16. März 2015







Hell soll nun ein Lied erschallen;
weit hinaus ins Land soll´s zieh´n.
Preis der Herrlichsten von allen
Alma Mater von Berlin.
Und wenn and´re jubelnd singen,
preisen Täler, Berg und Höhn,
dann soll unser Lied erklingen
unserem alten Spree-Athen.




Wo wird mehr der Speer geschwungen,
tiefer in das Glas geblickt,
schönrer Frauen Hold besungen
die ein Burschenherz entzückt.
Wo kann frohere Gesellen
in der weiten Welt man sehn,
als da wo die grünen Wellen
zieh´n durchs alte Spreeathen.




Akropolis adieu
Ich muss geh'n,
die weißen Rosen sind verblüht
was wird gescheh'n?
Ich wär' so gern geblieben
Akropolis adieu





Ein fremder Wind weht übers Meer,
und morgen sind wir schon allein.
Komm lass' uns tanzen,
vergiss die Sorgen.
Es wird vielleicht nie mehr so sein.




Will sich Herz und Geist erlaben,
wenn der Alltag sorgen schafft.
Aus der Fülle deiner Gaben
spendest stets du Wunderkraft
Und wenn die Linden blühen -
Kinde! Nein! Was ist das schön.
Dann als Bursche stolz zu ziehen
durch das alte Spreeathen.






Auf drum lasst die Gläser klingen.
Heil Berlin! Dir gilt mein Trunk.
Flieht die Zeit auf schnellen Schwingen,
in dir bleibt man ewig jung.
Und muss ich von dir einst scheiden,
ruf ich dir auf Wiederseh'n.
Sei gegrüßt in allen Zeiten
du mein altes Spreeathen.





Kehr als alter Herr Frau ich wieder
in die Musenstadt zurück,
in den Kreis der lieben Brüder
lenk ich eilends meinen Schritt.
Und dann soll´n die Becher kreisen,
bis dass früh die Hähne kräh'n.
Und in Liedern will ich preisen,
dich mein altes Spreeathen.

Otto Lob, 1899, Georg Buschor, 1971



Alte Nationalgalerie

12. März 2015






Das Selbstportrait von ihr, mit dem die Ausstellung beworben wird, war vermutlich aus den Fünfziger oder Sechziger Jahren. Da sie nicht sehr modebewusst gekleidet war, kann es auch sein, dass das Bild in einer Zeit entstanden ist, in der die Mode schon um einiges weiter war. Eine Ausstellung, Ausstellungseröffnung, in der die Fotografin nur als Jahrzehnte altes Selbstportrait präsent ist. Es kann nur gemutmaßt werden, ob sie den posthumen Ruhm gemocht hätte. Wahrscheinlich doch. Sie hat ja ein paar wenige, aufwändige Abzüge von Fotografien anfertigen lassen, mit genauen Angaben zur Papierqualität und so weiter, also ging es ihr nicht nur um den Prozess des Einfangens eines Bildes. Irgendwie ein seltsamer Bruch oder eine Leerstelle, wenn nicht einmal ein irgendwie befugter Erbe oder beauftragter Verwalter eines solchen Nachlasses zugegen ist. Reden werden gehalten, aber ich konnte keine Aufmerksamkeit dafür aufbringen, was an den Rednerinnen selbst lag, eine Sammlerin und noch jemand. Das Willy-Brandt-Haus macht ganz interessante Ausstellungen, immer wieder, der "Freundeskreis". Aber wenn ich ehrlich bin, werde ich mit der Architektur des Gebäudes nicht warm, auch die Lage ist irgendwie... na ja. Eine Ecke, in der ich nicht wohnen möchte. Durch das viele Glas des Gebäudes, muss man Flächen für die Hängung durch Stellwände erzwingen, was schon zeigt, dass es sich nicht ursächlich um ein Gebäude handelt, das für Ausstellungen konzipiert ist. Das stehen dann so rechtwinklig, wie vom Reißbrett, die Wände, und die Bilder hängen in etwas phantasieloser Anordnung wie in der Straße der Besten nebeneinander. Die Abzüge sind ganz schön geworden. Viele gelungene Aufnahmen mit gewissermaßen versteckter Kamera, der diskreten Art der doppeläugigen Rolleiflex. Ich habe mich ein bißchen berappeln müssen, um hinzugehen, weil ich mich wie verkatert fühlte, ohne nennenswert viel getrunken zu haben, am Abend zuvor. Dann hat mich Jan irgendwie in einem kurzen Mailaustausch doch motiviert und ich wollte das ja auch sehen.














