30. Juli 2014

Halb wehmütig, halb neidisch lese ich meine Einträge von vor fast sieben Jahren. November 2007. Alles so amüsant und amüsiert und launig und sogar Kommentare. Und noch dazu auf dem Level des Eintrags. Da war noch echter Enthusiasmus in den Strängen. Als hätte man gar nicht abwarten können, dass ein neuer Blogeintrag erscheint, den man endlich kommentieren kann! Ich muss an dieser Stelle alle Einträge ab dem 17. November 2007 empfehlen. Ja, ich möchte sie regelrecht andienen. Das war Entertainment. Man könnte denken, ich hatte Ambitionen in Richtung Show-Geschäft. Oder Schau-Geschäft, wie es früher hierzulande hieß. Man fängt idealerweise mit diesem Eintrag an (und immer die Kommentare lesen!)

Der Abend hat für mich eine besondere Faszination gehabt, nicht nur, bevor er stattgefunden hat. Auch noch danach. Wenn man jetzt weiter nach vorne, also Richtung Dezember blättert, kommt recht bald mein Frisuren-Katechismus für den Herrn, der meines Erachtens auch heute noch Gültigkeit beanspruchen kann. Beginnend mit Typ Südfrankreich und endend mit Typ Schach. Ist auch immer mit Fußnote zu allen anderen Folgen ergänzt. Der Service-Gedanke war mir eben immer schon wahnsinnig wichtig.

Warum ich aber überhaupt auf einmal darauf komme, genau dahin zurückzublättern, liegt an einem Foto, das jemand auf Flickr favorisiert hat. Ich bin selber drauf, ein sehr schönes Foto. Ich überlege schon wieder, ob ich mir doch wieder die Haare färbe. Allerdings war ich da auch sieben Jahre jünger und unternehmungslustig und hatte keine Kaufinteressenten und Handwerker in der Wohnung. Da muss man ja graue Haare kriegen. Jedenfalls schaue ich mir das Bild an, wundere mich, wie jemand dazu kommt, in meinem uferlosen Fotostream auf flickr, dieses eine Bild aufzugabeln und schaue, zu welchem Album es gehört. Ich dachte erst, ich gucke da so, weil ich in Gesellschaft von jemandem war, von jemandem bestimmten. Aber dann ist mir das Datum klar geworden, und dass es ja gar nicht sein kann, weil ich den da ja noch gar nicht gekannt habe, an den ich dabei dachte. Nun ja. Aber dann fiel mir wieder ein, was an dem Abend geschah. Es gab nämlich nicht nur ein Treffen mit Bloggern, damals im Muschi Obermaier, sondern ich hatte auch noch eine Begegnung mit einem Gast, der überhaupt nichts mit der kleinen Blogger-Gruppe zu tun hatte. Er war mit zwei Freunden da und die beiden redeten sehr inspiriert auf mich ein, man könnte sagen, es wurde geflirtet. Und er stand als Dritter in der Mitte und sah mir nur in die Augen. Fast ernst. Er sagte so gut wie gar nichts. Nicht, so lange die beiden Freunde daneben standen. Irgendwie kam es dazu, dass ich wieder vom Tresen zurück zu den Sitzgruppen ging, dieser Ansammlung von Ledersofas aus den Siebzigern. Und dann kam er alleine nach hinten, auf mich zu. Er war bestimmt nicht mehr nüchtern, aber das war ja keiner in dem Laden, zu dieser Stunde sowieso nicht. Er sagte Dinge zu mir, die ich noch nie zuvor gehört hatte. So unglaubliche Dinge, mit so einem großen Ernst, dass mir ganz schwindelig wurde. Nie mehr hat irgendwer solche Dinge zu mir gesagt. Wir sind dann getrennte Wege gegangen, ich ging alleine nach Hause, hatte aber eine Karte mit seiner Telefonnummer und seinem Namen. Ich trug mich wochenlang mit dem Gedanken, ihn anzurufen, oder in diesem sehr besonderen Restaurant zu besuchen, mit dem er zu tun hatte. Dann wurde ich krank. Diese Stimmbänder-Geschichte. Und ich hatte eine Ausrede, warum ich diesen Mann nicht anrufen oder besuchen konnte. Ich dachte, das hätte mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt, nach allem, was er mir an diesem Abend sagte. Ich habe es nicht vergessen. Ich fand in den letzten Tagen ein paar Spuren im Netz, ich weiß seinen Namen immer noch. Ein schöner Name. Und es gibt einen kleinen Film, in dem er er zu sehen ist. Er führt durch ein paar Lokale in Berlin, hier in Mitte. Man sieht ihn in einer Szene an einem der Tische seines Restaurants sitzen und erklären. Beim Gestikulieren sah man einen schmalen Ring an seiner Hand. Er war ziemlich trinkfest und wirkte sehr klar in diesem kleinen Film. Genauso klar wie damals. Ich hatte die Stimme und die Art zu sprechen gar nicht mehr in Erinnerung. Jetzt hörte ich sie noch einmal, die Stimme. Der Duktus erinnert mich an Gregor Gysi. Das ist interessant, weil er so hochdeutsch spricht, wie nur Berliner es tun. Aber er kommt aus einer anderen deutschen Stadt. Diese Erinnerung hat mich jetzt bestimmt schon drei Tage beschäftigt. Ich muss diese Begegnung einfach in Ehren halten. Weil nie zuvor und nie danach irgendjemand solche Dinge zu mir gesagt hat, wie dieser Mann mit dem schönen französischen Namen.

