14. August 2015

Gratuliere, lieber Wim Wenders. Schon siebzig Jahre, allerhand. Wie schnell die Zeit vergeht, man dreht sich um, fährt sich gerade noch schwungvoll durchs Haar und schon sind wieder zehn Jahre vorbei. Weder habe ich alle Filme von ihm gesehen, noch habe ich die, die ich gesehen habe, alle verstanden. Manche Bilder sind hängen geblieben. Natürlich aus dem Himmel über Berlin. Neulich kam auf arte "Der amerikanische Freund" mit Bruno Ganz und Dennis Hopper. Ich konnte rein gar nichts damit anfangen. Weder mit den Dialogen noch mit der verworrenen Geschichte, noch den Figuren. Trotz Respekt für die Schauspieler. Hat mir nicht gefallen. Den Himmel über Berlin finde ich stellenweise auch unerträglich pathetisch, dann wieder zu Herzen gehend. Starke Bilder der Stadt. Das wechselt sehr. Ich mochte teilweise das Video, das er mit Frau Minichmayr und diesem Sänger aus Düsseldorf zu dem sehr schönen Song Auflösen gedreht hat. Vor allem, weil ich das Lied mag und man spürt, dass zwischen den beiden echte Energie herrscht. Aber eigentlich gratuliere ich Wim Wenders viel mehr wegen meiner Eindrücke von ihm aus der Nachbarschaft und manchen kurzen Momenten auf roten Teppichen, wo er befragt wird. Wo ich nebenbei noch niemals dabei war, das hört sich jetzt ja fast so an. Auch haben wir uns noch nie unterhalten, aber ich sehe ihn manchmal mit wehendem Haar und sehr jugendlich wirkend, auf dem Fahrrad hier herumradeln, mit ziemlich viel Tempo. Bestimmt nicht wie ein älterer Herr, der das Eintrittsalter in den Ruhestand überschritten hat. Manchmal sitzt er auch da unten, vor meinem Fenster, beim Al Contadino, wo ich mich nie trauen würde, ihn zu fotografieren. Und wenn er einem mal entgegenkommt, passiert nicht dauernd, aber schon mal, dann schaut er sehr wach und aufmerksam. Ich habe den Eindruck, er interessiert sich für die Welt und was ihn umgibt. Keine Arroganz geht von ihm aus, viel mehr eine außerordentlich komplexe Wahrnehmungsfähigkeit. Er ist mir einfach sympathisch und ich freue mich, dass er auch hier wohnt und dabei so gut geschnittene Anzüge trägt und so interessante Brillen, und immer noch die Haare wirft, als wäre er gerade mal dreißig. Das steht ihm gut und er sollte das unbedingt weiter so halten. Und immer schön Fahrrad fahren und dabei freundlich gucken. Ich wünsche gute Gesundheit und noch viele vergnügte Jahre. Vielleicht ergibt es sich ja doch irgendwann einmal, dass wir ein Schwätzchen halten. Mit Löwen verstehe ich mich ja schon immer sehr gut!

14. August 2015





Zwei Uhr zwanzig. Schon wieder so spät. Es ist einfach meine Zeit, ich wünschte selbst, die würde sich nicht derart spät nachts einfinden. Wenn ich Verabredungen habe, abendliche, nicht nächtliche (die mir mehr (sehr) liegen würden), habe ich immer das Gefühl, mir läuft die Zeit davon. Ich dusche, balsamiere mich ein, tusche meine Wimpern usw. usf., höre Musik. Im Internet (hab gerade versehentlich getippt Hinternet ) schnell noch irgendwas nachlesen, checken, gucken, wieder hängen bleiben. Noch ein Glas trinken. Noch ein paar bestimmte Songs, die mich sehr zuverlässig elektrisieren. Anybody seen my Baby? High Voltage Queen. Schuhe. Welche Schuhe? Stiefel? Doch mal wieder ein Kleid. Ach nein, doch nicht. Schmuck? Ja, aber nein, nicht das. Das andere. Martialischer. Härter. Nicht so nett. Das Zebra-Teil. Das liebe ich, darin fühle ich mich immer richtig. Auf eine nicht zu nette, unopportunistische, autonome Art gut und richtig. Ich war schon angetan, dass Doro in ihrer Einladung "ab 21 Uhr" geschrieben hatte. Nicht diese Kindergeburtstagsuhrzeiten wie bei Eröffnungen. 