aussehen könnte. Sein Beginn. Der Anfang. Die Erneuerung. Alles auf Anfang. Nicht sofort, aber irgendwann, im kommenden Jahr. Ich ziehe mich zurück und sammle Kräfte, wie ein Bär, der Winterschlaf macht. Michael. Er hieß Michael. Und er trug eine rote, locker sitzende Baumwollshorts zum Schwimmen. Mit drei weißen Streifen auf der Seite. Nicht so ein blödes, engsitzendes Unterhosen-Modell. Und er hatte Haare wie der Bastian, nur ein bißchen länger. Und er war verdammt cool. Und es war 1979. Und ich war dreizehn. Ich hab das Foto gerade gesehen. Daneben klebt ein Zettel mit seinem Namen und der Adresse. Ich muss mal kurz den Winterschlaf unterbrechen und ins Internet.

12. Dezember 2010



"Die weisse Hölle vom Piz Palü". Gleich im Vorspann beeindruckend: Photographie: Sepp Allgeier. Richard Angst. Hans Schneeberger. Herrliche Aufnahmen. Kerniger Bursche. 2:42 (!) 6:29

12. Dezember 2010




Muss ich mir hier jedesmal irgendwelche Geschichten aus den Fingern saugen? Bilder müssen reichen! Die Wiederholung der Motive ist beabsichtigt und hat System. Zweck der Übung ist, dass sich die Abbildungen gut einprägen und darüber qualifiziert diskutiert werden kann. Also bitte. Bei mir ist der Himmel natürlich so gut wie immer blau, weil ich eben weit genug oben bin! Haha! Ausgetrickst. Bewölkten Himmel würde ich mir persönlich auf Dauer auch gar nicht bieten lassen. Eine Frage der Willensstärke und des Durchsetzungsvermögens. Denken Sie mal darüber nach.

11. Dezember 2010




Minus zehn. Oder dreizehn. Aber alles im Griff. Wenn alles so leicht zu handeln wäre, wie sich warm anzuziehen, wenn es draußen kalt ist. Vielleicht ist das aber nur meine irrige Perspektive. Vielleicht ist ja alles so leicht in den Griff zu kriegen, wie sich warm anzuziehen, ich hab es nur noch nicht gecheckt. Ha! Ich versuche, die Erwartungen an mich selbst und an mein Leben, dem Wetter anzupassen. Also mich nicht im Bikini auf den Balkon zu legen, im Dezember. Man würde sich bestimmt erkälten, das ahnt man schon vorher. So ähnlich ist es mit dem anderen Wetter, dem atmosphärischen, das ohne Schneeflocken daherkommt. Temperaturschwankung, Temperaturabfall ist nicht immer eine Reaktion auf eine Aktion oder im ursächlichen Zusammenhang mit einer selbstgesteuerten Handlung. Im Grunde schwimmt man wie ein Fisch mit der großen Welle, mit der Strömung. Die Strömung kommt aber nicht von dem bißchen Gewedel mit der Flosse. Man muss schauen, dass man nicht gegen die Strömung kämpft. Das wäre Energieverschwendung. Man muss auch nicht hektisch paddeln, um an die Spitze des Schwarms zu kommen, der in eine Richtung treibt, die einem nicht gefällt. Ich sehe, wohin die Strömung geht und irgendwann wird sich die Richtung wieder ändern. Kann sein, dass man in dem befremdlichen Gewässer etwas entdeckt, das man nicht kannte. Und dann etwas versteht, über das große Meer. Den Ozean.

11. Dezember 2010




Der erste Schnee, vor einer Woche. Aus dem Küchenfenster nach Osten. Ich habe mich schon oft gefragt, wie dieser Raum von innen aussieht. Wenn Licht ist, kann ich erkennen, dass Bilder an der Wand hängen. Es scheint ein kaum unterteilter, ziemlich großer Raum zu sein. Die Fenster gehen nach Westen. Wer auch immer dort wohnt oder arbeitet, sieht Sonnenuntergänge. Ich kann nicht erkennen, ob es eine Terrasse nach hinten gibt. Ohne Terrasse nach draußen ist die Wohnung nur halb so interessant. Vielleicht gibt es ja eine. Wäre ja schade sonst, bei so einem Filetstückchen in Mitte, in der Auguststraße. Wenn ich irgendwann wieder einmal umziehe, dann nur in einen anderen Adlerhorst. Oder eine Hütte in der Wildnis.