Nach den Reden und der Eröffnung der Ausstellungsetage wurde noch der berühmte Dokumentarfilm gezeigt, den ich ja schon vom Kinobesuch kannte. Jan war auch nicht in Laune, um mucksmäuschenstill einen Film in der großen Halle zu gucken, und so sind wir noch etwas trinken gegangen, da bei dem Theater in Kreuzberg, im WAU. Ich habe eine Kartoffelsuppe mit gebratenem Speck gegessen und ein Bier getrunken. Jan nur Bier, ich glaube ein alkoholfreies Weizenbier, habe gar nicht gewusst, dass es das gibt. Bin ich aber auch nicht die Zielgruppe dafür. Weder mit noch ohne Alkohol. Die Kellner waren unheimlich nett. So nett, dass Jan fast schon irritiert war: "Warum sind die denn so nett zu uns? Die scheinen sich ja total zu freuen, dass wir hier sind!" Ich hatte ja mein Fotomäntelchen an, das schon in der Warteschlange und der Ausstellung für interessierte Erheiterung gesorgt hatte, so auch im Lokal, nehme ich an. Und mit meiner schicken High End-Stoff-Kamera (analog) habe ich sicher auch wahnsinnig professionell gewirkt. War vielleicht ganz gut, dass Vivian Maier nicht persönlich da sein konnte, sie hätte sich vielleicht geärgert, dass meine Kamera mehr Aufsehen erregt als ihre eigene. Irgendwer muss ja für ein bißchen Unterhaltung und Entertainment sorgen. Schließlich wissen wir alle, dass Ausstellungseröffnungen wahnsinnig langweilig sein können, auch wenn tolle Sachen an der Wand hängen. Wenn man selbst für die Unterhaltung sorgt, hat man das geringste Problem, dann ist es nämlich ganz wurscht, wo man ist.





















Mit der Kamera kann man übrigens nicht nur ganz außergewöhnlich gute Bilder (vor allem Selfies) machen, sie hat auch noch Platz für Portemonnaie und Taschentuch. Habe ich neulich auf dem Wochenmarkt gefunden, da zwischen der S-Bahn und den Hackeschen Höfen. So eine hochwertige, analoge Profi-Multifunktionskamera ist doch noch mal eine ganz andere Liga!