19 Uhr. Bitte. Da trinke ich meinen dritten Nachmittagskaffee. Und mit dem eigentlichen Trinken versuche ich immer noch nach Einbruch der Dunkelheit zu beginnen. Die ist derzeit bei ca. halbzehn. Dafür bin ich um zwei aber auch noch nicht haltlos betrunken. Was war das nun für eine Party? Mir kommt die Betitelung selbst ein bißchen aus dem Fenster gelehnt vor, weil erneut keine Bilddokumentation entstanden ist. Und auch hier war die Kamera immer in meiner Griffweite. Diesmal waren es nicht zu komplizierte Lichtverhältnisse und auch waren einige Gesichter da, die ich sehr gerne gesehen habe und gerne einmal einfangen möchte. Manche zum ersten mal. Andere gerne einmal wieder. Jedoch alles, jeder Moment schien mir zu privat. Man kann nicht einfach in einer privaten Wohnung, die nicht die eigene ist, und in der man selbst erstmalig zu Gast ist, ohne Aufforderung der Gastgeberin herumfotografieren. Das gehört sich nicht, es sei denn, sie würde es sich wünschen. Sie hätte sich einiges wünschen können und dürfen. Denn sie hatte Geburtstag. Denselben, den ich in knapp drei Wochen habe. Also dieselbe Zahl. Wir sind derselbe Jahrgang, Doro und ich. Dass ich überhaupt dort war, sein durfte, rührte von dem Abend, als Sebastian seine Hochzeit im Circus Lemke feierte. Dort war Doro auch und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, am kommenden Samstag zu ihrer kleinen Geburtstagsfeier zu kommen. Ich hatte sogar sehr Lust, denn immer, wenn ich Doro sehe, so selten das ist, habe ich aus unerfindlichen Gründen ein Empfinden von Vertrautheit und Verbundenheit, als wäre sie eine alte Schulfreundin, mit der man sich an Pferde erinnert, die man früher zusammen gestohlen hat. Ich weiß nicht, ob es ihr ein bißchen ähnlich geht, aber mir geht es so. Was aber nicht dazu führt, dass man von Stund an denkt, man müsste sich nun dauernd verabreden und so schnell wie möglich wieder sehen. Gar nicht. Aber manchmal. Und dann sehr gerne. Ohne Wenn und Aber. Jeder hat so sein eigenes Leben zusammengebastelt, in fünf vollendeten Dekaden. Es gibt Rituale und Verpflichtungen. Schöne und langweiligere. Aber ab und zu kann man nebeneinander in einer schönen Bar oder in einem schönen Wohnzimmer sitzen und gemeinsam laut denken, ein bißchen Telepathie pflegen. Und lachen. An diesem schönen Abend traf ich endlich zum ersten mal Kitty Koma, die mit ihrem Gefährten gekommen war. Eigentlich nur um die Ecke. Wir wohnen alle nicht so sehr weit voneinander entfernt. An ihr war mir gar nichts fremd oder befremdlich. Ich mochte sie sofort, aber irgendwie wusste ich das vorher schon, oder hoffte es zumindest. Modeste war auch da. Und Wortschnittchen. Und Engl, die sich alle drei auf eine schöne Art entwickelt haben. Anne, die auch bei Sebastians Feier im Circus Lemke war, war ebenfalls da, sie hatte ein Kleid mit einem Muster an, das mich total in den Bann zog. Und noch ganz viele andere, die ich nicht kannte. Überwiegend in etwa meinem, unserem Alter. Zehn Jahre mehr oder weniger, da wollen wir nicht kleinlich sein. Mek kam später auch noch, zu meiner allergrößten Freude, denn er ist immer meine Augenweide. Bitte nicht falsch verstehen, viele waren attraktiv