11. Dezember 2010



Nur vier Wochen her. Der Bastard verliert die Haare. War mir noch nie so vor die Augen und ins Bewusstsein gekommen, die Ähnlichkeit mit dem Lichten der Haare. Oben könnte man schon ganz leicht mit dem Kamm durchkommen. Aus meinem Winkel sehe ich die fünf Bastard-Schwarz-Pappeln (so heißen die wirklich) fast wie einen Baum. Bestimmt dreimal jeden Tag schaue ich in die Richtung, seit fast zwölf Jahren schon. Wahrscheinlich hätte es mir auch nichts genützt, wenn ich im Biologie-Unterricht besser aufgepasst hätte, weil ich nicht glaube, dass wir solche Feinheiten wie die verschiedenen Pappel-Sorten durchgenommen haben. Getreidesorten und Schlangen und Echsen waren im Unterricht dran, das weiß ich aber auch nur, weil ich ein altes Schulheft gefunden habe, mit Bildern drin. Die meisten kennen als Pappel nur diese lanzenförmigen Bäume in Alleen, wie eine kleine Armee, das sind Pyramiden-Pappeln. Die eigenwillige Schwarz-Pappel ist ein seltener Baum geworden und vom Aussterben bedroht. Das auf den Bildern ist eine Kreuzung aus der eingeführten kanadischen Schwarz-Pappel und der europäischen Schwarz-Pappel. Vielleicht hat sie sich auch selber gekreuzt und lauter kleine Bastarde auf die Welt geworfen. Weil die Bastarde schneller wachsen und nicht so hohe Ansprüche an ihre Unterkunft haben, haben die Berliner Gärtner die Idee gehabt, es wäre doch ein guter Baum, wenn man einen neuen Park anlegt, dann hat man schön schnell große Bäume drin. Dass es Bastard-Schwarz-Pappeln sind, hab ich erst vor ein paar Wochen rausgekriegt, weil ich dachte, es ist doch eine Schande, dass ich den Namen von japanischen Kürbissorten kenne, aber nicht mal weiß, wie der Baum vor meiner Nase mit Vornamen heißt. Ist übrigens gar nicht so leicht zu erkennen, wegen Verwechslungsgefahr. Die heimischen Schwarz-Pappeln, die am liebsten an Flussauen wachsen und gerne alleine stehen, habe eine dunklere Rinde und eine wildere Krone, nicht so artig und rund wie mein gelber Helium-Ballon.



Aber ich hab sie gerne, die Bastarde vor meiner Nase. Sie sind mächtig groß, bestimmt dreissig Meter. Die Berliner Traufhöhe ist zweiundzwanzig Meter hab ich gelesen, und der Turm von der Sophienkirche dahinter neunundsechzig Meter. Sie sind auf jeden Fall schon größer als die Häuser. Manchmal sitzen Hunderte kleiner Vögel drin und piepen. Wenn er wieder Blätter hat, der Bastard-Baum und seine Geschwister, kann ich den Wind darin rauschen hören. Im Frühling, Sommer, Herbst und Winter. doch , - wirklich, auch jetzt. Weil ich mich gut erinnern kann, an seinen Windgesang. An Deinen Windgesang.

