14. Juli 2013



Blick zurück und Blick nach Vorne. Bei den alten Kassettenrekordern hieß die Beschriftung rewind und ff für fast forward, wenn ich es recht erinnere. Ich spule jetzt gerade ein Stückchen vor und arbeite mit Dateien der jüngeren Vergangenheit. Tatsächlich habe ich auf zwei externen Festplatten noch viele unveröffentlichte Bilder. Die eine birgt digitale und wenige digitalisierte Fotografien und Filmrohdateien der etwa letzten zwölf Jahre und die andere ist für die digitalisierten Filmaufnahmen von 1995 bis 2002. Ich hatte sie extra gekauft, damit die Firma, die den Digitalisierungsauftrag hatte, die Dateien im von mir gewünschten avi-Format direkt auf die große Festplatte speichern konnte. Wir hatten vereinbart, dass es immer fünfzehn-Minuten Sequenzen werden sollten, sonst wird es schwierig mit der Verarbeitung. Es waren insgesamt einundzwanzigeinhalb Stunden Filmmaterial, die den Prozess durchliefen. Die Firma fipra in der Stresemannstraße ist seit den Sechziger Jahren in dem Bereich in Berlin tätig und ich wusste die Dateien in besten Händen. Dort werden auch alte Filmaufnahmen aus dem zweiten Weltkrieg für das Bundesarchiv digitalisiert. Bei mir waren es ja zum Glück keine Kriegsaufnahmen. Manchmal, aber nur kurz dachte ich, oh là là, da ist doch auch diese eine Sequenz dabei, wo ich in Tränen ausbreche, oder wo ich mich relativ unbekleidet beim Sonnenbaden aufgenommen habe. Aber dann sagte ich mir: wer seit fünfzig Jahren Tag für Tag zahllose Filmaufnahmen sieht, guckt da nicht mehr so genau hin, man ist da einfach professionell. Ich hatte das Ganze in zwei Etappen machen lassen. Die erste Ladung waren die leider nur auf VHS-Cassetten vorhandenen Aufnahmen, weil man ja früher aus Sparsamkeit auch mal wieder was überspielt hat und ich damals nicht an eine spätere Wiederverwertung dachte, das war ja alles Zukunftsmusik. Der zweite Auftrag waren die verbliebenen original Hi 8-Aufnahmen, das Rohmaterial direkt aus der Kamera, die Ursprungsdateien. Das Ergebnis wurde natürlich ungleich besser, kein Vergleich. Und ich hatte zudem diese zum Teil sehr interessanten Sequenzen zur Verfügung, die vor und nach den aufzunehmenden Szenen gerade noch mit drauf sind. Manchmal lief auch die Kamera weiter, ohne dass ich es realisierte und fand dann überrascht Gesprächssequenzen über die geplante Aufnahme, oder ob man es für gut hielt oder besser wiederholen sollte. Jetzt freut es mich, dass diese Zufallsaufnahmen existieren. Ich werde also ein bißchen in der jüngeren und älteren Vergangenheit hin- und herzappen, bei den nächsten Sachen. Ich glaube, eine bessere Art der Vergangenheitsbewältigung kann es nicht geben. Es war ja schon bei den Aufnahmen das Anliegen, etwas Festhaltenswertes einzufangen und nicht das, woran man im Alltag scheiterte, wenn die Kamera nicht lief. Jedenfalls meistens. Ich glaube noch nicht, dass ich den Mut besitze, die Sequenz, wo ich etwas zitiere und darüber in Tränen ausbreche, zu zeigen. Wobei - bei mir weiß ich ja nie. Wenn man etwas heilen kann, sollte man es tun. Ich hole mir mal einen neuen Kaffee und setze mich in meine Zeitmaschine, indem ich die nächste Projektdatei öffne. Etwas, das ich bereits vor drei Jahren begonnen hatte zu schneiden, und dann abbrach. Wieder war mir das Herz zu schwer und ich musste in eine andere Richtung blicken, um Horizont zu sehen. Aber auch das ist jetzt möglich. Ich kann auch damit jetzt weiter machen. Zwar näher als andere Zeiten, aber es zerdrückt mir nicht mehr die Brust. Ich kann wieder atmen. Mein Herz ist frei.

12. Juli 2013

Kunstvolles Kopfzerbrechen. Art Kopfzerbrechen. Aber Kryptologie gehört besser in Forschungsbereiche der Archäologie oder archaische Kulturwissenschaften. Wohin auch immer, aber nicht in dieses Blog. Ich schreibe jetzt einfach. Ein magischer Akt. Der Schreibzauber. Seelenpflege auch. Ich habe die letzten Tage einige Zeit damit zugebracht, alte Filmaufnahmen zu sichten und bislang nicht als verbunden gesehene Sequenzen zu montieren. Vergangenheit. Bilder, die vor ziemlich genau zwölf Jahren, hier bei mir in Berlin entstanden sind, in diesem Raum, diesem Zimmer, in dem ich jetzt diesen Eintrag schreibe. Vor allem an den letzten drei Tagen zusammenmontiert mit einer noch älteren Aufnahme, einer tatsächlich genau unfassbare dreißig Jahre alten Tonspur. Ein Lied, das ich gleich liebte, als ich es 1983 zum ersten mal hörte. Ich war mit dem Keyboarder einer noch im Entstehen begriffenen Band seit langem sehr gut befreundet, und über ihn lernte ich die anderen, mit denen er dort zwei kurze Jahre lang deutschsprachige Songs fabrizierte, kennen. Ich könnte jetzt bis nach China ausholen, denn es ist eine lange Geschichte, in der der Keyboarder aber nicht die Hauptrolle einnimmt, sondern der Sänger. Man könnte im Grunde einen abendfüllenden Film oder Mehrteiler haha, aus der Geschichte drehen, über unerfülltes Begehren aus der Distanz, und über eine schicksalshafte Wiederbegegnung, viele Jahre später. Die Wege kreuzen sich, driften auseinander, kreuzen sich wieder, driften auseinander. Vielleicht sehen die Götter das Universum aus ihrer erhabenen Distanz als ein riesiges Netz und verstehen mühelos den Zusammenhang, die Verbindungen, können diese Knotenpunkte bis in alle Unendlichkeit sehen, und dass sie durchaus rhythmisch gewoben sind. Und die, eine kleine Menschen-Ameise niemals ermessen kann. Ich will wirklich - ich meine das aufrichtig - nicht kryptisch werden, ich kann das als Prinzip, um eine Art attraktives Geheimnis zu kreieren, nicht ausstehen. Als wären die Dinge nicht schon geheimnisvoll genug. Ich rede nicht von Diskretion oder dem Gegenteil, sondern von innerer Klarheit, die ich brauche, um es klar zu formulieren. Ach. Aber man kann eben auch nicht im aufklärenden Sinne plakativ werden, wenn die inneren Bewegungen, Gedanken und Überlegungen noch nicht in plakativer Deutlichkeit und Pflückreife vor dem inneren Auge stehen, so dass man sie nur noch abschreiben müsste. Ich kann aber immerhin hier und heute in geistiger Klarheit sagen, es handelt sich um ein gutes Zeichen, dass ich voll unbefangener Erinnerung mit diesen Sequenzen spielen kann. Da ist keine Schwere mehr, dafür ist es zu lange her. Viel geschehen. Bilder, Welten, Kontinente. Als ich vor kurzem in meinem Atelier war, um den Strom abzulesen, legte ich die beiden alten Kassetten ein und ließ bei einigen Liedern die Kamera zwecks Audioaufnahme, direkt aus dem Raum, laufen. Daher ist der Klang auch so garagenmäßig. Dreidimenisionale Patina aus Bequemlichkeit. Ich hatte plötzlich einen Anflug, diese alten Sachen aus den Achtzigern nach Belieben hören zu können. Seit langem gibt es keinen Kassettenrekorder mehr in meiner Wohnung, aber in meinem Atelier staubt noch eine dieser Mini-CD-Player-Kompaktanlagen der ersten Generation vor sich hin, die letzten mit einem Tapedeck drin. Durchaus hätte ich lieber eine professionell gerippte, digitalisierte Aufnahme davon gehabt, für mein so plötzlich und so eilig aus dem Nichts ans Licht drängende Opus Siebenundsiebzig. Der Song hätte es verdient. Aber wenn ich sofort mit etwas arbeiten will, wird gerne mal dilettantisch improvisiert. Wenn es raus will, muss es eben raus. Nur die Filmaufnahmen habe ich vor einiger Zeit, schon im April digitalisieren lassen. Wie so oft, hat der Zufall bei diesem Opus Hilfe geleistet. Ich ließ meine mitgeschnittene Version von "Ich fühl mich gut", neben anderen Songs, im Hintergrund auf dem Rechner laufen und öffnete etwas ratlos die Filmprojektdatei, in der ich ursprünglich etwas anderes schneiden wollte. Plötzlich schienen die Pausen zwischen dem Eigentlichen, wo ich nicht so recht den Einstieg fand, zu dem Lied zu passen. Ich entwickle beim Hören von Musik (wie wahrscheinlich die meisten) eine visuell greifbare, sehr räumliche Vorstellung der Atmosphäre, in die ein Lied zu gehören scheint. Es sind zwar nicht genau die wiederkehrenden Bilder, die ich Anfang der Achtziger Jahre hatte, als ich den Song hundert Mal hörte, aber schon nah dran. Ich weiß, dass Duke, der in diesem Opus im Alter von Zweiundvierzig zu sehen ist, und dessen junge Stimme zu hören ist, als er vierundzwanzig war - die selben Zahlen, zwei und vier fällt mir gerade auf - nicht so gerne an diese musikalische Entwicklungsphase mit dieser Band mit dem komischen Namen, über die es kaum Hinweise im Internet gibt, zurückdenkt oder -dachte, so wie ich es tat. Ich war traurig, dass meine noch nach Jahren nachklingende Begeisterung durch mir übertrieben scheinende Selbstkritik relativiert wurde und damit das nahezu perfekte Kaleidoskop meiner farbenfrohen Erinnerung torpedierte. Dabei ging das gar nicht. Ich ließ es insgeheim nicht zu, nicht an mich heran und blieb stur. Bis heute. Denn, wenn ich es heute höre, bin ich verblüfft, wie unverändert sehr mir das Lied gefällt, wie unaffektiert, wie beiläufig der Gesang ist, wie glaubwürdig er erzählt, flüstert, da in seinem Zimmer, spät in der Nacht, allein daheim. Er klingt, wie ich ihn damals im direkten Gegenüber empfunden habe. Als die in keinem Zusammenhang damit stehenden Filmaufnahmen, die hier nur in geringen Fragmenten zu sehen sind, entstanden, war sehr viel Zeit vergangen. Zwischen 1983 und 2001 liegen (lieben habe ich gerade versehentlich getippt) immerhin achtzehn Jahre. Auf manchen Bildern erinnert er mich an den Vierundzwanzigjährigen, dem ich damals gerne näher gekommen wäre. Und er mir, wie wir uns viele Jahre später offenbarten, aufgelöst und fassungslos. Aber mehr will ich jetzt gar nicht dazu schreiben. Wir haben seit langem keinen Kontakt mehr, aber ich denke, er sollte wissen, dass ich in den letzten Tagen mit unseren alten Aufnahmen gebastelt habe, die nie das Licht irgendeiner Öffentlichkeit erblickten. Wenigstens für unser Archiv. Ein schönes Stück unseres Lebens. Um zu sehen, dass das Beste von uns in unseren Bildern und Liedern bleibt, die wir mit heißem Herzen eingefangen haben. Ich glaube, ich muss ihm wenigstens mit einer Mail sagen, dass ich gerade etwas veröffentliche, das mit ihm zu tun hat. Das gehört sich einfach. Ich denke, ich schicke ihm jetzt einfach den Link zu diesem Eintrag.



...steck die Hände unter die Achseln, von meinem warmen Overall

watch on youtube

g a g a
Saskia Rutner Es war...
31.10.24, 01:08
g a g a
g a g a
Klaus Memmert Sticky...
27.10.24, 20:11
g a g a
Margarete 26. Oktober...
26.10.24, 11:40
g a g a
Saskia Rutner Ooooh,...
26.10.24, 11:38
g a g a
Saskia Rutner Ich...
26.10.24, 00:11
g a g a
Margarete 25. Oktober...
25.10.24, 22:47
g a g a
Problem gelöst, mein...
23.10.24, 17:28
g a g a
P.S. Falls Du es nicht...
23.10.24, 11:45
g a g a
Saskia Rutner 23....
23.10.24, 10:58
g a g a
Ina Weisse Why? Gaga...
23.10.24, 10:53
g a g a
Saskia Rutner Schon...
23.10.24, 10:48
g a g a
P.S. Die Kartons mit...
21.10.24, 11:28
kid37
g a g a
Vom Duett der Beiden...
21.10.24, 00:52
kid37
Da gibt es ein paar...
21.10.24, 00:08
g a g a
Nora Sturm Vielen...
19.10.24, 23:04
g a g a
Klaus Memmert Ist...
19.10.24, 11:15
g a g a

21.47
a
April
april 2004
april 2005
april 2006
april 2007
april 2008
April 2009
April 2010
April 2011
April 2012
April 2013
April 2014
April 2015
April 2016
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren