02. Juni 2023





Neutormauer, Neutorstraße, Neutorgraben, Neutorbastion... uff. Verwirrend, diese ähnlichen Straßennamen im derselben Ecke. Also ich bin die Neutormauer entlang, mit diesen rosa Sandsteinquadern, dann ging davon eine Seitenstraße ab, die hieß Neutorstraße. Da war dann der abgeschrabbelte Bäckersladen, der den Betrieb aufgegeben hat. In meinem Mittelaltertaumel hielt ich es schon für möglich, dass der Bäcker inclusive der verblichenen, leicht zerfledderten Markisen auch noch aus Albrecht Dürers Zeiten stammt. Bei soviel Liebe zu Relikten des Mittelalters und der Renaissance. Aber das ist Unfug, schätze ich mal. Der Bäcker hat wohl vor wenigen Jahren sein Geschäft aufgeben müssen, die Konkurrenz von Backwaren aus dem Discounter war zu groß. Auch denkbar, dass in einer solchen Premium-Wohnlage anderweitig gespart wird, bei der Miete hat man ja keine billigere Alternative à la "Ach, ich gebe meine Mietkosten diesen Monat mal Aldi". Wohnraum-Discounter in Spitzenwohnlage wurden nicht erfunden.



g a g a - Fr, 2. Jun, 18:53

Sebastian Rogler
In dieser Bäckerei (ich wohne, wenn in Nürnberg, immer einen Steinwurf entfernt...) hab ich mir bis ca. 2017/2018 morgens nach 6.50 Uhr noch mein Tagesvesper gekauft, bevor ich auf div. umliegende Brotjobbaustellen fuhr (Burgen, Kirchen, Schlösschen etc.). Irgendwann war dann der Betrieb geschlossen und aufgegeben, sehr schade.

Gaga Nielsen
Sehr schade... Schön ist, dass dir so oft persönliche Geschichten zu so vielen Ecken einfallen.

g a g a - Fr, 2. Jun, 20:21

Sebastian Rogler
Na klar! Bin doch seit dreißig Jahren immer wieder dort. Es begann mit der Sebalduskirche seinerzeit. Aber auch viel schönes im Umland. Demnächst steht wohl an die bauhistorische Untersuchung eines Traditionslokals in der Altstadt, da freu ich mich sehr drauf... 🙂

Gaga Nielsen
So lange schon! "Traditionslokal in der Altstadt"....! Womöglich der Mautkeller? Oder am Hauptmarkt? Ist sicher der Diskretion unterliegend, aber ich bin naturgemäß neugierig 🙂 Als du angefangen hast in Nürnberg zu restaurieren, war ich schon in Berlin (ab April 1986).
g a g a - Fr, 2. Jun, 22:03

schneck
2. Juni 2023 um 21:22

Wird (noch) nicht verraten! / und ja, in den achtzigern bin ich oft nach B. gefahren, wie so viele, um dort hippe freunde zu besuchen. natürlich kreuzberg, natürlich neukölln. mit lauter STING-MUSIK in die sonnenallee eingebogen, nach 10h fahrt. 1986 im herbst wurde ich an der stuttgarter akademie zugelassen für freie kunst. 1988 versuchte ich nach B. an die HdK zu wechseln, ich war mir eigentlich sicher, dass das klappt, da ich ja schon an einer kunstakademie studierte. unvergesslich ein besuch bei Walter Stöhrer zur sprechstunde. er hat mir sehr zugeraten, ich könne gerne anfangen bei ihm, er sei aber nicht in der aufnahmekommission. wurde dann aber abgelehnt – in der noch handgetippten begründung stand: „…bereits im Ansatz ist ein Mangel an künstlerischer Begabung zu erkennen…“. den bescheid hatte ich eine zeit lang gerahmt an der wand hängen als zierde. aber es war schon ein jammer erstmal. wie anders wäre doch mein leben weiterverlaufen. es sind ja oft solche zufälle, und man weiss nie, ob es gut oder schlecht war. es war eben so – und das ist dann auch gut so. so hat es eben noch weitere 12 jahre gedauert, bis dann meine B-zeit begann… und sogleich auch die der kirschkern… :-)

