24. April 2011



Das Ostereierfest ist doch eine lustige Erfindung. Danach hat mich Eugene auf einen kleinen Spaziergang mitgenommen. Da ist mir aufgefallen, dass ich doch eine rührselige Kuh bin. Und das ist auch gut so. Vorhin am Anfang vom Sonnenbaden das Foto da oben machen wollen. Aber der Akku war leer. Und ich hab das Foto ja auch schon mal gemacht. Wie man sieht. Vielleicht mach ich es später noch mal. Ich gehe wieder auf den Balkon und lese in Maxie Wanders Leben wär' eine prima Alternative. Am Anfang steht ein Zitat von Fromm, darin heißt es "(...) Das Ziel des Lebens ist es, ganz geboren zu werden, und seine Tragödie, daß die meisten von uns sterben, bevor sie ganz geboren sind." Und auf dem Vorsatz ein Fragment von ihr selbst "Und ich genieße unseren Garten, leg eine Platte auf, bereite uns ein gutes Essen ... Wir wissen nicht, was wir haben, erst wenn die Wände zittern und der Boden unter unseren Füßen wankt, wenn diese Welt einzustürzen droht, ahnen wir, was Leben bedeutet."

Maxie Wander wurde nur 44 Jahre alt. Sie starb wenige Wochen vor ihrem 45. Geburtstag an einer Krebserkrankung. Ich habe seit ungefähr fünf Jahren dieses Buch in meiner Wohnung liegen, ebenso wie Guten Morgen du Schöne, diesen DDR-Bestseller. Ich dachte irgendwann, ich sollte das doch mal lesen. Da war eine Ausstellung in einem Museum und eine Platte am Boden trug ein Zitat von Maxie Wander. Daneben lag eine mit einem Zitat von mir und ich fühlte mich furchtbar geehrt über diese Nachbarschaft. Ich fing Guten Morgen du Schöne an zu lesen und fand keinen Zugang, legte es weg. Aufzeichnungen von Gesprächen mit Frauen in der DDR in den Siebziger Jahren. Irgendwann später les ich es vielleicht noch einmal. Jedenfalls dachte ich dann aus irgendeinem Grund, dass Leben wär' eine prima Alternative eine Fortsetzung davon sei, Dokumentation von DDR-Frauenschicksalen. Irrtum.

Vor drei Stunden schraubte ich an meiner Festplattenanlage herum. Auf dem Gerät stehen ein paar Bücher. Unter anderem Zadeks Biographie, die ich auch schon mal anfing und gelangweilt von dem theaterinternen Gerede wieder beiseitelegte. Ich nahm es noch mal in die Hand, zog es heraus, weil ich dachte, vielleicht gibt es in dem dicken Ding doch ein paar lesenswerte Passagen. Vielleicht über seine Zeit mit der Fotografin Roswitha Hecke, die ich kennenlernte und sehr faszinierend fand. Als ich es herausgezogen hatte, gab die Lücke den Blick auf die dahinterliegende Bücherreihe frei. Den Buchrücken von Maxie Wanders Leben wär.... Ich zog es heraus und las zum ersten mal den Klappentext. Ihr Mann Fred Wander, ein Schriftsteller, gab es ein halbes Jahr nach ihrem Tod heraus. Ich erfuhr, dass es private Aufzeichnungen ihres letzten Lebensjahres sind und war gefangen von dem Fragment mit dem Garten. Da stand auch, dass sie aus Wien war. Eine Wienerin in der DDR. Zuletzt lebte sie in Kleinmachnow bei Berlin. In Kleinmachnow war ich im letzten Juni zu einem Sommerfest. Ich mag Bücher, die in vertrauter Umgebung spielen, in Berlin. Ich lese mal weiter.

23. April 2011

Tag konsequent vertrödelt. Später sogar noch ein zweites Mal das Telefon benutzt, ganz gegen meine Gewohnheit. Mein guter Freund Jan war als ich anrief dabei, sich auf eine Verabredung, eine Einladung zum Essen einzustimmen, indem er herumkramte. Näheres darf ich leider nicht berichten, das wäre indiskret. Aber sie sieht gut aus, ist mir sympathisch, auf dem einzigen mir zugänglichen Foto. Ich habe mich noch verstiegen anzumerken, dass eventuell die Schaufel Dreck fehlen würde, die er gut findet, worauf ein interessiert zuhörendes "aha..." aus dem Hörer kam. Das geht ja schon alles wieder viel zu weit, was ich hier schreibe. Dabei bin ich doch sonst so diskret. Besonders wenn es um mich selbst geht. Nur über meine Leiche bzw. in den launigen Memoiren, die ich dann mit rüstigen 87 Jahren verfassen werde, wird alles aufgedeckt, was gegenwärtig nur nebulös verschwurbelt angedeutet werden kann. Furchtbar, immer diese Warterei auf später. Bis man 87 ist. Noch einundvierzigeinhalb Jahre. Jedenfalls wird da wahrscheinlich noch so viel passieren, dass man späer Mühe haben wird, die Ursachen der verblichenen Befindlichkeiten den jeweiligen Personen einwandfrei zuzuordnen.

