11. Juni 2014




Delikatessen im Speisezimmer. Ich fahre mit der Handfläche vorsichtig über die Tapete mit der tausendfach vervielfältigten, urtümlichen Fruchtbarkeitssilhouette, um zu verifizieren, ob es sich nach dem anfühlt, wonach es aussieht: Wildseide. Es sitzt sich exzellent in dem gepolsterten Sessel in der Ecke. Die übrigen Fauteuils sind dicht unter die Glasplatte des ovalen Esstischs geschoben. Wie eine geschlossene Muschel steht er da. Ich lese, dass in dem Raum das frühere Badezimmer des Architekten Otto Wagner verortet wird. Als Ernst Fuchs Anfang der Siebziger Jahre die Villa erwarb, war sie seit Jahrzehnten dem Zahn der Zeit ausgeliefert. Die architektonischen Elemente hat er restaurieren lassen, die gegenwärtige Einrichtung, die Wandbespannung und Möblierung trägt seine eigene Handschrift. Als wir die Räume betraten, gab mir die Assistentin eine kleine bebilderte Fibel mit auf den Rundgang durch die Räume, von der ich später ein Exemplar kaufte. Wie die Räume heißen und wie ihre Geschichte ist, habe ich erst viele Tage später, zurück in Berlin, nachgelesen. Das brachte mich auch auf den Gedanken, nicht alle Bilder aus der Villa in eine Strecke zu zwingen, sondern all den Räumen Raum zu geben. So ist das. Ganz wundervolle Sitzmöbel. Ungeheuer aufwändig in jedem Detail. Alles wurde mit Bedacht gewählt, angeordnet, in diesem Universum. Rhythmisch, nach Regeln der Musik. Das sage ich einfach so, obgleich ich keine Noten lesen kann und nur äußerst rudimentär mit Harmonielehre befasst habe.







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10. Juni 2014










"Die Sprechstund' halt' ich niemals ein, ein Diplomat muss schweigsam sein! Die Akten häufen sich bei mir, ich find' es gibt zu viel Papier; ich tauch die Feder selten ein. Und komm doch in die Tint' hinein! Kein Wunder wenn man so viel tut, dass man am Abend gerne ruht, und sich bei Nacht, was man so nennt, Erholung nach der Arbeit gönnt! Da geh ich ins Maxim, dort ist es sehr intim, ich duze alle Damen, ruf' sie beim Kosenamen: Annette, Babette, Roro, Morette, Lisette, Lollo. Sie lassen mich vergessen, das teu're Vaterland! Dann wird champagnisiert, und häufig pamponiert. Und geht's an's Kosen, Küssen, mit allen diesen Süßen; Annette, Babette, Roro, Morette, Lisette, Lollo. Dann kann ich leicht vergessen, das teu're Vaterland!" ( usw. usf. )

Aha. So geht der Text. Also ein Fragment, das zentrale. Davor kommt ja noch mehr - egal! Schau schau, der Lehár Franzi. Freiheit des Bloggens! Vor zehn Minuten hat mich Franz Lehár überhaupt noch nicht beschäftigt, und ab sofort, also gleich danach, wohl auch nicht mehr. In Wahrheit habe ich beim Anfertigen des Blogeintrags hin- und her überlegt, ob ich ein Bild aus der Reihe hineinnehme, wo Duke vermeintlich einen Schal aus schwerem Damast umgeworfen hat, und beim Anblick unverzüglich Johannes Heesters im Ohr habe, mit seinem Evergreen "Heut geht ich ins Maxim, dort bin ich sehr intim" (wie ich meinte). Der Text geht ja ein bißchen anders, aber ähnlich, sehr ähnlich. Also halte ich Ausschau nach dem Text. Überblicke den ungeahnten Umfang, lese "Lehár - Lustige Witwe (ja ja sicher, schon gehört, oft!) - Wien". Passt ja. Was soll man schreiben, unter Kaminzimmer-Bildern aus der Fuchs-Villa. Was soll ich schreiben? Von abermaligem Beeindrucktsein? Von den weltberühmten, monumentalen Bleistiftzeichnungen? Unserem Eintrag im Gästebuch? Ich schreibe also, dass ich bei dem Schal, der in Wahrheit ein Fenster-Schal war, an dieses kleine Lied denke. Offenbare meinen Subtext, das Unsachliche, während mein Blick über die Bilder streift. Tatsächlich finde ich ja, dass Duke absolut einen Schal aus Damast in seinem Boudoir oder Schrankkoffer - oder wo auch immer - haben sollte. Und einen Zylinder. Auch wenn er derzeit nicht ins Maxim geht. Wobei der übrige Text schon wieder erstaunlich gut passt. Und nun machen Sie irgendwas aus der Lektüre meines Eintrags zum Kaminzimmer der Villa Fuchs.

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09. Juni 2014





So ein Visconti-Gefühl stellt sich ein. Welches Jahrhundert? Wo sind wir? Ich weiß es nicht. Gleich kommt der junge Helmut Berger durch die Flügeltür zu uns in den Großen Salon. Er zieht eine kleine, verächtliche Schnute, weil in der Kristallkaraffe mit dem alten Cognac nur noch eine kleine Pfütze ist, die gerade den Boden bedeckt. Das muss das Personal doch bemerken. Nun gut. Wir sagen nichts. Helmut setzt sich in eines der zierlichen Art Nouveau-Sesselchen, schlägt die Beine in hohem Bogen übereinander und zündet sich eine Zigarette an, die er ein bißchen affektiert zwischen Zeige- und kleinem Finger hält. Bei jedem anderen wäre man genervt von einer derartigen Haltung, aber bei Helmut ist es anders. Es passt einfach zu ihm, zu seinen virtuosen Extravaganzen. Dafür lieben wir ihn. Nein, jetzt lieber doch keine Musik. Wir lassen ihn besser eine Weile alleine, er muss sich erholen, der gestrige Abend war sehr lang, ein bißchen arg viel Champagner vielleicht. Mit schweren Lidern, dem Blick eines Reptils, das absolut alles gesehen hat, streift sein Blick durch die großen Fenster zur Terrasse und bleibt am Arsch der dicken Frau hängen. Nur ein wenig erholen, etwas ausruhen. Wir verständigen uns wortlos und gehen behutsam nach nebenan, ins Kaminzimmer.



















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