anzusehen, aber bei Mek fotografiere ich innerlich immer. Eigentlich filme ich ihn sogar. Aber das ist kein Geheimnis. Wenn er nicht verheiratet wäre, würde ich solche Sachen wahrscheinlich nicht schreiben. Aber ich bin ja jenseits von Gut und Böse. O.k. Nein, Quatsch. Ich bin nicht jenseits von Gut und Böse. Es ist 2:47 Uhr, ich fange an zu faseln. Natürlich trinke ich auch. Das ist normal um diese Zeit, wenn man noch nicht schläft, oder? Blanquette de Limoux. Mek schrieb vor einer Weile einen Eintrag, in dem er diesen Abend erwähnte, vor allem den letzten Abschnitt. Kann man hier nachlesen. Wir saßen in einer sehr kleinen Runde, Mek, Modeste, das Geburtstagskind, noch eine Freundin von ihr und ich, in diesem wunderbaren Berliner Zimmer. So schöner Stuck an der Decke, so behutsam freigelegt, restauriert. Ich habe mich eigentlich wie daheim gefühlt, obwohl mein Daheim ganz anders aussieht. Doro und ich saßen unter einer großen bemalten Leinwand mit Kois, diesen orangeroten Fischen. So ein schönes Bild. Mek hat das Talent, jedes Gespräch, zu dem er stößt, zu intensivieren und in eine interessantere Richtung zu lenken, kommt mir jedenfalls so vor. Ohne ihn hätten wir uns mit Sicherheit keine Sekunde über Sexblogs unterhalten, oder ob es reizvoll sein könnte, über dieses Thema zu schreiben. Irgenwie anders. Weiß der Geier. Nicht so, wie man das kennt. So eindimensional, monothematisch, nicht so tausendmal gelesen und klischeehaft. Wir ließen uns gerne auf seine Gedanken ein. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob wir uns nicht auch auf ein anderes Thema mit ähnlicher Konzentration eingelassen hätten, einfach um der Freude willen, mit dem Intensitätspotenzial seiner und unserer Gedanken zu spielen, ein bißchen herumzujonglieren. Wie auch immer. Es ist spät. Es war spät. Es dämmerte bereits, wir erlebten die blaue Stunde, in dieser schönen kleinen Runde. An diesem Abend wurde nicht getanzt, nicht mit Beinen, aber doch ein bißchen mit und in Gedanken.

12. August 2015

Ich halte mich nicht mehr an die strikte Chronologie der Ereignisse. Aus irgendeinem Grund habe ich mehr Lust, mich mit den jüngeren Ereignissen und Ausflügen zu befassen. Das hier wird wieder ein Eintrag, wo man sich die Bilder selbst dazudenken muss. Denken Sie sich doch mal sechshundert Zeichnungen von sechshundert anonymen Zeichnern und im Anschluss ein paar Aufnahmen von mir und ein paar anderen Menschen. Wieder hatte ich die Kamera dabei. Akku geladen, Objektiv geputzt. Nicht ein Foto gemacht. Aber diesmal lag die Sache etwas anders. Der Abend war nicht so kurz wie neulich in Friedrichshain in der Fotogalerie. Ich muss gestehen, ich wäre von selber nicht auf die Ausstellung der "Anonymen Zeichner" gestoßen. Weil aber mein lieber Freund (und ich sage nicht mehr Bloggerfreund, weil mir das zu schlicht vorkommt und die Sache nicht trifft) Sebastian dort und dabei war, hatte ich Lust darauf. Sogar Lust, etwas zu kaufen. Mir gefiel die Vorstellung, vor so vielen Zeichnungen zu stehen, die Bilder mit den Augen zu scannen und dann vielleicht fasziniert an einem so kleben zu bleiben, dass ich es haben will. Alle Bilder hatten denselben Preis, zweihundert Euro. Ich habe extra darauf geachtet, dass ich genug Bargeld dabei habe. Auf der Internetseite des Projekts sah ich sogar ein ganz bestimmtes Bild, das ich gerne real angeschaut hätte. Leider war es nicht vor Ort.