Mir geht es teilweise schon so mit der jüngeren Vergangenheit. Besonders die letzten zehn Jahre in Betracht gezogen. Da gibt es teilweise derartige dramaturgische Parallelen zur gegenwartsnahen Vergangenheit, auch was gewisse Eckdaten der Protagonisten angeht, dass ich im Alphazustand durcheinanderkomme, mit wem wann was passiert ist. Man hört oft, dass Menschen ein Muster in ihrem Leben identifizieren, in der Art der Verbindungen, die sie eingehen, die Konstellationen, Familienverhältnisse, Affinität zu Berufsgruppen. Da bin ich keine Ausnahme. Man hört auch, es gäbe Wiederholungen von Biographien, Schicksalen innerhalb bestimmter Familien. Als ob sich ein Thema vererbt. Ganz seltsam. Ich sehe zwei Schicksals-Parallelen bei mir, die mich in zentralen Aspekten an Familienmitglieder erinnern. Einer schön, einer eher schwierig. Ich versuche das Ganze zu drehen, zu wenden, ins Positive, das mit dem schwierigeren Aspekt. Weil ich inzwischen auch zunehmend glaube, dass die Schwierigkeit eher im gesellschaftlichen Status liegt, nicht so sehr in der Sache an sich. Ist aber nicht so ganz ausgereift, der Gedanke. Ich will hier auch nicht noch mehr geheimnisvolles Geschwurbel produzieren, der Ruf eilt mir ja schon seit Jahren voraus.

Als man die anderen Blogger noch nicht von Angesicht zu Angesicht kannte, und allenthalben die ersten Verabredungen bei Lesungen und sonstigen Kennenlerntreffen getroffen wurden, kam mir von meinem liebsten Bloggerkommilitonen in Hamburg zu Ohren, von mir würde man sich erzählen, ich sei ja so geheimnisumwittert und deswegen würde mich viele unheimlich gerne mal treffen. Ich musste lachen, einerseits, weil es mich nicht gewundert hat, und meinem eigenen Bild von mir entgegenkommt. Andererseits meine ich mich zu erinnern, dass er sich wunderte, dass dieses diffus wabernde Interesse mir kaum angetragen wurde. "Die trauen sich wahrscheinlich nicht" hat er abschließend analysiert. Nur er war todesmutig. Na gut, gibt noch ein paar andere, die es überlebt haben, mich dann gelegenheitshalber bei irgendwelchen Geselligkeiten zu treffen. Ich kann es aber auch verstehen. Bin ich mir doch selber in Teilen noch immer ein Rätsel. Das ist nicht einmal kokett gemeint. Deswegen bin ich auch noch nicht aus dem Fenster gesprungen, weil ich wissen will, was es mit dieser Gaga Nielsen letztlich auf sich hat. Ich komme noch dahinter. Und wenn ich Hundertsieben werden muss.

23. April 2011

23. April 2011, 13:17 Uhr: Telefon benutzt (!) *)



*) Öffnungszeiten angefragt.


"I never liked photography. Not for the sake of photography.
I like the object.“
Robert Mapplethorpe

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22. April 2011



Unversehens. Unversehens, aber kein Versehen. Das Trennen. Das Wechseln der Richtung. Die veränderten Neigungen, Neigungswinkel. Zuneigungswinkel. Unversehens.

[ Unversehens, adverb. welches vermittelst des adverbischen s von dem vorigen zu einem Nebenworte gebildet worden und statt des Adverbii unversehen gebraucht wird,unvermuthet,ohne daß man es gesehen oder vorher gesehen hätte]

Als ich meinen letzten Eintrag las, meine Ausgangsperspektive verließ, die ihn schreiben ließ, bemerkte ich, wie projezierbar das darin verhandelte metaphorische Szenario auf andere Dinge in meinem Leben ist. Ich meinte etwas Bestimmtes und sah, es passt ebensogut auf parallele Ereignisse. Mehrere. Es ist ein großes Thema, ein Muster, das in den Vordergrund drängt. Das Auseinanderdividieren von Bedürfnissen und Zugeständnissen. Das gegen-das-Licht-Halten von Kompromissen. Ich habe gründlich aufgeräumt. Wäre ich stärker in Klischees gefangen, wie man mit Verbindungen zu anderen Menschen zu verfahren hat, das gemeinhin Übliche, Traditionelle zugrundelegt, käme ich ins Grübeln. Mehr als ohnehin. Ein Mönch hat kein Rechtfertigungsproblem. Nicht der Welt gegenüber. Nur seinem Gewissen und seinem Orden. In einem geschützten Raum kann er unbehelligt seinen selektiven Spinnereien nachgehen.

