12. november 2005

many years.

neil

im sommer neunzehnhundertsiebenundsiebzig, ich war wohl elf, hörte ich heart of gold zum ersten mal im radio und nahm das stück auf meinem kleinen kassettenrecorder auf. ungefähr ein jahr später kaufte ich mir in einem plattenladen meine allererste langspielplatte. es war harvest.

ich hörte sie so oft, bis ich jeden ton und jede zeile in- und auswendig kannte. ich versuchte herauszukriegen, was es mit diesem typen auf sich hatte, für den er the needle and the damage done geschrieben hatte. wenn ich in stimmung für das wehmütige words war, hörte ich es endlos hintereinander. ich wollte zu ihm in den topanga canyon ziehen und ihn heiraten.

mit fünfzehn war ich mit meinem bruder und seinem besten freund im kino und wir sahen rust never sleeps. ich verliebte mich ihn den jungen neben mir, weil er cortez the killer und my my, hey hey genauso liebte wie ich und alle stücke auf der gitarre nachspielen konnte.

im jahr danach trösteten mich an vielen einsamen nachmittagen die ebenso einsamen stücke von on the beach und time fades away mehr schlecht als recht über meinen liebeskummer hinweg. wie oft mag ich wohl see the sky about to rain und the bridge gehört haben. ich weiß es nicht. the bridge we build it now, it may take a lot of time

meine englischnoten waren dem allnachmittäglichen studium seiner texte zu verdanken. ich saß an meinem offenen fenster zum himmel unter dem dach und hörte zum tausendsten mal trasher und pocahontas. oder ich lag auf dem rücken auf dem boden, schaute in die schäfchenwolken und lauschte after the goldrush, als hörte ich es zum ersten mal.

im september neunzehnhundertzweiundachtzig war ich siebzehn geworden und erlebte ihn und crazy horse endlich auf der bühne, und ich fühlte wohl dabei, was tiefgläubige beim gottesdienst empfinden müssen.

ich mochte auch die spätere, eher unscheinbare hawks and doves und ich mochte reactor. ich mochte die seltsame trans und katapultierte mich mit like an inca in entfernte sphären. es gibt nur wenige platten oder stücke, die ich nicht mochte. ich liebte powderfinger und cortez the killer und den barstool blues. und like a hurricane. heute noch.

im sommer, als ich einundzwanzig war, schickten mir meine eltern ein großes paket mit den schallplatten meines toten bruders. aus irgendeinem grund musste ich weinen, weil darin alle platten von neil young waren. jetzt hatte ich alle zweimal. seine harvest sah viel neuer aus.

in den neunzigern verkaufte ich meine vinylschallplatten einem kleinen laden im prenzlauer berg. ich wollte umziehen und ballast abwerfen. ich hatte das gefühl, meine sammlung sei in guten händen gelandet, und so fiel es mir nicht allzu schwer. this note's for you war meine erste cd und ich liebte die samtdunkelblauen töne von twilight und coupe de ville.

manchmal würde ich gerne noch einmal über die alten quadratischen papierhüllen streichen. oder das postergroße hellgraue stück papier, mit den handgeschriebenen texten, das der time fades away beilag, noch einmal auseinanderfalten. es hing in meinem zimmer über dem bett und ich konnte es sehen, wenn ich aufwachte.

zweitausendvier, april. auf dem weg zum southrim des grand canyon, dröhnt aus einem cherokee laut vibrierend neil youngs gitarre, ein wahnwitziges stück aus jim jarmuschs dead man. der jeep cherokee nähert sich dem unglaublichsten stück erde in schritttempo, zeitlupe, und die kraft des vibrierenden echos dieser einzigartigen gitarre macht nur noch größeres herzklopfen. es gibt diese wenigen augenblicke, in denen alles stimmt. ich werde für immer neil youngs gitarre im ohr und im herzen haben, wenn ich an den grand canyon denke. und sowieso und überhaupt.

heute ist sein sechzigster geburtstag.
be the rain.
Raducanu - Sa, 12. Nov, 14:02

Wunderschöne Liebeserklärung an einen ganz großen Musiker. Diesem verzeiht man alles, man liebt ihn gar dafür, selbst für einen Gesang, der oft klingt wie zehn räudige Katzen. Alles Gute, lieber Neil!

kerstin13 - Sa, 12. Nov, 22:25

wie ein roter faden in deinem leben:)

g a g a - Sa, 12. Nov, 22:47

schnitzeljagd zum offenen herzen
a.more.s - So, 13. Nov, 10:38

Schnitzeljagd zum offenen Herzen - ha! (ha = in Tat und Wahrheit Ausdruck einer ehrfurchtsvollen Sprachlosigkeit schon nur wegen dieser einen exquisiten Wendung...) Doch trotzdem, erstens: Parlez-vous français (oui, je crois, si j'ai fait bien attention...), et, zweitens: Wie hindern Sie mich denn nun erfolgreich daran, Ihnen schon wieder was zuzuschicken?! Sie sind einfach unmöglich, Sie! Ich les' jetzt dann nicht mehr bei Ihnen - Sie ruinieren mich noch, Sie!