Ich bin sehr selten in Moabit, äußerst selten. Ich wusste, dass noch wenigstens Elvira, die in Moabit wohnt, dort sein würde. An dem Abend hatte ich Lust, mich nicht schwarzweiß anzuziehen, was ich oft mache. Es widerfährt mir eher, ich fühle mich in schwarzweiß sehr wohl. Kann man auch nicht erklären. Aber wenn ich womöglich ein sehr buntes Bild kaufen würde, wäre es doch schön, wenn ich selber bunt wäre. Man ist ja auch ein Exponat von anonymen Zeichnungen, wenn man so wild gemusterte Sachen anhat. Nie erfährt man, wer den Stoff entworfen, "gezeichnet" hat. Ich hatte also zweihundert Euro im Geldbeutel und noch ein bißchen mehr, um auch was zu trinken kaufen zu können. Und für alle Fälle ein Taxi zu bezahlen (also zurück). Wenn es spät ist, hat man ja oft keine Lust, sich auf irgendwelche komplizierten U- oder S-Bahnverbindungen oder womöglich Nachtbusse einzulassen. Wenn es sehr spät ist und man sehr trunken ist, will man heim und zwar so schnell wie möglich. Auch dieser Abend war ein sehr warmer Sommerabend. Irgendwo musste ich umsteigen, auf dem Hinweg. Wie war das noch? Kommt mir schon wieder vor wie ewig lange her. Es war ein paar Tage vor dem Abend im Löwenpalais, andere Bilder in meinem Kopf überlagern die Kleinigkeiten der Erinnerung. Ich musste jedenfalls zur Turmstraße. Ach ja: vom Rosenthaler Platz bin ich bis Osloer gefahren und dann Richtung Steglitz mit der U 9 bis Turmstraße. So war das. Ein gutes Stück noch gelaufen, aber ich hatte meine schwarzen Reeboks an den Füßen, da kommt es auf hundert Meter mehr oder weniger nicht an. Viele Leute waren vor dem Eingang. Die Raucher, denkt man zuerst. Aber als ich hineinging, kam mir so eine stickig heiße Luft entgegen, viel heißer als draußen und sehr sauerstoffarm, dass wahrscheinlich selbst eine vor der Tür inhalierte Zigarette mehr Sauerstoff transportiert hätte. Ich ging ziemlich schnell durch die Raumfluchten mit den vielen hundert Zeichnungen. Alle sehr klein, meistens nur DIN A 4. Die mich interessierte, fand ich nicht, aber dafür Sebastian, der mit einem Kollegen am Fenster saß. Wir begrüßten uns freudig und ich schaute gleich noch mal weiter, ob ich das Bild nicht doch entdecke. Das von Sebastian hing auch anonym da, wie alle, aber ich habe es nicht entdeckt und zugegebenermaßen auch nicht wissenschaftlich danach gesucht.




An der Theke mit den Getränken war eine kleine Warteschlange, ich haderte, mir etwas zu holen und tat es doch nicht, es war einfach so stickig. Ich fragte noch bei der Kuratorin nach dem Bild, sie erklärte, es wäre aus dem Archiv und nicht da. Ich lief noch mal schnell an allen Wänden vorbei, die Luft wurde langsam wirklich knapp. Eine kleine Zeichnung oder vielmehr ein Bild, zwischen elektrischem Pink und Magenta, es sah aus wie mit Wasserfarben gepinselt, gefiel mir ganz gut, aber es war mir keine zweihundert Euro wert. Dafür war es zu beliebig und mickrig. Viel Amateurhaftes klebte an den Wänden, und darunter eher selten, komplexe, aufwändige Zeichnungen, mitunter von mysteriösen Welten. Im Grunde war Alles und Nichts dabei. Ich hatte genug gesehen. Aus dem Augenwinkel sah ich zufällig die wunderbare Angela Winkler mit einer Freundin an den Wänden vorbeiflanieren, sie guckte sehr konzentriert, als ob sie nach einem bestimmten Bild Ausschau hält und sah außerordentlich gut aus, und wenn ich zum Paparazzen neigen würde, hätte ich sie fotografiert. Aber sie war ja privat dort, nicht um von irgendwelchen Besuchern mit der Kamera gestalkt zu werden. So käme es mir vor, wenn ich die Situation derart ausgenutzt hätte. Ich ging hinaus und war ein bißchen orientierungslos, weil ich Sebastian drinnen nicht mehr gefunden hatte. Gegenüber von der Eingangstür war im Gewimmel eine Bank, auf der saß Konstantin. Konstantin, der Kunstkontakter. Wir begrüßten uns herzlich und wir kamen schnell ins Gespräch. Über alles mögliche. Er hat immer recht bizarre Outfits an. Eine staatstragende Offiziersmütze oder wie man das nennt, ein gelbes T-Shirt glaube ich, und so eine leuchtorange Straßenbauarbeiterhose, wenn ich es recht erinnere. Er taxierte mich von oben bis unten und meinte: "Na ja, du warst ja schon immer eine der wenigen, die avantgardemäßig unterwegs war, immer ganz ausgefallene Sachen an!" Das war aber schon irgendwie anerkennend gemeint, wie ich Konstantin kenne. Er fragte mich Verschiedenes aus der Vergangenheit, auch was bestimmte Verbindungen und Beziehungen angeht, die er zum Teil anders interpretiert hat, als sie waren. Ich staunte, an was für Details und Szenen er sich erinnert. An irgendeinen Moment vor der damaligen Galerie Sakamoto, wo er meinte gesehen zu haben, wie ich und - - - na ja. Unsinn. Egal. Auf jeden Fall offenbar viel Phantasie bei Konstantin im Spiel. Ich musste lachen. Außerdem alles ewig her. Ich erwähnte in dem Zusammenhang, dass ich eine ganze Weile sehr wenig unterwegs war. Wegen Liebeskummer.