08. März 2015




Noch einmal Nikolaiviertel. Im Knoblauchhaus, dem längst erhaltenen, ältesten Bürgerhaus in dieser Ecke von Berlin, erbaut im Jahre 1759. Heute beherbergt das Haus eine Ausstellung, die sich dem Berliner Leben im Biedermeier widmet. Der Eintritt ist frei und es gibt außer schönen alten Möbeln - unter anderem dem Bett, in dem der weltberühmte Alexander von Humboldt gestorben ist, und Gebrauchsgegenständen, auch etwas Kurioses, das alleine schon den Besuch wert wäre. Im obersten Stockwerk ist neben einer Schneiderpuppe mit einem Biedermeier-Anzug für den Herren, ein Gefährt, ein Laufrad, das die schöne Bezeichnung Draisine trägt. So etwas habe ich überhaupt noch nie in echt gesehen, höchstens auf irgendwelchen sehr alten Zeichnungen. Man hat sich mit den Füßen vom Boden abgestoßen, es ist der Vorläufer des Fahrrads, das erste Fortbewegungsmittel auf zwei Rädern der Menschheitsgeschichte. Ein bildschönes Teil. Aber der Anzug daneben hat mir auch gut gefallen, besonders das Hemd mit dem plissierten Kragen. Das ist sehr kleidsam, nicht nur für den Herren. Das Kleid für die Dame hingegen hat es mir weniger angetan. Sehr schön waren auch die Spielsachen, das Spielzeugpferd und die Kaffeetassen mit dem Golddekor. Und die knalligen blauen Wände im Kontrast zu dem warmen Farbton des Holzes. Der eine Herr, der neben zwei Damen Aufsicht gemacht hat, und überaus gesprächig und gut gelaunt war, hat mir versichert, dass der Kurator der Ausstellung wiederum ihm versichert hat, dass das Blau der Wände genau der damaligen Mode im Biedermeier entsprach, es war genauso kräftig und leuchtend, wie wir es dort sehen. Ich fand die Farbe enorm intensiv, geradezu ein elektrisches Blau. Ich habe ins Gästebuch geschrieben und extra die Aufsichten gelobt, weil sie enorm hilfsbereit und auskunftsfreudig waren und auch viele Späßchen gemacht haben. Man konnte sich gleich wie daheim fühlen, im Biedermeierhäuschen. Obwohl die Epoche der Erbauung ja Rokoko war, aber das ist jetzt auch egal. Es ist sehr schön. Man kann interessante Licht- und Farbstimmungen mitnehmen. Und wie gesagt - eine echte Draisine bewundern. Das Wort habe ich erst gelernt, ich habe es vorher nicht gekannt. Ich glaube auch nicht, dass wir die Entwicklungsgeschichte des Fahrrads seinerzeit in der Schule durchgenommen haben. Oder ich habe aus dem Fenster geguckt und war in Gedanken woanders. Auf jeden Fall hat das Gefährt eine enorme Aura! Wie eine Requisite aus einem Jules Verne-Film, wie so eine kleine Zeitmaschine. Ganz, ganz supertoll!





Ich bin dann über die bildschöne kleine Wendeltreppe wieder nach unten gegangen und eine Tür weiter, in den winzigen Museumsshop, dort habe ich noch einmal richtig Touristin gespielt und mir sogar überlegt, ob ich ein Souvenir kaufe. Es gab unter anderem ganz kleine Spieluhren mit Jugendstilbildchen, die moderne Lieder in der Spieluhrversion spielen. Zum Beispiel My Way. Oder war es Strangers in the Night? Ich habe alle durchprobiert und die ältere Verkäuferin hat mich angefeuert, dass ich schneller kurbeln muss, damit der Rhythmus stimmt! Das war ganz lustig. Aber gekauft habe ich keine, weil ja so eine Spieluhr nicht so richtig viel mit dem Knoblauchaus zu tun hat. Außerdem gibt es dort ganz viele Bildbände von dem alten Berlin, mit Schwarzweiß-Fotos von vor der Zerstörung im zweiten Weltkrieg. So eins habe ich aber schon. Man denkt, man blättert durch einen Bildband über Paris oder Wien. Traurig-schön, so ein Bildband über das alte Berlin. Auf jeden Fall war das mein letzter Programmpunkt im Nikolaiviertel an dem Tag. Ganz schön viel gesehen! Wer hätte das gedacht. Und jetzt, daheim, habe ich erst einmal - überhaupt zum ersten mal - nachgelesen, woher eigentlich der Begriff "Biedermeier" kommt, nämlich - Achtung - aufgepasst...