g a g a - So, 13. Nov, 14:06

je n'ai pas d'idée... im ernst: zuspruch ist ein geschenk. ein großes.
BlueScreen - So, 13. Nov, 21:27

Ja, Neil ist ein ganz Grosser.
Ich verehre ihn seit ca. meinem 13. Lebensjahr.
Seither hat er meinen Musikgeschmack wesentlich beeinflusst.
Kennen Sie eigentlich Grant Lee Buffalo? ;)
Insbesondere "Fuzzy"?

g a g a - So, 13. Nov, 23:02

ich erkenne was gemeint ist. an sich mag ich männergesang nur in einer tiefen, stark vibrierenden tonlage. bei neil young ist es anders. er hat weder ein besonderes stimmvolumen, noch geht er virtuos mit verschiedenen tonlagen um. eher im gegenteil. was ihn ausmacht, ist das, was er weglässt. seine völlig unaffektierte art, mit der er einem die ganze wucht seiner gefühle um die ohren haut. nackt. er liefert sich aus. und damit trifft er mich. tief. das schafft kaum jemand. john cale hat es auch schon ein paar mal hingekriegt. vor allem live. ich habe ihn sehr oft gesehen und noch beim hundertsten mal wird er alle mit seinem heartbreak hotel umbringen. manche schaffen es mit einem stück. nick cave, the one that i've been waiting for. johnny cash, hurt.
kid37 - Mo, 14. Nov, 10:14

Mir gefiel Neil Young lange Zeit überhaupt nicht. Hippiedreck! Gitarrensoli! Country! Und auch Western!

Ich war ein verbohrter Rotzlümmel, das war ich (Ausrufezeichen). Mittlerweile teilen Neil Young und ich ein paar Dinge, und ich bin von den wimmernden Cure zu ehrlichen Arbeitern umgestiegen.

g a g a - Mo, 14. Nov, 13:06

und ich war eine verbohrte rotznase. und deshalb liebte ich seine störrische widerspenstigkeit. schon mal revolution blues gehört? nein? das ist für mich neil young. natürlich mochte ich auch cowgirl in the sand aber das herz hat er mir mit anderen tönen angeritzt.

[ gerade auf den ohren: CHANGE YOUR MIND
you hear the sound | you wait around | and get the word | you see the picture | changing everything you've heard | destroying you with this | must be the one you love | must be the one | whose magic touch can change your mind | don't let another day go by | without the magic touch destroying you | (change your mind) | embracing you | (change your mind) | protecting you | (change your mind) | confining you | (change your mind) | distracting you | change your mind) | supporting you | (change your mind) | distorting you | (change your mind) | controlling you | (change your mind) | change your mind | (change your mind) | change your mind, change your mind | (change your mind) | change your mind | (change your mind) | the morning comes | and there's an odor in the room | the scent of love | more than a million roses bloom embracing you with this | must be the one you love | must be the one | whose magic touch | can change your mind | don't let another day go by

(sleeps with angels 1994) diese gitarre bringt mich noch um. und wenn schon ]
Au-lait - Mi, 16. Nov, 22:12

Seine Koteletten wuchern an den Schläfen noch immer fast so groß wie Rahsegel eines Windjammers, seine ausgeleierten Holzfällerhemden schlabbern - wie immer - ein wenig abgegrabbelt... hachja...

eine großartige Ehrerbietung an einen ganz großen Mann! Famos. Danke.

g a g a - Mi, 16. Nov, 22:21

ha ha! auch danke. ich dachte erst, sie wollten (einen) meine(r)n liebsten ein wenig demontieren.

bei männern mit so viel substanz merke ich solche sachen manchmal erst beim frontalangriff. koteletten sind freilich eine schrecklichkeit ohnegleichen. bei neil young war ich in der tat geschockt, als ich sie schweren herzens als alters-tick zur kenntnis nehmen musste. aber die schönheit liegt zum glück nicht im oberhemd. wie wir ja beide wissen. auf der dvd zu seiner neuen platte hat er überwiegend schwarze t-shirts und hemden an, was sich ja immer gut macht. die kahle stelle am hinterkopf hat mich ein wenig traurig gemacht. aber man muß auch alt werden dürfen, ohne sich dauernd entschuldigen zu müssen.
fressack - Fr, 9. Mai, 23:26

Mit Ihnen, Verehrteste, könnte ich mir die laue, lange Neil-Young-Nacht vorstellen. Mit ein wenig *homegrown* und dazu *Cripple Creek Ferry* als erstem Stück.
Hach.

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