Konstantin wetterte "Na siehst du, hättest du damals mich genommen, hättest du keinen Liebeskummer gehabt, selber Schuld!" Das ist so ein wiederkehrendes Geplänkel, dem man nicht zuviel Gewicht beimessen sollte. Sagen wir, Ausdruck einer gewissen Grundsympathie, was mir im übrigen jahrelang nicht klar war. Ich dachte, dass er nicht sonderlich viel von mir hält, aufgrund seiner früheren unterkühlt-autoritären Begrüßungsgesten. Na ja, so kann man sich täuschen. Aber nun weiß ich ja, dass er im Grunde ein weichherziger Mensch ist, der lediglich aus strategischen Gründen auch sehr streng gucken kann. Wir unterhielten uns noch recht ausführlich, über sein Elternhaus und seinen Vater und seine Mutter, seinen Herkunftsort und wie sich seine Eltern kennengelernt hatten. Beide leben nicht mehr. Auch so eine Dynamik, die sich in letzter Zeit wiederholt. Ich beginne mit jemandem ein harmloses, mitunter sogar albernes Geplauder und auf einmal wird daraus ein sehr ernstes Gespräch. Ist mir aber auch nicht unangenehm. Mittlerweile sah ich Elvira vorbeilaufen, sie ging in die Galerie aber sah mich nicht. Nach circa zehn Minuten kam sie wieder raus, ihr Liebster war auch dabei, und auch Sebastian war wieder da. Wir seilten uns in eine in Laufweite liegende Kneipe ab. Noch eine Freundin von Elvira kam dazu und auch noch ein anderer anonymer Zeichner, der sein Bild auf seinem Handy zeigte. Es war mir sogar aufgefallen, weil es so aufwändig und vielschichtig gezeichnet war. Als die Kneipe draußen nicht mehr bediente, zogen wir weiter in einen unheimlich schönen Biergarten, es war schon lange dunkel und wir tranken viel und hatten ein paar gegrillte Spieße und führten an dem langen Tisch lange, vertraute Gespräche. Ich dachte nicht eine Sekunde daran, irgendjemanden fotografieren zu wollen. Es war ja auch viel zu dunkel und man muss nicht jeden lebenswerten Moment als materialisierte Erinnerung bannen. Hat man ja früher auch nicht gemacht. Man erinnert sich auch ohne Kamerabilder an so einen schönen Abend. Das ist also diesmal die Erklärung, wieso es vom ersten August nur ein paar Bilder meiner Garderobe gibt.