"Der Begriff Biedermeier geht zurück auf die fiktive Figur des treuherzigen, aber spießbürgerlichen Gottlieb Biedermaier, die der Jurist und Schriftsteller Ludwig Eichrodt und der Arzt Adolf Kußmaul erfanden und unter dessen Namen in den Jahren ab 1855 in den Münchner Fliegenden Blättern diverse Gedichte veröffentlicht wurden. Entstanden war der Name aus zwei Gedichten mit den Titeln Biedermanns Abendgemütlichkeit und Bummelmaiers Klage, die Joseph Victor von Scheffel in diesem Blatt 1848 veröffentlicht hatte. Der fiktive Herr Biedermeier war ein dichtender schwäbischer Dorflehrer mit einfachem Gemüt, dem seine kleine Stube, sein enger Garten, sein unansehnlicher Flecken und das dürftige Los eines verachteten Dorfschulmeisters zu irdischer Glückseligkeit verhelfen. In den Veröffentlichungen werden die Biederkeit, der Kleingeist und die unpolitische Haltung großer Teile des Bürgertums karikiert und verspottet. Allerdings hat der revolutionäre Dichter Ludwig Pfau bereits 1847 ein Gedicht mit dem Titel Herr Biedermeier verfasst, das Spießigkeit und Doppelmoral anprangert. Nach 1900 wurde der zunächst negativ konnotierte Begriff Biedermeier eher wertneutral aufgefasst, er stand für eine kleinbürgerliche Kultur der Häuslichkeit und der Betonung des Privaten. Die Nutzung als Epochenbezeichnung entwickelte sich ab Ende des neunzehnten Jahrhunderts." (...usw.)




















Und hier ist das überraschend zeitlose Gedicht von Ludwig Pfau.

Herr Biedermeier

Schau, dort spaziert Herr Biedermeier
Und seine Frau, den Sohn am Arm;
Sein Tritt ist sachte wie auf Eier,
Sein Wahlspruch: Weder kalt noch warm.
Das ist ein Bürger hochgeachtet,
Der geistlich spricht und weltlich trachtet;
Er wohnt in jenem schönen Haus
Und - leiht sein Geld auf Wucher aus.

Gemäßigt stimmt er bei den Wahlen,
Denn er missbilligt allen Streit;
Obwohl kein Freund vom Steuerzahlen,
Verehrt er sehr die Obrigkeit.
Aufs Rathaus und vor Amt gerufen,
Zieht er den Hut schon auf den Stufen;
Dann aber geht er stolz nach Haus
Und - leiht sein Geld auf Wucher aus.

Am Sonntag in der Kirche fehlen,
Das wäre gegen Christenpflicht;
Da holt er Labung seiner Seelen -
Und schlummert, wenn der Pfarrer spricht.
Das führt ihn lieblich bis zum Segen,
Den nimmt der Wackre fromm entgegen.
Dann geht er ganz erbaut nach Haus
Und - leiht sein Geld auf Wucher aus.

Acht! Wandrer, die gen Westen streben!
Wie rühret ihre Not sein Herz!
Wohl sieht er sammeln, doch zu geben
Vergisst er ganz in seinem Schmerz.
“Ihr Schicksal ruht in Gottes Händen!“
Spricht er - dann geht er auszupfänden,
Nimmt einem Schuldner Hof und Haus
Und leiht sein Geld auf Wucher aus.

Den einzgen, hoffnungsvollem Sprossen -
Denn nicht mehr, das wäre Überfluss -,
Den hält er klösterlich verschlossen:
Die Sünde stammt ja vom Genuss.
Die Mutter führt ihr Küchlein sittig
Wie eine Henne unterm Fittich;
Sie sorgt für strenge Zucht im Haus
Und - leiht ihr Geld auf Wucher aus.

O edles Haus! O feine Sitten!
Wo jedes Gift im Keim erstickt,
Wo nur gepflegt wird und gelitten,
Was gern sich duckt und wohl sich schickt.
O wahre Bildung ohne Spitzen!
Nur der Besitz kann dich besitzen -
Anstand muss sein in Staat und Haus,
Sonst - geht dem Geld der Wucher aus.


Ludwig Pfau 1847





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