19. Januar 2012



Kleines Dschungel-Buch. Die meisten Kreaturen wollte keiner mehr haben und ich habe sie vor dem Mülleimer gerettet. Der komische Kaktus, der auf einmal so grüne Blätter aus der Seite kriegt, nach vielen Jahren, ist lieblos in einer Art Raucher-Aufenthaltsraum verkümmert. Dann wurde das Rauchen verboten und alles ausgeräumt und gestrichen und das stachelige Wesen stand ziemlich eklig nach altem Rauch müffelnd in einer schattigen Ecke, von niemandem gepflegt, aber man war wohl auch zu faul den einen Meter hohen vergammelten Kaktus irgendwo zu begraben, geschweige denn zu retten. Mir tat er leid und ich wollte sehen, ob er nach all den Jahren des Kränkelns gesund und kräftig werden könnte. So ein großer Kaktus ist teuer! Ich habe ihn erst mal kräftig abgeduscht und ausgelüftet und in einen guten Topf mit so kleinen Wüstensteinchen. Das scheint er zu mögen, er ist ganz fit und kriegt auf einmal diese Blätter auf der Seite, wie eine kleine Diva mit einem Fächer oder einer Blume im Haar. Die anderen Gewächse sind auch irgendwo gefunden oder aussortiert worden. Nur die Agave und den Bambus hab ich mal gekauft. Alle anderen Sachen, die ich nicht identifizieren kann, sind ganz von selber gewachsen. Einen Grapefruitbaum habe ich erst nach Monaten identifiziert, an den Blättern und Stacheln. Ich schmeiße immer die Obstkerne in die Blumentöpfe. Manchmal aus zwei bis drei Metern Entfernung. Ich habe deswegen jede Menge Orangenbaumkinder, in allen Größen. Wenn also wer einen braucht. Dass es Orangenbäumchen sind, kann ich deswegen so sicher sagen, weil ich keine Zitronen esse und auch keine Mandarinen und Grapefruit nur ganz selten, alle zwei Jahre. In den nächsten Monaten dürften allerdings einige Pflaumenbäumchen das Licht der Welt meiner Wohnung entdecken, da hab ich einiges verteilt, in den letzten Wochen. Gießen ist so eine Gefühlssache. Früher ist mir viel eingegangen, weil ich überbemüht war, eben immer viel, viel zu gießen und hab manches Pflänzchen wohl ertränkt. Jetzt habe ich scheinbar nur Pflanzen und Gestrüpp, das nichts groß übel nimmt. Ich kann auch mal zwei Wochen verreisen, vorher schön gießen und wenn ich nach Hause komme, können sie wieder gut was vertragen aber keiner ist tot. Und auf dem Balkon, hinten raus, hab ich sowieso nur Zeugs aus dem Wald und was da eben wachsen mag. So Heckmeck gibt es bei mir nicht, mit Pflanzen im Frühling raus und im Winter rein. Das ist mir alles zu umständlich. Ich wollte ausnahmsweise in diesem Sommer meinem Grapefruitbaum eine Sommerfrische auf dem Südbalkon bescheren, als besondere Zuwendung. Keine gute Idee! Ich musste ihn anbinden, am Dach, so windig war es in seiner Zwei-Meter-Höhe, der knalligen Südsonne und dem Wind ausgesetzt. Er hat ganz beleidigt und vertrocknet ausgeschaut. Die Blätter sind immer blasser geworden und dann sind welche abgefallen und ich habe Panik gekriegt. Er sah schon halb tot aus. Dann hab ich ihn wieder reingestellt, nach mehrwöchiger Sommer-Tortur im Freien. Er hat sich sofort berappelt. Kein einziges neues Blatt hat er draußen gekriegt, im Gegenteil! Und sonst, voher, dauernd neue! Alle Nase lang! Ich hatte ein ganz schlechtes Gewissen. Und dann war er endlich wieder an seinem windgeschützen Platz an der Fensterscheibe zum Balkon und schon nach drei Tagen hat er wie verrückt angefangen, neue kleine Blätter zu machen. Ich habe fast geweint! Und nach zwei Wochen hab ich die Blätter gezählt. Siebzehn neue Blätter! Und große Blätter! Das war wahrscheinlich einer der schönsten Momente im letzten Jahr. Also ich bin eine faule aber bemühte Gärtnerin von meinem kleinen Dschungel. Ich denke, recht viel besser als bei mir ist es woanders auch nicht! Ebendrum.