10. August 2015












Das Löwenpalais im Grunewald. Letzten Mittwoch war ich da. Es ist die Residenz einer Kunststiftung, der Stiftung Starke, die das Vermächtnis des Vaters an den Sohn war. Eine schöne Idee, Künstlerwohnungen gibt es auch dort. Yoko Ono war auch mal "Artist in Residence" in der Kunststiftung Starke. Ist aber an mir vorbeigegangen. Jedenfalls ergab es sich, dass ich diesen Ort besuchte, weil an dem Abend ein Sommerfest stattfand. Vom Garten mit den Gästen habe ich gar keine Aufnahmen. Aber das hat schon alles seinen Grund. Sicher wird man anhand der Bilder denken: Holla, das ist ja mal ein Ambiente, nicht von schlechten Eltern, hier lässt es sich feiern! Es ist halt immer so eine Sache mit der Klientel. Ich hatte gewissermaßen die Schlußfolgerung gezogen, dass das Publikum in der Stiftung Starke stark den schönen Künsten zugeneigt sein würde, was u. a. auch an der Betitelung der Feier lag, die ich hier aber lieber unerwähnt lasse. Man konnte sich da eigenmächtig auf die Gästeliste setzen lassen, sofern man überhaupt von der Veranstaltung wusste. Ich hatte mir den Weg zur Königsallee im Grunewald ausgeguckt und ausgedruckt. Das Fahrgastinfo der BVG schlug mir vor, bis Westkreuz mit der S-Bahn zu fahren und dann zu laufen. Angeblich 1,2 Kilometer. Mir kam es beim Blick auf die Landkarte, also den Stadtplan, schon recht weiträumig vor, was da mit vorgeblich 1,2 Kilometern avisiert wurde, aber wird schon stimmen. Das ist doch alles von Profis programmiert, die werden das ja wohl wissen. Kann natürlich auch sein, dass hin und wieder die Luftlinie angegeben wird. Aber da muss man sich flexibel zeigen. Während ich am Westkreuz treppauf, treppab den Ausgang suchte, war ich schon recht gut eingelaufen und froh, dass meine Lackstiefelchen um einiges bequemer sind, als sie aussehen. Ich gabelte einen Herrn in arbeitstauglicher Kleidung auf der Treppe auf, der wirkte, als ob er sich auskennt, und hielt ihm meinen gedruckten Plan unter die Nase. Ob es da noch einen anderen Ausgang gibt, wollte ich wissen. "Nein, hier gibt es nur einen, wo wollense denn hin? Ach! Richtung Halensee! Ich muss zum Trabener Steig, meine Richtung, könnse mir einfach hinter her!" "Na gut, dann lauf ich Ihnen hinterher!" "Ist mir auch schon lange nicht mehr passiert, dass mir eine Frau hinterherläuft, dass ich das noch erleben darf! Haha". Er musste dann bei irgendeinem Stellwerk oder was das war, zu seiner Arbeit, Abendschicht. Ich fand mich dann auch alleine zurecht. Wenn man erst einmal das gruselige Westkreuz mit seinem Fahrbahn- und Schienengewirr hinter sich hat, und am Halensee ist, spaziert es sich doch sehr schön. Obwohl es nun nicht mein Ziel war, den Abend mit einem Spaziergang zu verleben. Na gut, hat man es mal gesehen, das ganze Drumherum.





Tolle Villen, tolle Portale, alles sehr schön und lauschig. So hässlich wie das Westkreuz ist, so schön ist die Ecke vom Grunewald. Altehrwürdige, hochherrschaftliche Bauten. Wahnsinnig ruhig. Nur Vogelgezwitscher. Ab und zu ein teures Automobil im Schritttempo. Langsam wäre ich schon gerne angekommen. An einer Bushaltestelle kam ich vorbei. Wie ärgerlich, dort konnte ich feststellen, dass ich nur mit der S-Bahn weiter bis Grunewald hätte fahren müssen und dann zwei Bushaltestellen in die Königsallee, schon wäre ich bequem dort gewesen. Aber nun ja, eine Möglichkeit, die Umgebung zu erkunden. Fotos habe ich dabei nicht gemacht. Endlich kam das Ziel näher. Rechter Hand ein See mit viel Entengrütze drauf, der Dianasee glaube ich. Oder war es der Königssee? Man bringt das dann auch durcheinander. Also ich war ungefähr um kurz nach Zwanzig Uhr oder so da. Eigentlich sehr zeitig. Die Damen, Hostessen nennt man das auch, zwei Stück, hakten die Gästeliste ab und man kriegte noch ein Los für eine Tombola und einen Gutschein für irgendein Getränk, was mit Wodka, der dort promotet wurde. Als ich durch den Garten der Villa in den rückwärtigen Eingangsbereich mit der Freitreppe und der Terrasse ging, hatte ich sehr schnell einen umfassenden Eindruck des Publikums. Ich möchte es so sagen: es ist ein sehr spezielles Publikum gewesen. Finanzielle Engpässe spielen eher keine Rolle, war so mein Eindruck. Sicher wird auch gerne mal ein Kunstwerk gekauft, das sollte schon