11. Januar 2012

Bitte nicht meine dumme Angewohnheit übernehmen, sich niemals für Kündigungsfristen von freudig geschlossenen Verträgen zu interessieren. Will ich gar nicht weiter ausführen. Passt nicht so super zu meinen Ersparnisbestrebungen im guten neuen Jahr, aber das nenne ich dann immer euphemistisch Lehrgeld. Wird mir nimmer mehr passieren! Egal. Stets will ich aus meinen Fehlern lernen. Ich wäre auch so eine Kandidatin für irgendeine Knalltüte heiraten und dann aus, finito und ich habe irgendwelche dummen Sachen unterschrieben, in meiner für-immer-und-ewig-Verliebtheit. Oh je oh je. Besser, dass ich nie jemanden geehelicht habe. Die Tendenz zeichnet sich bei mir schon vorher ab, bevor das überhaupt ein Thema sein könnte. Dieses Unterstützende, Solidarische, stets hilfreich zur Stelle. Ein Problem, das ich jedenfalls gerade nicht habe. Wenn man es hat, nimmt man es meistens gar nicht wahr, das Materielle ist ja so ein schnödes, weltliches Thema, Hauptsache alles fließt usw. usf. und meine rosa Träumereien kriegen Futter. Dass ich jemals bei der Hinwendung zu Männern auf ihre materiellen Verhältnisse geachtet hätte, kann mir wirklich niemand nachsagen. Heute auch noch nicht. Aber ich bin vielleicht sensibilisiert, was den Ehrgeiz angeht, sich aus eigener Kraft zu erhalten. Ich deute das inzwischen auch als eine Art Charakterstärke, einen Zug von Rücksichtnahme, den Willen zu zeigen, in einem ausgewogenen Maß zu geben und zu beanspruchen. Zeit zu investieren, um einen gesellschaftlichen Beitrag zu liefern, der gebraucht und gefragt ist, nicht nur selbstgefällig egozentrisch zu definieren, welche Gegenleistung andere als brauchbar verifizieren sollen, weil es der bequemere Weg ist und dann griesgrämig Beschwerde führen, wenn die Hokuspokus-Ich-AG keine Kundschaft findet. Ich bin da erstaunlich streng, stelle ich fest. Ich habe größten Respekt vor den Menschen, die sich nicht zu schade sind, einfache aber notwendige und von mir hochgradig geschätzte Dienstleistungen zu erbringen, zum Beispiel an der Kasse von Aldi oder bei der Müllabfuhr. Die größten Helden des Alltags haben meistens keinen bekannten Namen. Da gab es neulich bei dieser Bambiverleihung den Preis für Menschen, die ehrenamtlich arbeiten. Großartig. Dagegen diese ganzen Poser-Jobs, wo nichts wirklich Notwendiges zustande kommt, diese ganzen Consultants und Blablabla-Berater. Täte sich die Erde auf, keiner würde auch nur einen vermissen. Außer vielleicht privat, haha. War da was? Nö.

Ein Hoch auf alle wahren Arbeiter und Arbeiterinnen. Ein Hoch auf alle Aldi-Kassiererinnen und die Damen und Herren hinter der Theke bei Butter Lindner. Und die Jungs von der BSR. Ich liebe, ehre und achte euch. Und alle Bus- und Taxifahrer. Und die ganzen anderen, die dauernd irgendetwas machen, damit Berlin funktioniert. Ich schließe alle Köche, Bäcker, Lieferanten, Kellner, Sanitäter, Handwerker, Montierer, Installateure, Pförtner, Friseure, Verkäuferinnen, Regaleinräumerinnen und Reinigungskräfte in mein Gute-Nacht-Gebet ein. Heute, morgen und immerdar. AMEN.

creature - Fr, 13. Jan, 10:19

so sehe ich es auch, du hast es gut in buchstaben gekleidet.
mein dank und wertschätzung geht auch an musiker, schriftsteller und andere künstler die mein auge, meinen geist, mein herz berühren.

g a g a - Fr, 13. Jan, 18:44

Oh ja, Seelenfutter produzieren ist ebenfalls eine wichtige, hoch geschätzte Arbeit. Musik, Tanz, Malerei, Film, Fotografie, Dichtkunst. Oder auch die Schneiderkunst. Auch sehr wichtig. Ich habe einmal sehr schöne Dokumentationen über die Vorbereitung hinter den Kulissen der großen Schauen von Gaultier und Lagerfeld gesehen. Die Näherinnen und Stickerinnen hinter den Kulissen waren sehr wichtig in dieser Dokumentation. Und es war sehr schön zu sehen, welchen großen Respekt und welche Treue die beiden Couturiers ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entgegenbringen, über viele Jahre hinweg. Man würde am liebsten nur noch Haute Couture kaufen, bis ins kleinste Detail französische Handarbeit. Sagenhafter Aufwand. Und am Schönsten war, die Gesichter der Schneiderinnen zu sehen, als sie die Kleider das erste mal auf dem Laufsteg bewundern konnten. Kleider, an denen sie noch bis wenige Minuten vor Beginn der großen Schauen aufwändige Änderungen vorgenommen hatten. Jedes Kleid war ihr Baby. Manche hatten Tränen in den Augen, als sie den Applaus des hochkarätigen Publikums hörten, versteckt im Hintergrund. Mir kamen auch gleich die Tränen. Eigentlich sollten nach jedem Defilée auch die ganzen Handwerkerinnen auf die Bühne. Ich glaube, die erste Schneiderin wird auch manchmal dazu gebeten. Ich weiß es aber nicht genau.

Künstler, die wirklich Berührendes erschaffen, erhalten in aller Regel zumindest eine Form von Respekt oder Bewunderung, die mit einem Nimbus einhergeht, der in gewisser Weise erhebend ist, eine elegantere, schickere Schublade für das Selbstwertgefühl bereithält, als die reiner handwerklicher oder dienstleistender Berufe. Ich betone deswegen gerne meinen tiefen Respekt für diese vermeintlich einfachen, als unkreativ und manchem als schlicht geltenden, aber für uns alle so existentiell wichtigen Berufe. Für den kosmischen Ausgleich. Weil wir uns gegenseitig so sehr brauchen. Ich mag da keine Hierarchie. Mir ist ein Dirigent der Berliner Philharmoniker nicht mehr und nicht weniger wert als die Dame, die die Waschräume in der Philharmonie pflegt. Allerdings ist mir elitäres Denken nicht fremd. Das bezieht sich aber nicht auf Statussymbole oder Schulbildung oder Berufswahl oder Akademikertum oder familiäre Herkunft, sondern auf Herzensbildung. Da habe ich am liebsten mit der Oberliga zu tun.
Au-lait - Mo, 16. Jan, 12:18

Nichts als immer wieder "Genau so!" möchte ich zurufen.
g a g a - Mo, 16. Jan, 22:16

So als einsame Ruferin im Wald ist man für jeden Zuspruch dankbar. Ich bin immer irritiert, um nicht zu sagen befremdet, wenn ich als Argument zur Verteidigung der Höhe von Akademiker-Gehältern im Vergleich zu niedriger eingestuften Erwerbstätigkeiten höre: "Die mussten ja schließlich auch lange dafür studieren und das ist nur der gerechte und angemessene Ausgleich für den späten Einstieg ins Berufsleben, wegen des langwierigen Studiums. Der Verzicht während der armen Studienjahre und die versäumten Rentenversicherungsbeiträge müssen ausgeglichen werden. Und "außerdem... (hört man auch nicht selten) "...gehört da ja wohl schon auch ein bißchen mehr dazu, als beim Bäcker die Schrippen zu zählen oder beim Fleischer den Aufschnitt abzuwiegen. Oder bei Aldi Lebensmittel scannen, weil's eben nicht für mehr gereicht hat."

Der galoppierende Standesdünkel. Dann denke ich immer, wahrscheinlich beziehen Menschen, die sich nicht blöd vorkommen, derlei auch noch ungeniert laut auszusprechen, ihr komplettes Selbstwertgefühl aus ihrem bildungsbürgerlichen Hochschulstudium. Nimmt man ihnen ihr Diplom und ihr angelesenes Wissen weg, fällt das elitäre Kartenhaus in sich zusammen. Klapp. Ein Häufchen Papier.

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