In diesem Raum war ich ohne meine Begleitung. Alleine wegen der Tapete sollte man jenen kleinen Raum besuchen. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Er befindet sich auf der Ebene der Räume, durch die wir vorher flanierten. Die Treppe nach oben, das Stiegenhaus, wie man in Österreich sagt, ist gleich daneben. Das waren die nächsten Schritte. Hier gibt es nicht nur Teaser oder Appetizer. Hier ist alles zu sehen. Anschließend muss man sich nur noch überlegen, ob man sich auf meine Spuren begeben will, eines Tages. "Wie mag es sein, durch die Fuchs-Villa zu flanieren?" So.
War es gestern oder heute Morgen, als mir durch den Kopf schoss: ich würde Bewerber auf einen Job - u. a. - danach auswählen wollen, wie sie sich im Alltag in öffentlichen Verkehrsmitteln verhalten, wenn sie sich anonym in der Öffentlichkeit zu wissen glauben. Sozusagen die mehr oder weniger private Standard-Einstellung in unfreiwilliger Gesellschaft. Wie verhält sich jemand in einer Sitzbank in der S-Bahn, wenn neue Fahrgäste, die nach einem Platz Ausschau halten, eintreten? Wird die bequeme Liegeposition, die den gegenüber liegenden Platz mit beansprucht, beibehalten, oder im Sinne einer Signalwirkung "ich mache gerne meinen Mitmenschen Platz", mit dem Hintern nach hinten gerückt und die Beine auf 90 Grad angewinkelt, damit beim gegenüberliegenden Platz derselbe Raum geboten ist? Das war heute glaube ich, als mir das durch den Kopf ging. Ich habe einen ganz starken Impuls, jemanden zu verteufeln, wenn ich derartige Rücksichtslosigkeiten beobachte. Da müsste schon sehr viel passieren, damit ich mein vernichtendes Urteil revidiere. Eigentlich fast nicht möglich. Ich behaupte, dass es sehr tief blicken lässt, wie arrogant und ignorant sich jemand in einer S- oder U-Bahn verhält. Da nützen die brillantesten Zeugnisse nichts. Allerdings durchschaut man den opportunistischen Fake wahrscheinlich auch in der direkten Konfrontation im phantasierten Vorstellungsgespräch, wo sich dann auch solche Arschlöcher von ihrer sozial kompatibleren Seite zu zeigen versuchen. Mein ultimativer Arschloch-Indikator: S-Bahn-Fahrgast-Verhalten. So, und nun kann ich mich wieder meiner Ernst-Fuchs-Villa zuwenden.
Sechzehn Kinder von sieben Frauen. Ob eines oder auch zwei oder drei im gelben Bett vom Blauen Salon gezeugt wurden, weiß nur Meister Fuchs allein. Mir hat es das Bett ein wenig angetan. Vielleicht wegen der vielen Kissen und auch wegen des exotischen Zupfinstrumentes, einer Sitar(?), bei der die Saiten fehlen, wie Duke bemerkt. Ein exotisches, etwas hippieskes Szenario, in dem man sich auch Anita Pallenberg mit Keith oder Mick - oder auch beiden, vorstellen kann. Dann wäre die Perfomance des blauen Salons allerdings bestimmt nicht ganz so rauchfrei, es würde ein bißchen - oder ein bißchen sehr - nach Marreksch riechen. Man fragt sich vielleicht, wieso "blauer" Salon, wo doch viel mehr Gelb- und Gold-Facetten zu erkennen sind. Das ist wieder ein Relikt von Otto Wagner, in dessen Ära dieser Raum so genannt wurde. Tatsächlich ist die Decke von Lapislazuli-Blau dominiert, doch die ist von Ernst Fuchs, als Verbeugung. Und die Tapeten auch. Wie überall. Selten schönere Tapeten gesehen, als die von Ernst Fuchs. Ich tänzle also um das gelbe Bett. Duke hält seine Kamera auf mich. Es stört mich nicht. Das ist alleine schon bemerkenswert. Vielleicht weil er mich nicht dirigiert, weil ich tun und lassen kann, was ich will. Und wohl deshalb mag ich auch jene Reihe so gerne, weil ich nichts getan habe, was ich nicht ohnehin tun würde. Ich sehe so selten Bilder von mir, die ich nicht selbst gemacht habe. Hier sehe ich nun eine andere Seite von mir. In mehrerer Hinsicht. Mir gefällt, dass ich nicht wie ein Eindringling oder ein Fremdkörper wirke. Das mag gleichermaßen an der Sympathie für das, was mich umgab liegen, wie an von geraumer Empathie durchdrungenem Respekt.