18. Mai 2024



Versteckt, gepflegt, inkognito geht es weiter. Nur Böttchers zeigen stolz, dass sie es nach Valentinswerder geschafft haben! Nach etwas logischem Denken fällt mir ein, dass ich bei einem größeren Grundstück auch dazu neigen würde, mein Häuschen möglichst uneinsehbar weit nach hinten zu setzen, schön hinter Hecken und Gebüsch würde ich es verstecken, wo mich keiner beobachten kann. Zu den Zahlen gehört immer die gleiche Adresse; die Nummern zeigen dem Insel-Insider die genauere Grundstückslage an: "Insel Valentinswerder". Geht ja auch keinen weiter was an!





02. Juni 2023





Neutormauer, Neutorstraße, Neutorgraben, Neutorbastion... uff. Verwirrend, diese ähnlichen Straßennamen im derselben Ecke. Also ich bin die Neutormauer entlang, mit diesen rosa Sandsteinquadern, dann ging davon eine Seitenstraße ab, die hieß Neutorstraße. Da war dann der abgeschrabbelte Bäckersladen, der den Betrieb aufgegeben hat. In meinem Mittelaltertaumel hielt ich es schon für möglich, dass der Bäcker inclusive der verblichenen, leicht zerfledderten Markisen auch noch aus Albrecht Dürers Zeiten stammt. Bei soviel Liebe zu Relikten des Mittelalters und der Renaissance. Aber das ist Unfug, schätze ich mal. Der Bäcker hat wohl vor wenigen Jahren sein Geschäft aufgeben müssen, die Konkurrenz von Backwaren aus dem Discounter war zu groß. Auch denkbar, dass in einer solchen Premium-Wohnlage anderweitig gespart wird, bei der Miete hat man ja keine billigere Alternative à la "Ach, ich gebe meine Mietkosten diesen Monat mal Aldi". Wohnraum-Discounter in Spitzenwohnlage wurden nicht erfunden.



31. Mai 2023



Mauer ist nicht gleich Mauer. Die in Nürnberg trutzig putziges Wahrzeichen aus Sandstein, die Berliner aus Stacheldraht und Beton trauriges Symbol von Trennung. Als Schulkind habe ich nicht verstanden, wieso immer Aufhebens um die alte Nürnberger Stadtbefestigung gemacht wird. Sie war einfach da, wie eine Kirche in jedem Dorf. Ich kannte als Kind ja gar keine andere Stadt ohne mittelalterliche Stadtmauer. Heute weiß ich, dass diese sehr lange Sandsteinmauer um den Altstadtkern sehr wohl etwas Besonderes ist, was den Umfang, die gewaltige Größe, und das Ausmaß ihrer beständigen Erhaltung seit dem Mittelalter angeht. Linker Hand grüßt ein Dürer-Hotel, gegenüber sonnenwarme Sandsteinquader.





30. Mai 2023





Ich habe versäumt zu erwähnen, dass der Affenfelsen im Nürnberger Stadtplan anders heißt, nämlich "Am Ölberg". Und da fängt eine Straße an, die von einer Seite von der Neutormauer begrenzt wird, die Straße heißt auch Neutormauer. Hier gibt es linker Hand ganz normale Wohnhäuser, manche sehr farbenfroh, wie hier Ecke Radbrunnengasse. Mich zog es an der alten Sandsteinmauer entlang, im Halbschatten immer der Nase nach. Ich hatte nun keinerlei konkrete Pläne mehr, außer mich ohne Blick auf die Uhr treiben zu lassen, innerhalb der Altstadt zu bleiben. Ich war neugierig, ob ich weitere Déjà-vus bekomme. Wie einen plötzlich an einer Ecke eine Erinnerung an ein Erlebnis befällt. Ich konnte nicht einmal erinnern, ob ich je zuvor so gezielt an der Neutormauer entlang gegangen bin. Zu lange her, alles. Und Nürnberg ist nicht so klein. Es gibt schon Ecken, wo ich nie war, auch innerhalb der Altstadt. Jedes Gässchen kennt man wohl nur in einer Kleinstadt. Früher hätte ich nie gewagt, mich für eine Mietwohnung in der historischen Altstadt zu interessieren. Meine Freunde wohnten damals überwiegend in Gostenhof oder in der Südstadt, das galt noch als bezahlbar. Viele in WGs. Wenn man da jemanden besuchte, hatte man gleich eine Handvoll neuer Bekanntschaften, sehr praktisch, wenn man jung und erlebnishungrig ist. Ich selbst wohnte nie in einer WG, hat sich nicht so ergeben, und ein kleines Reich für mich erschien mir auch reizvoller. Genug Kontakte hatte ich ja. Meine erste eigene, also gemietete Wohnung in Gostenhof war im Hinterhof, der war sehr gesellig und grün, mit Biergartenbänken und im Vorderhaus eine WG mit vielen guten Freunden. Eigentlich habe ich da irgendwie mitgewohnt, saß dauernd mit ihnen zusammen in der Küche, wir kochten und feierten zusammen und so war ich bestens vernetzt. So ein Künstlervölkchen. Alle hatten irgendwas mit Musik und Kino zu tun. Eine aus der WG war die Cousine von Hannes Jänicke, sie schrieb Filmkritiken. Ob sie ihn da löblich erwähnt hat, ist mir aber nicht bekannt. Was ich an WGs nicht so attraktiv fand, war das gemeinsame Benutzen des Badezimmers, dass man sich da irgendwie absprechen muss und auch mal anstehen wie auf Klassenfahrt im Landschulheim. Das erschien mir unkomfortabel.