Gaga Nielsen
2. Juni 2023 um 21:58
Oh danke für diese vertrauensvollen Erhellungen… Frage mich gerade, ob es heute noch solche drastischen Formulierungen gibt. „bereits im Ansatz…“ Auch eh immer eine interessante Frage, WIE subjektiv die Einstufung künstlerischer Begabung ist, sein kann, sein muss… Vielleicht bekommt man heute eher die Standardformulierung „Wir haben uns für einen andere/n Bewerber/in entschieden, (ohne konkretere Begründung) wie es in der Wirtschaft üblich ist. Der handgetippte Bescheid hat aus meiner Sicht auch enormes Potenzial weiterverarbeitet und damit konserviert/transformiert/transzendiert zu werden. Für mein Gewerkel habe ich auch sehr spezielle Bewertungskriterien entwickelt. Wenn sich akademisch ungeschulte Leute interessiert zeigen (Beispiel: Reinigungskraft unterbricht ihren Weg, bleibt stehen, guckt), fühle ich mich und das Werk geadelt und irgendwie auf dem richtigen Weg :-)
g a g a - Fr, 2. Jun, 22:38

schneck
2. Juni 2023 um 22:17
Das sind sowieso alles „richtige Wege“. Die „akademischen Bewertungen“ sind wichtig mit 23, danach noch, wenn es um Stipendien geht, deren Vergabe ja oft vom akademischen Personal getroffen werden. Gut ist es, wenn man davon gänzlich unabhängig wird und ist. Das Älterwerden macht da auch sehr frei, und das ist gut und dient den Ergebnissen der künstlerischen Arbeit und dem persönlichen Wohlbefinden diesbezüglich.

Gaga Nielsen
2. Juni 2023 um 22:33
Das unterschreibe ich.
arboretum - So, 2. Jul, 07:27

Ich erinnere mich dunkel daran, mal einen TV-Beitrag gesehen zu haben, in dem ging es darum, wie Kunstakademien die Mappen von Bewerbern bewerten. Ich weiß nicht mehr, welche Akademie eine ähnlich garstiges Feedback gab, aber ich erinnere mich noch daran, dass eine andere Akademie sehr enthusiastisch reagierte und einen Studienplatz zusagte. Der Witz war, es war ein und dieselbe Mappe.
g a g a - So, 2. Jul, 07:40

Das glaube ich gerne. Wenn im Entscheidungsgremium zufällig jemand ist, den eine spezielle künstlerische Energie trifft und die Überzeugung kraftvoll vor den anderen vertreten wird, kann das schon ausschlaggebend sein. Viel subjektives Empfinden ist da im Spiel - und insofern auch Glückssache für die Bewerber. Wenn ich mitunter sehe, was so in meiner Nachbarschaft in den vielen Galerien hängt und welche Biographien dahinterstecken, ist es für mein (ebenfalls sehr subjektives) Empfinden so breit gefächert, auch vom investigativen Arbeitsansatz, dass man von Kraut und Rüben sprechen kann. Ein akademischer Werdegang ist aber letzten Endes vor allem ein Eintrittsticket in Netzwerke, die dadurch leichter zugänglich werden und zu ersten Ausstellungsmöglichkeiten führen. Ein kraftvolles Werk kann sich aber auch anders den Weg bahnen. Nur das Vernetzen, um wahrgenommen zu werden, ist unentbehrlich. Geht aber auch ohne akademischen Segen als Entrée.
g a g a - So, 2. Jul, 22:21