10. Dezember 2010




Mag sein, dass man die Einstürzenden Neubauten und ihre Protagonisten jetzt nicht unbedingt mit Lustigkeit in Verbindung bringt, aber es gab sehr lustige Momente. Besonders als ein Gast sich gegen Ende des Abends investigativ nach dem Eheleben der beiden, Danielle de Picciotto und Alex Hacke erkundigte (nicht verwechseln bitte mit dem Schreiber Axel Hacke). Ob man denn bei diesem abenteuerlich vagabundierenden Leben überhaupt noch ein solides Eheleben führen könne. Danielle hatte eine Sekunde diesen Gesichtsausdruck, den Sprachen Lernende manchmal haben, wenn sie eine neue Phrase hören. Sie ist Amerikanerin, lebt seit 1987 in Berlin und spricht verblüffend akzentfrei Deutsch. "Was ist ein solides Eheleben?". Der Berliner Sender Alex hat ein paar Ausschnitte von dem Abend aufgezeichnet, kann man hier sehen. Ich mag es, wie Alexander Hacke Danielle anschaut, wenn sie erzählt. Ein warmer, respektvoller Blick. Die beiden haben Spaß miteinander. Und sie machen mit dem, was sie gemeinsam tun, die Welt schöner. Ich habe eine genaue Vorstellung davon, wie sich das anfühlt, leicht wehmütig. Besonders gefiel mir, als sie erzählten, dass sie ein Prinzip verfolgen, nämlich Dinge zusammenzubringen, die eigentlich nicht zusammengehören, und so etwas Neues in die Welt zu bringen. Grenzen zu überschreiten, Polaritäten zu verbinden. Das habe ich gut verstanden. An den beiden ist nichts, was ich nicht verstehe. Das geht mir selten so. Danielle schrieb mir, dass sie die Bilder mag, das freut mich sehr.

09. Dezember 2010



»Während vieler Monate gültig: Diese Zeitqualität wirkt stark auf die mitmenschlichen Beziehungen. Auch die solidesten Verbindungen sind einer Prüfung ausgesetzt, und Sie und Ihr Partner fragen mit wachsender Intensität nach der menschlichen Qualität der Verbindung. Eine schwache, labile Beziehung unterliegt der gleichen kritischen Bewertung, und deshalb könnten Sie hier zu dem Schluß kommen, daß sie nicht erhaltenswert ist. Nutzlos gewordene Beziehungen brechen jetzt wahrscheinlich auseinander, auch wenn Sie oft zögern, Abschied zu nehmen. Gleiches gilt für Freundschaften.

Jetzt haben Sie das Bedürfnis, sich von Ihren Mitmenschen zurückzuziehen. In dieser Zeit müssen Sie feststellen, wer Sie sind, was Ihre Individualität ausmacht, und wie sich diese Werte in Ihren mitmenschlichen Beziehungen bewähren. Vielleicht kommen Sie zu einigen desillusionierenden Erkenntnissen über Ihre Beziehungen. Auch Verbindungen, die Sie als gut empfunden haben, mögen jetzt ihr Ende erreicht haben. Doch die Beziehungen, die diese Zeit gut überstehen, sind echt und wichtig. Es könnte auch eine schicksalhafte menschliche Beziehung neu in Ihr Leben treten, die etwa vierzehn Jahre später große Bedeutung für Sie gewinnen wird.

Auf einer ganz anderen Ebene könnte dieser Einfluß eine Zeit der Enthaltung anzeigen, während der Sie - vielleicht sogar freiwillig - auf viele kleine Freuden verzichten, die Ihr Leben bisher verschönt haben. Diesen Zustand sollten Sie zur Selbstprüfung nutzen, um sich die Bedeutung, die materieller Wohlstand für Sie hat, vor Augen zu führen.

Insgesamt sollten Sie diese Zeit dazu nutzen, bezüglich Ihrer Mitmenschen und Ihres materiellen Besitzes etwas auf Distanz zu gehen. In einer solchen Zeit der Zurückgezogenheit können Sie sich ein klares Bild über sich selbst und darüber machen, wer und was Sie sind, so daß Beziehungen und materieller Besitz in Zukunft auf einer solideren Erkenntnis der realen Verhältnisse beruhen und deshalb auch zuverlässiger und nützlicher sein werden.«


Robert Hand, Das Buch der Transite

[Transitierender Saturn in Konjunktion zu meiner Radix-Venus auf 15° Waage, Ende November 2010 bis Mitte September 2011]

09. Dezember 2010

tjaja

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