Eine neues Kapitel in meinem fortgesetzten Fotoroman. Heute:
von Amts wegen. Einblicke in meine heimische Amtsstube. Den abgebildeten Ordner mit feinsäuberlich alphabetisch beschriftetem Register gab es bis gestern noch nicht. Zuerst hatte ich die wichtigen Dokumente, die teilweise unbedingt im Original aus Büttenpapier mit Notar-Siegel und Kordel vorzulegen sind, in einer losen Pappmappe mit mir geführt.
Obwohl keine Notwendigkeit besteht, jegliche Kündigung und deren Bestätigung auszudrucken, beruhigt mich das. Es gibt dann dadurch nämlich bereits jetzt Registerabteilungen, die ich mit einem kleinen Erfolgserlebnis überblättere, weil sie (voraussichtlich - hope so...!) als abgeschlossen gelten dürfen, wie das Register zur Hansemerkur-Zahn-Zusatzversicherung. Ich fühle mich dadurch auch angenehm tatkräftig, was ein besseres Gefühl ist, als ohnmächtig und leicht verwirrt, weil ohne Ein- und Durchblick in den Bürokratiekram.
Ein Register ist noch komplett leer, nämlich "Steinmetz". Außerdem fehlen im Register "Sterbeurkunden (...)" noch die Sterbeurkunde meines Vaters (von der ich wohl nie ein Exemplar hatte - oder habe ich es damals angegruselt extra weit hinten in ein Regal geschoben?) und die Eheschließungsurkunde, aber die musste ich beide bislang nicht vorlegen. Bisher reichte immer die Sterbeurkunde meiner Mutter und die Vorsorgevollmachten beider Elternteile.
Was bin ich dankbar und froh, dass sie die beim Notar beurkunden ließen, formvollendet, mit Wirkung über den Tod hinaus. Warme Empfehlung für Alle in Richtung ihrer Eltern: Vorsorgevollmachten ausfertigen lassen, notariell beglaubigte. Vor ein paar Tagen hatte ich mich doch mal auf die Suche nach einer eventuell bei mir vorhandenen Sterbeurkunde meines Vaters gemacht, aber nur noch nicht abgelegten Bürokratieschriftwechsel von mir selbst gefunden. Auch da mal wieder Ablage gemacht.
Ich habe meine eigenen amtlichen Angelegenheiten betreffend, nur einen einzigen superdicken Ordner, schwarzbraun mit goldenem Schriftzug "Harley Davidson". Ich brauchte mal so einen Ordner und den fand ich schick. Also da sind meine eigenen Sachen wie Mietverträge und Stromverträge und Krankenversicherungszeug und Bankkonten etc. abgeheftet. Steht in meinem Schlafzimmer oben auf dem einen Kleiderschrank mit dem Spiegel, wo auch die vielen Bücher stehen, ganz links. Eigentlich ist der Ordner so dick, dass man drei draus machen könnte, aber darauf habe ich keine Lust. Bei Bürokratie habe ich es gern griffig und überschaubar.
Das Register mit zwanzig Abteilungen für den Nachlass meiner Mama ist im übrigen das "kleine Besteck". Wenn das Elternhaus noch nicht an Valerian überlassen worden wäre, kämen da wohl nochmal so viele Abteilungen dazu - und der Nachlass von meinem Vater ist da eigentlich auch nicht mit drin, auch wenn ich es so beschriftet habe, damit war ich vor drei Jahren nur insofern konfrontiert, als mir durch den Notar die Endergebnisse mitgeteilt wurden. Und da ist auch das gemeinsame Testament meiner Eltern in Kopie dabei.
Sie hatten das vielzitierte und gern praktizierte "Berliner Testament", wo der erstversterbende Ehepartner dem hinterbliebenen Ehepartner alles vermacht, unabhängig davon, ob Kinder oder "Abkömmlinge" existieren. Wenn dann der andere Ehepartner stirbt, erben die Kinder bzw. Abkömmlinge zu entsprechenden Anteilen. Sofern es etwas zu erben gibt.
Die erwähnte Vorsorgevollmacht über den Tod hinaus ist auch deswegen so wertvoll, weil man sich vor Testamentseröffnung einen Überblick verschaffen kann, was in etwa vorhanden ist, falls man sich da nicht ständig auf dem Laufenden halten konnte oder wollte, als die Verstorbenen noch lebten. Wenn man erst einen sogenannten Erbschein beantragen muss, um Einblick in Konten zu bekommen, hat man das Erbe bereits angenommen - und im Zweifel die Erblast von Schulden. Also Vorsicht vor dem voreiligen Beantragen eines Erbscheins.
Für mich ist der bürokratische Akt jetzt für ein paar Tage im Ruhemodus. Ich konzentriere mich heute nur noch aufs mentale Kräftesammeln für morgen, wenn der letzte Weg ansteht. Um vierzehn Uhr beginnt die Trauerfeier. Meine Zugverbindung hat einen guten Puffer einkalkuliert, falls der ICE irgendwo eine Verzögerung haben sollte. Und ich habe sicherheitshalber die Musik noch mal auf zwei USB-Sticks gezogen, falls irgendwer irgendwas vergessen haben sollte. Die Musik-Dateien habe ich schon vor längerer Zeit per Mail an die Bestatterin und die Pfarrerin übermittelt.
Und dann will ich noch anprobieren, was ich morgen anziehe. Ich hab eigentlich schon eine recht klare Idee vor Augen. Morgen, am 7. August, ist es genau elf Jahre her, dass mein Neffe beigesetzt wurde. Damals trug ich ein aufwändig mit Ornamenten besticktes, schwarz-weißes, indisches Oberteil. Meine Mama sah sich damals nicht in der Verfassung mit zur Beisetzung zu kommen, aber wir besuchten sie davor und danach und sie wurde nicht müde, mein Oberteil zu bewundern, immer wieder sagte sie, wie sehr es ihr gefiele, sie kriegte sich gar nicht ein deswegen. Ich hatte ihr noch dazu erklärt, dass in Indien die Trauerfarbe Weiß ist. Sie fand das aber gar nicht erklärungsbedürftig und bei der Trauerfeier für meinen Vater habe ich dann ohnehin mitbekommen, dass sie kein Fan von komplett schwarzer Kleidung bei Trauerfeiern ist. Sie trug damals schwarz und rosa. Ich auch. Und mein Vater im Sarg übrigens auch, aber er war da schon eingeäschert.
Obwohl ich keine besondere Beziehung zu Indien habe (vom Gefallen an Kunsthandwerklichem abgesehen), fand ich es damals schön, angemessen und passend. Das würde ihr also ganz sicher gefallen, wenn ich es morgen auch anziehe, ihr zur Freude und zu Ehren. Da oben, wenn sie auf ihr Edel-Hippie-Küken runterguckt.