drin sein. Die Damen waren alle besonders zurechtgemacht. Das kennt man ja auch von irgendwelchen anderen Abendveranstaltungen, aber hier war es irgendwie so ein bißchen wie man es in den Episoden von Kir Royal immer gesehen hat. Wenn Baby Schimmerlos mit seiner Senta in dieses italienische Lokal gegangen ist, Bussi Bussi. Und viele Handtaschen mit Herstellervermerk. Hellroter Lippenstift und sehr brauner Teint. Es waren aber auch sehr schöne Partykleider darunter. Mit viel Paillettenglitzer. Die Frisuren saßen auch sehr gut. Die Herren trugen viel Weiß. Weiße Hemden und auch die eine oder andere weiße Hose. Als ich das Geschehen überblickt hatte, ging ich zum ersten mal in die Villa. Dort freute ich mich über die rosa-violette Opulenz im Salon. Die putzigen Sitzmöbel konnte ich alle durchprobieren, weil es drinnen nicht sehr voll war. Die meisten waren draußen, außer wenn sie was zum Trinken an der Bar holten. Ich holte mir auch was. Ein amerikanisches Bier. Hat mir sogar sehr gut geschmeckt, Überraschung. Heineken heißt es, ganz bekannt, habe ich bisher immer vermieden, aber kann man trinken. Ich grübelte ein bißchen, wo meine Freunde wohl bleiben, denn ich war mit Jan und Ina und Ann verabredet. Die wollten auch kommen und standen doch auch auf dieser Gästeliste. Ich hoffte, dass sie nicht etwa schon da gewesen waren und wieder gegangen sind, weil ihnen das Publikum etwas - - äh - na ja. Nennen wir es beim Namen: suspekt war. Ich überlegte, ich könnte die Hostessen fragen, ob sie die Namen schon abgehakt haben, habe ich auch gemacht. Sie waren aber noch gar nicht da gewesen. Also beschloss ich, mich zu beschäftigen, bis die vertrauten Gesichter hoffentlich noch eintreffen. Ich fotografierte ein bißchen herum, die Löwen, trank mein Heineken und ging wieder durch den Garten, hinein in die Villa, zur leeren Tanzfläche. Guter Sound. Die Bässe und der gute Klang animierten mich, doch nicht einfach abzuhauen, sondern weiter zu warten. Ich beobachtete die Leute und kam mir ein bißchen vor wie in so einer Gesellschaft, wie bei den jungen Royals. Wenn da Hochzeiten gefeiert werden, sehen die Leute auch so ähnlich aus. Adrett und gut betucht und ein bißchen verklemmt und langweilig, aber insgesamt sehr ihrer gesellschaftlichen Relevanz sicher. Es gab einen Flügel und ein Klavier im Salon. Ich hob den Deckel und drückte auf ein paar Tasten, einfach so zum Zeitvertreib. Ich klappte den Deckel wieder zu, eine junge Frau hatte mir zugeschaut und fragte erwartungsfroh, ob ich spielen wollte? Sie hoffte wohl auf ein bißchen Abwechslung und Action. Ich sagte: "ich wollte schon gerne, aber ich kann leider nicht!" Echtes Bedauern zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Mein erstes Bier war gerade leer, als ich mich anschickte, mich wieder einzureihen, für ein zweites Glas Heineken. Da erblickte ich Ann in der Tür, sie kam zur Terrasse rein und ich umarmte sie begeistert. Ob Ina auch dabei wäre? Und Jan? Ja, ja, die sind auch dabei. Sie waren vorher noch bei irgendeiner Ausstellungseröffnung. Ich war wie erlöst. Ina war gut drauf und amüsierte sich mit Ann und mir über das eine oder andere gelungene Outfit der Grunewald-Society. Nur Jan machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. So hatte ich ihn überhaupt noch nicht erlebt. Als hätte er Magenschmerzen. Er war überhaupt nicht in seinem Element, dabei hatte ich gehofft, er könnte Geschmack an dem einen oder anderen Outfit der Damen finden und es ein bißchen dokumentieren. Da war nichts zu machen. Ausgerechnet Jan, der mich erst auf die Idee gebracht hatte, durch seine Bilder, ins Löwenpalais zu gehen, eröffnete mir, er hätte sich hier eigentlich immer schon irgendwie unwohl gefühlt. Na toll. Schön, dass ich das jetzt erfahre, schön, dass wir mal drüber gesprochen haben! Ina und Ann hingegen demonstrierten mir sehr überzeugend ihre Partylaune und versicherten mehrfach, dass sie es sehr amüsant fänden. Ich fand es von da an ja auch sehr amüsant, weil wir hatten ja schließlich uns und wann würde man jemals wieder so eine Veranstaltung aus nächster Nähe sehen können! Wir holten uns Getränke und suchten uns einen netten Platz im hinteren Garten, wo Tische und Sitzmöbel waren. Wir plauschten über Gott und die Welt, es wurde sogar tiefsinnig.