Als Teenie hatte ich eine Freundin, die mit ihrer Familie in einem schicken Bungalow in einem Vorort irgendwo zwischen Nürnberg und Fürth wohnte. Ihre Mama war eine ganz schicke Frau mit platinblondem Pagenkopf. Die Küche im Bungalow war offen, hatte einen weiß gekalkten Tresen zum Wohnbereich. Einmal hatte meine Freundin die Idee, dass wir ihre Mama in Nürnberg abholen, wo sie privat in einer Wohnung zum Essen eingeladen war. Bei ihrem besten Freund, der ein älterer Professor war. Unverheiratet lebte er alleine in einer Wohnung in der Nähe der Burg. Das war der aufregendste Besuch in einer Wohnung, an den ich mich erinnern kann. Alles wirkte supermodern und schick und durchgestylt. Viele große Bücherwände, moderne Kunstwerke an den Wänden. Und der Knaller: durch die großzügigen Fenster im Esszimmer - wo eine lange Tafel ganz edel gedeckt war - ich glaube mit einer Tischplatte aus Glas - sah man die nächtlich beleuchtete Kaiserburg. Ich war schwer beeindruckt. So toll wollte ich auch einmal wohnen! So etwas hatte ich bis dahin nur in französischen Filmen gesehen. Da muss ich wohl abgespeichert haben, dass man sich so eine Hammerwohnung nur als Professor leisten kann, von denen man ja wusste, dass sie schön viel verdienen. Und ich war ja kein Professor! Also habe ich mich nicht getraut, nach einer Wohnung in der Nähe der Burg zu schauen.

29. Mai 2023



Der Affenfelsen. An diesem sehr hitzigen 2. Juli 2022 war er am frühen Nachmittag leer, die Sonne brannte heiß. Am frühen Abend gab es Halbschatten, und so manche hatten sich niedergelassen.



...



Eine Treppe im Gestein vom Affenfelsen führt in die Altstadt. Eine meiner liebsten Ecken. Wenn ich dort wohnen würde, dann am liebsten in der Nähe der Burg. Ich habe mal im Internet neugierhalber Mietwohnungen in St. Sebald recherchiert und war überrascht, dass sie gar nicht so extrem teuer wie erwartet waren.



28. Mai 2023







Jetzt habe ich aber das letzte Tor hinter mir gelassen. Um das Burggelände tut sich auch immer etwas. Eine Braut steht herum, aber die ist nicht echt. Sie posiert vermutlich für Fotos für ein Brautmodengeschäft. Echte Bräute stehen nicht gelangweilt ohne Bräutigam herum. Außerdem strahlt eine echte Braut und hat auch einen Brautstrauß. Den Look mit den superlangen Fingernägeln finde ich auch etwas speziell. Sehr bling-bling alles. Wähnte mich Sekunden in Dubai. Mir war nicht klar, welcher Hintergrund fokussiert wurde. Da wo ich stand, war keine Burg. Für ein Burgfräuleinfoto hätte er in die andere Richtung halten müssen.

28. Mai 2023







Das war so ein Ausguck über eine hölzerne Treppe, wie ein gezimmerter Balkon im Allgäu. Am anderen Ende vom Gelände, wo es zu den Burggärten geht. Zu denen komme ich auch noch ausgiebig, viele Stunden später. Alle hatten Hüte auf, außer mir!

28. Mai 2023







Noch ein Tor und noch ein Tor und noch ein Tor. Das Verwinkelte und die Unüberschaubarkeit zaubern den besonderen Charme der Nürnberger Kaiserburg. Ich begeistere mich für jeden Torbogen.

27. Mai 2023



Es geht weiter. Mein drittes oder viertes Kaleidoskop-Werk, work in progress. In wenigen Jahren, ja teilweise heute schon, wird es vielleicht gar keine gedruckten Eintrittskarten mehr geben. Ich hebe heute auch schon keine digitalen Tickets mit QR-Code mehr auf, die ich ausgedruckt bei mir hatte. In solche ästhetisch irrelevanten Dokumente meiner Ausgehaktivitäten wickle ich Obst- und Gemüseschnippelabfall, um Obstfliegen im Mülleimer entgegenzuarbeiten. Aber früher! Ja früher, da gab es fein gedruckte Eintritts-Billets, die man gerne einmal wieder angeschaut hat. Ich hätte fast geschrieben "in die Hand genommen", aber das stimmt ja nicht, das wäre ja gelogen. Wer macht einmal im Jahr die Schachtel mit den Reliquien auf und hält sie nach und nach gegen das Licht. Niemand. Nur, wenn es ans Ausmisten geht, oder man gezielt etwas sucht. Aber selbst um ein Datum einer Veranstaltung zu rekonstruieren, braucht es kein gedrucktes Ticket, alles, was im digitalen Zeitalter über die Bühne ging, ist im Internet dokumentiert. Wollte ich wissen, wann genau die Veranstaltung war, zu der jeweilige Flyer mit den Fotos von Saskia oder Maria oder Jenny gehörte, kann ich in meinem facebook-Veranstaltungs-Archiv suchen, oder noch schneller finde ich es in meinem digitalen Foto-Archiv, wo ich die Damen ordentlich mit ihrem Namen und dem Datum getagged und in Alben gepackt habe. Meine Reliquien-Bilder mit dem wilden Kaleidoskop an Tickets, Zetteln, Quittungen, Flyern und Bildchen sind absehbar ein Auslauf-Modell. Antiquierte, nostalgische Dokumente, Schätze einer untergehenden Ära.

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