schneck
2. Juli 2023 um 21:16
Da stimmt vieles. Aber ein paar Zäune möchte ich dennoch – jenseits von Äußerlichkeiten wie „Netzwerken“ und Karrieredingen – für einen akademischen Werdegang brechen. 1: Man bewegt sich dort als junger Mensch in einer Atmosphäre, die es erlaubt, sich 24 Stunden am Tag fast ausschließlich mit Kunst zu beschäftigen. Unter Gleich- oder ähnlich Gesinnten. Man darf sich aufgehoben fühlen und alle Kraft den künstlerischen Ideen widmen, ohne für verrückt erklärt zu werden, oder für arbeitsscheu, oder „lern-doch-was-Anständiges“ oder dem ewigen „Malen-kann-man-doch-auch-nebenher…“. / 2: Man kann auf kenntnisreiches Lehrpersonal zugreifen, bildästhetische Fragen stellen zum eigenen Werkfortschritt etc. bzw. muss sich bei Klassenbesprechungen ggf. rechtfertigen, Kritik annehmen oder begründet widerlegen. Letzteres ist enorm wichtig für eigene Bewusstwerdungen über die eigene Arbeit, incl. dem Erlernen, wie man über bildnerische Dinge spricht. Dabei wird einem oft selbst vieles klar, was ggf. vorher nicht der Fall oder lediglich „gefühlt“ war. Kritik kann in diesem Bereich oft sehr verletzend sein und man muss lernen, sich davor zu schützen. / 3: Der Zugriff auf Werkstätten und zugeordnete „technische Lehrer“, seien es druckgraphische Abteilungen, Stein-, Holz- oder Keramikwerkstätten etc.; in meiner Zeit gab es immer in den Semesterferien sog. „Werkstattmonate“, in denen man alles mögliche ausprobieren und einem bislang unbekannte technische Möglichkeiten und Dinge für die eigene Arbeit entdecken konnte. / 4: Ich bin noch vom alten Schlag und halte das Erlernen von Dingen für unerlässlich. Nur was ich „kann“, kann ich dann auch verwerfen. Denn was man nicht kann, das kommt auch schon von Anfang an nicht als Ausdrucksform eigener künstlerischer Ideen in Frage – was dann ggf. unehrlich ist (wenn man ehrlich ist…): Das „Nicht-Beherrschen“ wird später argumentativ weithergeholt verschleiert. Und das sollte nicht sein. Ich meine beispielsweise das Akt- und Kopfzeichnen, so altmodisch es auch klingen mag. In meiner Grundklasse wurde an drei von fünf Tagen das professoral begleitete Aktzeichnen angeboten. Und es gab einen „Akt-Saal“, in dem man auch später zeichnen oder malen konnte am lebenden Modell. Ich möchte diese Zeit heute nicht missen, obwohl ich das nun schon ewig nicht mehr gemacht habe. / 5: Die Ausstellungsmöglichkeiten, etwa Gesamtausstellungen der Akademie etc.; es ist ungemein wichtig, dass die Dinge, die man geschaffen hat, auch öffentlich zu sehen und zu diskutieren sind. Zudem erlernt man, Präsentationsformen zu erproben. Und eben nicht zuletzt, wie oben schopn erwähnt, sich dem Diskurs zu stellen. / All dies spricht sehr für die Ausbildung an einer Akademie. Der gesellschaftliche Gegenwind wird dort abgebremst und man darf laborieren in einer quasi „behüteten“ Atmosphäre. Der Haupt-Studieninhalt (des Studiengangs Freie Kunst) ist ohnehin dieser: Werde ich ein Leben lang das Künstlerische, das ich schaffen will, aus mir SELBST heraus schöpfen können? Ich erinnere meine ersten beiden „Schaffenskrisen“, in denen ich nach jew. dreimonatiger Ideenlosigkeit höchst verunsichert war, beinahe panisch, ich hätte den beruflich falschen Weg ergriffen. Als dann plötzlich neue Werke wie von selbst aus der Hand flossen wusste ich (nach dem zweiten Ideentief), dass man solche Phasen akzeptieren muss und dann eben mal was anderes tun sollte. Wer weiss, welche Schlüsse ohne Akademie ich gezogen hätte. / Und pardon liebe Gaga, ein langer Kommentar… ;-)

Gaga Nielsen
2. Juli 2023 um 22:16
Ja, großartige Möglichkeiten, ein großer Luxus, so lernen zu dürfen. Wer würde das verwerfen, wenn sich diese Tür auftut, niemand. Ganz sicher nicht. Es ist doch eher die Frage, wie kann man sich arrangieren und Frieden und einen konstruktiven Weg finden, wenn die Wege nicht so geebnet vor einem lagen. Ich kenne ja einige akademisch ausgebildete Maler und Malerinnen alter Schule. Die haben auch ihre eigene Sparte gewählt und gefunden, sind auch in vielem kenntnisreich, aber die Virtuosität kommt auch vom jahrelangen Anwenden, jenseits der angeleitet vermittelten Grundlagen. Handwerk ist erkennbar. Ich bin immer hellwach, wenn ich dazulernen kann, etwas Neues einfließt. Das sind auch organische Entwicklungen, man könnte auch sagen die Sehnsucht, etwas Neues zu entwickeln, und deshalb die eigene Klaviatur zu erweitern. Das sind bei mir ganz manische Phasen, da muss dann alles ausgelotet werden. Bei mir muss man sich niemals für lange Kommentare entschuldigen :-)

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