Und noch mehr ein Eremit. Niemand wagt es, sich der komischen Hütte im Wald ungebührlich zu nähern. Eigenbrötler haben auch ein bißchen etwas Unheimliches, manche sogar Gefährliches. Was geht da vor, in diesem exotischen Kopf. Wie kann sich einer so absondern, die Gemeinschaft vermeiden. Welche kranken Regungen wohnen in so einem Menschen. Oder die Hexe im Hexenhäuschen, die sich nicht darum schert, dass die Kinder vor ihr davonrennen. Die sich nicht um Liebreiz bemüht. Na gut, das ist ein böses mittelalterliches Klischee. Ganz so gleichgültig bin ich nicht, was die Resonanz der Mitmenschen angeht. Allerdings beschränkt sich das Interesse an einem friedlichen Konsens auf unverbindliche gesellschaftliche Begegnungen, die sich nicht vermeiden lassen. Gelderwerb. Gesichtspflege. Einkaufen gehen. Ich bin glaube ich, die netteste Kundin der Welt. Zu mir war noch nie eine Verkäuferin zickig, im Gegenteil. Ich betrachte diese Menschen auf Augenhöhe, mit großem Respekt vor ihrer mir dienenden Arbeit. Aber ich möchte mich nicht zum Kaffeetrinken verabreden. Nur manchmal gibt es eine Ausnahme. Manchmal im Leben. Dann verabrede ich mich richtig oft und trinke richtig viel Kaffee. Gedanken zum Karfreitag. Unversehens. Hat rein gar nichts mit dem Sinn und Unsinn des Tages zu tun, der mir auch schon wieder entfallen ist. Nageln Sie mich bitte nicht fest.

Gestern hinter mir zwei Studenten, offenkundig auf dem Weg zu ihrem Campus. Ich vermute, sie fragte ihn, welche Vorlesungen er in diesem Semester belegt hätte und hörte nur einen Fetzen seiner Antwort. "...und dann mach ich noch Existenzialismus und Renaissance und Marketing und Naturwissenschaften..." Ich dachte, was für eine interessante Mischung und assoziierte ein ziemlich eigenwilliges Erscheinungsbild mit dieser Aussage. Ich überlegte, ob ich es wagen könnte, mich mal kurz umzudrehen, weil ich so neugierig war. Es ergab sich, dass ich kurz vor dem Gebäude, in das ich wollte, eine Drehung einbauen konnte, die nicht allzu unnatürlich wirken würde. Die beiden merkten nichts, und ich erfasste ihn aus dem Augenwinkel. Er sah völlig unspektakulär aus, brav eigentlich. Vielseitig interessiert, aber kein bißchen existenzialistisch oder renaissance-affin.

Ich merkte, dass ich ein bestimmtes anderes Bild mitgenommen hatte. Ein paar Minuten vorher war mir ein junger Mann, ungefähr Mitte Zwanzig, in der S-Bahn sehr aufgefallen. Sicher auch deshalb, weil ich seinen wiederkehrenden Blick auf meinem Profil spürte, während er las. Ich stand mit Blick zur Tür, er saß. Er hatte eine bizarre, avantgardistische Rasur. Koteletten, schwarz und ausgezirkelt bis auf die Wangenknochen. Raspelkurze schwarze Haare. Ein Blick wie Adriano Celentano, angesagte Klamotten. So hätte der Student aussehen müssen. So und nicht anders.

Und dann dachte ich noch, wie großartig diese jungen Menschen sich heute entfalten können. Ein bißchen Existentialismus, ein bißchen Renaissance, ein bißchen Marketing, ein bißchen Naturwissenschaften. Ich beharre ja weiterhin darauf, dass wir in der besten aller Zeiten leben. Von schwachsinnigen EU-Normen (o.k., es gibt auch ein paar gute, Kennzeichnungspflicht für glutenhaltige Lebensmittel zum Beispiel), degenerierter Landwirtschaft, Fukushima und noch ein paar anderen Verirrungen abgesehen. Aber das sind alles nur Zeitfenster, wie ein lieber Freund mir vor einiger Zeit einmal schrieb. Und dass sich die Chinesen an den Fluß setzen und warten bis - aber das ist eine andere Geschichte.

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