17. Januar 2012

15. Januar 2012



Das Wochenende ist nun vorbei, bitte machen Sie sich bettfertig! Ich natürlich auch. Keiner ist ausgenommen. Davon ausgehend, dass hier keine Tagediebe mitlesen! Aber selbst wenn, gilt diese Empfehlung auch für Menschen mit unbegrenzter Tagesfreizeit, da ich aus eigener Erfahrung versichern kann, ein Tagesablauf frei von jeder Verpflichtung führt auf Dauer zur Verlotterung. Doch, doch. Man will es nicht wahrhaben, aber so ist es. Seinerzeit, also vor ungefähr fünfundwanzig Jahren, als ich wenig Veranlassung hatte, vor - sagen wir halbdrei - am Nachmittag aufzustehen, war ich im Anschluss vollauf damit beschäftigt, den damals noch auf achtzehn Uhr terminierten Ladenschluss nicht zu versäumen, sprich die letzte Möglichkeit abzupassen, die notwendigsten Sachen für das in den Abendstunden angedachte Frühstück zu erwerben. Das war vielleicht ein Stress. Ich war vollauf beschäftigt, es war praktisch kaum, bzw. nur unter absolutem Hochdruck zu schaffen. Ich hätte wirklich nicht gewusst, wann ich da noch hätte arbeiten sollen. Nach ausgiebigem Frühstück, man musste bereits Licht anmachen, war ich dann vollumfänglich mit der Aufgabe beschäftigt, mir zu überlegen, was ich zum Ausgehen anziehen soll. Schließlich wollte man nicht zweimal hintereinander in denselben Klamotten auftreten. Mit Auftreten meine ich jetzt nicht etwa ein Bühnenengagement, obwohl es schon auch einen gewissen Performance-Charakter hatte, jede zweite Nacht möglichst aufsehenerregend im Dschungel und im Anschluss in der Dominabar einzulaufen. Ich denke, ich habe es immer ganz gut hingekriegt, aber das war natürlich mit jeder Menge Vorarbeit verbunden. Ständig musste man sich neue Kombinationen der vorhandenen Abendgarderobe überlegen. Ein Glück, dass es damals schon Second Hand-Klamotten zum Kilopreis gab, da war ich dann glücklicherweise in Sachen Extravaganz immer ganz vorne mit dabei. Dann natürlich das Make up. Da musste ordentlich was drauf, schon wegen der Augenringe und dann schluckt die Beleuchtung in diesen schummrigen Etablissements ja auch unheimlich Farbe. Es war schon auch eine schöne Zeit, aber auf Dauer doch recht anstrengend. Denn wie bereits erwähnt, konnte ich diese Bühnenleistung nur jede zweite Nacht zu hundert Prozent absolvieren. Da man orts- und situationsbedingt genötigt war, das eine oder andere alkoholhaltige Getränk zu sich zu nehmen, sowie aus Solidarität und um die Form zu wahren, an der einen oder anderen Tüte gezogen hat, gab es im Anschluss einen nicht unbeträchtlichen Erholungsbedarf. Leider stand der zeitliche Aufwand, den man benötigte, um die verschiedenen Flüssigkeiten und Substanzen einzunehmen, in keinem Verhältnis zu den Bemühungen des Körpers, die Sachen wieder loszuwerden, um wieder aufs Neue loszulegen. Eine Nacht durchfeiern, eineinhalb Tage durchschlafen, im Anschluss erholen. Es war in jedem Fall ein hartes Stück Arbeit, das mir rückblickend irgendwann einfach zu anstrengend geworden ist. Burn out! Deswegen war irgendwann Schluss mit dem stressigen Nachtleben und dem Tagediebstahl! Ja gut, man mag mir nachsagen, ich bin da in gewisser Hinsicht bequem und leistungsunwillig. Sei's drum! Es ist mir einfach zu anstrengend und außerdem bin ich seit geraumer Zeit in dem Alter, wo man mit jedem zusätzlichen Stündchen Nachtschlaf bei Tageslicht um mindestens ein Jahr besser aussieht. Nein, ich will nicht schreiben jünger, aber besser eben! Deswegen: Gute Nacht!