Kann schon mal passieren. Plötzlich kam ein Herr vom Service und kündigte an, dass jetzt die Livemusik anfangen würde und dann wäre gegen zehn die Tomobola. Eine Porsche-Sonnenbrille und eine Porsche-Armbanduhr gab es zu gewinnen. Mittlerweile war Jan einfach abgehauen, es war ihm zu blöd, er sagte nicht mal Bescheid. Wir alberten dann zu dritt herum, dass wir ihm ja als Trostpreis unsere gewonnenen Porsche-Brillen und Uhren schenken könnten. Wir haben viel gelacht. Also nicht wegen Jan, sondern weil wir uns gut unterhalten haben. Weil wir uns so verquatscht haben, sind wir zur spät zur Tombola in den großen Saal, die Leute kamen uns schon alle entgegen. Wir waren genau fünf Minuten zu spät. Alle Preise waren vergeben. Ein Mann, den ich fragte meinte, alle die aufgerufen waren, waren auch da und haben Preise abgeholt. Demzufolge hatten wir drei also alle Nieten! Aber jede Niete hatte eine Nummer. Ich hatte glaube ich 187. Niete Nummer 187! Also keine Porsche-Armbanduhr für Jan. Dumm gelaufen. Aber als sich der Saal leerte, legte die Sängerin richtig los. Sie gab einfach alles. Ein langes, enganliegendes Kleid hatte sie an, mit silbernen Pailletten von oben bis unten. Sie hat geglitzert wie eine Disco-Kugel und wenn man nicht so genau hingeschaut hat, hätte man denken können, es ist Mariah Carey. Aber zwanzig Jahre früher. Sie hat viele Songs sehr gut performt. Ja, man könnte sagen, sie hat alles gegeben. Besonders ein Lied von Amy Winehouse hat sie sehr gut hingekriegt. Es gab aber auch so Sachen von Tina Turner, "Private Dancer" und den "Happy"-Song. Wir drei hatten die Tanzfläche fast für uns. Die Grunewald-Society hatte es nicht so mit Tanzen, aber wir dafür umso mehr. Ich hatte inzwischen schon mein viertes Heineken und fühlte mich sehr rhythmisch, wie ich da so mit Ina und Ann herumkasperte. Es war richtig schön. Lag jetzt aber nicht unbedingt am Konzept des Veranstalters und der Löwenvilla, sondern wahrscheinlich mehr an uns. Und natürlich am Heineken.




g a g a
Nora Sturm Ich hab...
20.10.25, 10:24
g a g a
Nora Sturm Der Charme...
20.10.25, 10:23
g a g a
Margarete 18. Oktober...
18.10.25, 19:34
g a g a
Sebastian Rogler Wie...
17.10.25, 01:19
g a g a
Margarete 16. Oktober...
16.10.25, 10:33
g a g a
Margarete 15. Oktober...
15.10.25, 20:44
g a g a
Margarete 15. Oktober...
15.10.25, 02:35
g a g a
Margarete 1. September...
14.10.25, 18:08
g a g a
Cosima Wald Sieht...
14.10.25, 15:07
g a g a
Jan Sobottka Ja, das...
13.10.25, 21:06
g a g a
g a g a
Keine Spätschäden,...
11.10.25, 20:10
g a g a
g a g a
ANH 11. Oktober 2025...
11.10.25, 18:41
g a g a
Auf jeden Fall kein...
11.10.25, 18:33
kid37
Muss das alles noch...
11.10.25, 18:28
g a g a
Nora Sturm Vielen...
11.10.25, 18:28
kid37
Oha. Hoffe, es ist...
11.10.25, 18:26
g a g a
Margarete 11. Oktober...
11.10.25, 14:25
g a g a

21.47
a
April
april 2004
april 2005
april 2006
april 2007
april 2008
April 2009
April 2010
April 2011
April 2012
April 2013
April 2014
April 2015
April 2016
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren