Man hat nicht immer ganz realistische Vorstellungen, was ein gewisses Lebensalter bedeutet. 1992 gab es eine Fotostrecke in der deutschen Vogue mit Vera von Lehndorff ("Veruschka"). Sie trug meiner Erinnerung nach u. a. einen Anzug, vielleicht von Yamamoto, weißes Hemd, flache Schuhe, die Haare glatt und schulterlang. Sehr cool, sehr attraktiv. Damals war sie 53 und ich blätterte die Strecke immer wieder durch und betrachtete die "hochbetagte", von mir zeitlebens verehrte Veruschka wie ein Weltwunder. Sie sah nicht wie ein altes Mütterchen aus, war weder verunzelt noch sonstwie verwelkt und auch nicht jenseits von Gut und Böse. Sie war dynamisch, schön, cool, lässig, hochattraktiv. Als ich fünfzig wurde, stellte ich fest, dass kein Alterungsprozess im Zeitraffer eintritt, der einen alsbald dahinrafft. Ich fühlte mich nicht schwächer oder gebrechlicher als mit vierzig. Natürlich treten biologische Veränderungen ein, aber die sind keine Katastrophe, manche haben sogar Vorteile. In einem Gespräch unter vier Augen mit Jenny, heute vor einer Woche - sie hatte bei sich zuhause wunderbar gekocht, und wir waren unter uns, kam das Gespräch auf verschiedene Legenden, die dieses Lebensalter umranken. Viele denken ja, dass gewisse Gefühlsempfindungen nachlassen. Ich meine nicht die Fähigkeit, sich zu verlieben, sondern das Gesamtpaket. Aus meiner Erfahrung lässt da überhaupt nichts nach. Kein bißchen. Die Einbrüche im Empfindungsvermögen die ich in meinem Leben hatte, waren immer mentaler Natur, was sich dann zeitweise auch körperlich auswirkte. Aber das bleibt nicht ewig. Wenn man sich innerlich wieder berappelt, folgt der Körper mit allen Zellen. Wirklich allen. Dass man keine Panik mehr vor einer ungewollten Schwangerschaft haben muss, ist auch alles andere als ein Beinbruch. Und die paar Hitzewallungen, die ohnehin nicht jede Frau hat, kann man auch wegstecken ohne sich ein Hormon-Potpourri einzuverleiben. Meine Mama hatte kaum aufsteigende Hitze, war aber früher in den Wechseljahren als ich. Ich kenne das durchaus, die plötzliche tropische Hitze im Nacken. Aber das tut ja nicht weh. Ist auch sehr unregelmäßig, kann man wirklich aushalten. Ich nehme gar nichts außer Aspirin, wenn ich mal aus Versehen irgendwo außer Haus doch ein Glas zuviel von keinem Spitzengewächs getrunken habe. Sonst gibt es hier nur Pflaster und Ohropax für die Silvesternacht. Dass
die kleine Lesebrille nun doch immer in Griffweite ist, finde ich mit Abstand am Schlimmsten. Ich hatte doch angeblich laut Augenarzt bei diesen Kontrolluntersuchungen immer 120 Prozent Sehfähigkeit. Seit Ende meiner Vierziger hat sich da doch irgendeine Veränderung eingeschlichen, die ich nicht begrüße. Leider gibt es keine Tabletten gegen diese Sache. Ärgerlich! Da könnte man doch mal forschen. Das bedeutet nämlich auch, dass ich auf dem Display der Kamera nicht mehr ohne Lesebrille erkennen kann, ob ein Bild scharf ist. Ich kann so nicht arbeiten! Aber sonst alles im grünen Bereich. Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
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g a g a - 10. November 2018, 15:13