15. Januar 2012



Aber gestern war auch endlich Tag der Krankabine! Das Lied von Hilde trifft es schon sehr gut. Ich lebe wirklich seit ich hier bin zwischen Kränen. Fast immer zerschneidet ein gelber Arm eines Krans den Himmel aus mindestens einem Fenster. Manchmal sind die Bewegungen so dicht über meinem Balkon nach hinten raus, das sich die riesigen Arme wie gigantische Dinosaurier über mich zu beugen scheinen. Aber sie haben keine Grasbüschel im Maul sondern tonnenschwere Betongewichte. Sie bewegen sich wie in Zeitlupe, sehr gezielt und elegant. Ganz ruhig, mit einer exakten Choreographie. Ich habe mich ganz und gar daran gewöhnt. Im letzten Winter wäre es nicht möglich gewesen, eine Krankabine zu fotografieren. Viel zu viel Eis und Schnee. Aber in diesem Januar wird fleißig weiter gewerkelt. Die FR.tronic-Kabine gehört zum Kran der Baustelle, die ich mit einiger Aufregung beobachte. Hier entsteht das Berliner Architektenbüro von Sir David Chipperfield, dem letzten Preisträger des Mies van der Rohe Award for European Architecture. Seine Baustelle schräg vor dem Küchenfenster zu haben, macht mich ein bißchen stolz, obwohl ich in keinster Weise daran beteiligt bin. Es ist ein erhebendes Gefühl, dass er der Ecke derart die Ehre gibt und vor meinen Augen an einem Haus gebastelt wird, das er entworfen hat und in dem er an seinen europäischen Projekten arbeiten wird, wenn er nicht gerade in London oder Mailand oder Shanghai herumbastelt!

15. Januar 2012



Den Blick nach Norden gerichtet, zeigt sich der Himmel Blau. Und im Osten. Heute auch. Gestern in der Auguststraße. Aus der Tür vom Balkon im Norden und aus dem Badezimmerfenster. Die Mauer begrenzt im hinteren Bereich die Südterrasse meiner netten Nachbarin. Ich schätze sie etwas jünger als mich. Wir tauschen nette Sätze im Fahrstuhl, ich weiß sonst nichts über sie, außer dass sie ein ziemlich cooler Typ ist und sie einen ziemlich interessanten Job zu haben scheint, weil sie mal mit einer großen Reisetasche mit mir auf den Aufzug nach unten wartete und ich fragte, ob sie in Urlaub fährt und sie meinte, nicht ganz. Beruflich, nach Australien. Ich habe mich dann aber nicht getraut, weiter nachzufragen. Und im Sommer hat sie öfter Besuch auf der Terrasse, mit dem sie Englisch spricht. Sie ist aber selber Berlinerin, sie hat diesem typischen Tonfall, den echte Berliner haben, auch wenn sie Hochdeutsch sprechen. Und neulich als Wahl war, sind wir zeitgleich auf den letzten Drücker losgedüst, in die Kastanienschule um die Ecke, in der Gipsstraße. Sie ist so schön zurückhaltend und unaufdringlich ohne dabei schüchtern zu wirken. Sehr angenehm. Und sie bohrt kein einziges Loch in die Wand, seit sie da wohnt. Auch schon ein paar Jahre. Ich glaube, ich bin mittlerweile die langjährigste Mieterin in unserem Haus. Sie hält es aber auch schon relativ lange hier aus. Wüsste gerade auch keinen Grund, woanders hinzuziehen. Eine Zeit lang dachte ich vorübergehend darüber nach, mir ein Häuschen in ländlicher Umgebung zu mieten, mit uneinsehbarem kleinen Garten. Aber das mit dem uneinsehbar war in meiner Preisliga nicht zu verwirklichen. Dann habe ich die Idee beiseite gelegt. Kein Gedanke mehr. Ich danke dem lieben Gott, dass ich so ein gutes Versteck gefunden habe. Blauen Himmel zu sehen und dabei nicht gesehen zu werden, ist eines der schönsten Dinge auf der Welt.

g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
Mehr Historie über...
16.09.25, 20:56
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
Jan Sobottka Sieht...
12.09.25, 18:22
g a g a
g a g a
Margarete 9. September...
09.09.25, 23:00
g a g a
g a g a
ANH 6. September 2025...
06.09.25, 20:33
g a g a
Ina Weisse Wenn einer...
05.09.25, 20:19

21.47
a
April
april 2004
april 2005
april 2006
april 2007
april 2008
April 2009
April 2010
April 2011
April 2012
April 2013
April 2014
April 2015
April 2016
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren