24. September 2012



Heute nach ungefähr zwölf Jahren wieder eine Frau getroffen, mit der ich früher arbeitsmäßig zu tun hatte. Wir haben immer gerne miteinander geplaudert, um nicht zu sagen geblödelt. Mit einem gewissen Lauern im Ton fragt sie mich "Und? Inzwischen mal geheiratet?" Ge-was? "Geheiratet?" Ich merkte währenddessen, während mich das Befremden einholte, wie ich selbst von meinem Befremden befremdet bin. Warum verwundert mich die Frage so maßlos? Als wäre ich von einem anderen Stern, wo Heiraten nur einer ganz selten vorkommenden Spezies vorbehalten ist. Na ja, wie auch immer. Sie selber ist verheiratet, aber hat die eine oder andere Anmerkung gemacht, die ahnen lässt, dass das Gegenteil für Sie mit fortgeschrittenen Jahren auch nicht unerstrebenswert erscheint. Ich bin da ganz undogmatisch. Ich wollte schon zigmal heiraten. Also nicht praktisch, nur so romantisch-theoretisch angeträumt. Ist aber nie dazu gekommen. Ich habe es auch nie forciert, nie etwas in den Raum gestellt. So konkret war es dann letztlich auch nicht gemeint. Ich habe nach wie vor kein Dogma und kann mir sogar vorstellen, dass ich mich erst mit Hundert so weit fühle, wenn man eben denkt, es passt. Oder halt auch nicht.



Ganz bestimmt ist es eine meiner größten persönlichen Lebensleistungen, dass ich so viele tradierte, an mich gerichtete Erwartungshaltungen ohne Nachwehen abgeschüttelt habe. Bei anderen durchaus mit Wehen verbunden, tatsächlich am wenigsten bei mir. Was schreibe ich da nur. Aber so ist es. Am allerwenigsten beneide ich meine Mitmenschen um die engen Verstrickungen in traditionelle, familiäre Rituale, wenigstens nicht, wenn sie mir den Eindruck vermitteln, als sei das meiste daran eher lästig, ein Opferakt, um des lieben Friedens willen. Das Schwierigste ist, sich selbst begreiflich zu machen, dass man kein schlechtes Gewissen haben muss, nur weil man einen völlig andersartigen Lebensstil vorzieht, in dem kein Platz für gewisse ererbte Traditionen ist, weil das Leben eben sehr kurz ist. Nichts gegen althergebrachte Rituale, aber man muss einen Draht dazu haben, sich darin wiederfinden. Das lässt sich nicht erzwingen und nicht herbeibeten. Das schreibe ich, weil es viel mit mir zu tun hat.



Aber auch, weil ich es bei anderen spüre. Dieses Korsett. Drückende Stäbe über den Rippen, um den Brustkorb. Es ist völlig erlaubt, eigene Traditionen zu erfinden. Für sich selbst, man muss sie nicht einmal an Kinder weitergeben, nicht weitervererben. Man kann sie nur für sich kultivieren. Bloggen als Beispiel. Hauptsache, man hat das Gefühl, es ist eine Tradition, der man sich mit Leib und Seele gerne hingibt, ohne das Gefühl, Lebenszeit zu opfern, und: um sich dabei wenigstens in irgendeiner Form gesegnet zu fühlen. Ein Opfer sollte mit einem Gefühl des Segens an anderer Stelle - oder vielleicht sogar - besser noch - an derselben Stelle - verbunden sein, meine ich. Sonst ist es doch ganz unnütz, oder?

kaltmamsell - Mo, 24. Sep, 21:47

Ihnen würde ich jederzeit eine Hochzeit ausrichten. Am liebsten nur Ihnen.

g a g a - Mo, 24. Sep, 21:56

Das ist eine völlig irrwitzige Vorstellung. Ich heirate mich selber. Wahrscheinlich eine der besten Ideen, die jemand über mich als Braut je hatte. Ich sehe schon die Hochzeitsbilder vor mir. Ich als Braut. Und ich als Bräutigam. Verrückterweise kommt mir diese Phantasie gar nicht besonders verrückt vor. Komisch, ich muss gerade an ein Zitat denken, einen Ausspruch, den Leni Riefenstahl zu Alice Schwarzer gesagt hat: "Ich bin einhundert Prozent Frau. Und einhundert Prozent Mann." Leni hat auch einige Male in ihrem Leben sehr geliebt, aber die größte Liebe, die längste und am wenigsten enttäuschende, war die Hingabe an ihre übrigen Leidenschaften, ihre Berufungen und ihre Entdeckerfreude.
kid37 - Mo, 24. Sep, 23:25

Das letzte Mal, als so etwas im Raum stand, klang die Vorstellung sehr schön. Aber ich war da etwas, öh, arglos. Und dann war der Film auch vorbei, und das Licht ging an. Das fand ich bedauerlich. Jetzt steht das irgendwie außer Frage, also realistisch betrachtet. Das erleichtert andererseits irgendwie. Es nimmt ein wenig den Druck, weil es jetzt sozusagen nachvollziehbare Gründe gibt. Das ist eine interessante Entwicklung in der Eigen- und Fremdbeobachtung.

g a g a - Di, 25. Sep, 11:34

Wenn ich manchmal davon lese oder höre, dass sehr alte Menschen noch einmal heiraten, eher selten ist es ja das erste Mal, rührt mich das oft sehr, mehr als bei jungen Menschen, viel mehr sogar, weil es dann offenkundig ein Symbol tiefer Verbundenheit ist und ein Ausdruck von Lebensfreude, das Leben, das noch bleibt, gerade wenn die bleibende Spanne so überschau bar wird, auskosten zu wollen, die Zeit mit einem erhebenden Ritual zu ehren, zu vergolden. Nicht wegen einer Konvention und natürlich dann auch nicht mehr um einen neuen Familienstammbaum zu begründen. Ich dachte oft, wenn ich sehr verliebt war, jemanden sehr liebte, dass es mir sogar lieber wäre, keine standesamtliche beglaubigte Verbindung einzugehen, die den etwas bürokratischen Beigeschmack eines Vertrages hat, sondern nur ein Hochzeitsritual abzuhalten, ohne die Formel "bis dass der Tod", aber sonst mit allem Drum und Dran. Ein wildes, inniges Ritual in einem phantastischen Hippie-Brautkleid. Wunderbare Dinge sagen, die Liebe bekunden statt beurkunden, mit Gedichten und Musik. Und anschließend gemeinsam weitergehen, ohne weltlich hinterlegt verheiratet zu sein. Ein Hochzeitsfest ohne Bund der Ehe, das fände ich sehr romantisch.

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