24. Juli 2014

Verlangsamte Aktivität. Hier und in meiner übrigen Welt. Gewisse Störfaktoren. Das Klima der letzten Wochen. In der Erdatmosphäre, Weltgeschichte, Privates. Zu hohe Luftfeuchtigkeit, tropisches Klima, das mich nachts schwer schlafen ließ, anstrengend das Atmen. Die Hitze nur durch umständliche Vorkehrungen abzuhalten. Dazwischen seit einigen Wochen Fremde in meinem Lebensraum. Kaufinteressenten. Die durch meine Wohnung, mein Schlafzimmer laufen. Anstatt die Wohnungssubstanz zu prüfen, mit romantischem Blick an den Bildern und der Einrichtung hängen bleiben. Und dann doch nicht kaufen. Wir haben jetzt zehn Jahre Sperrfrist für Eigenbedarf, seit letztem Herbst. Aber kein Gesetz zum "Milieuschutz" wie in Hamburg und seit kurzem in München. Es gibt einen Aktivisten in der SPD, dessen Antrag bislang nicht genug Zustimmung erfuhr. Man muss Besichtigung ermöglichen. Bis zu drei-, viermal im Monat. Das setzt mir zu. Das raubt mir Muße, die ich sonst zum Bloggen hätte. Ich konnte bislang an den Fingern einer Hand abzählen, wer in den letzten fünfzehn Jahren mein Schlafzimmer betreten hat. Und da sind der Eigentümer der Immobilienverwertungsgesellschaft und seine Tochter schon mitgezählt. Hat jemand Geld und Lust meine Wohnung Joachim- Ecke Auguststraße in Berlin Mitte für 269.793 Euro zu kaufen? Ich ziehe aber nicht freiwillig aus. Nicht in den nächsten Jahren. Und wenn die zehn Jahre um sind, nach dem Grundbucheintrag, sehen wir weiter. Dann bin ich ein Vierteljahrhundert in diesem Adlerhorst, an dem mein Herz hängt. Dass ich in Gedanken bei einer Patientin in einer Rehaklinik bin, die genau genommen meine Mama ist, ist noch eine andere Geschichte, die meine Aufmerksamkeit immer wieder absorbiert. Aber ich höre nicht auf zu bloggen. Ich doch nicht. Da sind noch so viele Wienbilder. So viele Sätze, von denen ich noch nicht weiß, dass ich sie schreiben muss. Will und werde.

19. Juli 2014

Schaue gerade Dietmar Otto Edler von Schönleiten genannt Schönherr, anlässlich des Todes von Dietmar Schönherr im RBB. Ich mochte ihn immer sehr gerne. Und seine Vivi. Sympathischer Querulant mit Herz. Charismatischer Mann auch. Da gibt es ganz viel Raumschiff Orion. Es hat ja eigentlich geheißen "Raumpatrouille Orion" aber wir haben immer nur Raumschiff Orion gesagt. Der Pionier Dietmar Schönherr. Erster deutschsprachiger Raumschiff-Commander. Erster Fernseh-Anarchist. Erster deutschsprachiger Talk-Master. Hier erklärt er in seiner ersten "Unterhaltung mit Gästen" das noch unbekannte Wort Talk-Show.

16. Juli 2014



Nicht Wien und nicht Rio. Berlin 1929. Auf einer neunzehn Jahre alten Video-Kassette zuerst eine Knef-Doku "Für mich soll's rote Rosen regnen", 1995. Danach eine Dokumentation von 1992 "Gärten der Côte d'Azur, 2. Teil". Danach "Affengeil – eine Reise durch Lottis Leben" von Rosa von Praunheim, 1990 mit Lotti Huber. Ich ließ es so nebenher laufen. Alle drei Filme ganz hervorragend. Mehr als fünfzehn Jahre nicht gesehen, vielleicht noch länger. Mir gefällt das leicht Verrauschte von alten VHS-Videos auf dem HD-Fernseher, der mir sonst zu Vieles überdeutlich und porentief serviert - ernüchternd. Jedenfalls erzählte Lotti, was ich eigentlich wusste, weil ich den Film und ihre Bücher ja seit geraumer Zeit kannte (und sie auch noch leibhaftig erzählend erleben durfte, ca. 1992 bei einem Auftritt in der Bar jeder Vernunft und in einem darauf folgenden Telefonat). Dass sie bei Wigman Unterricht besuchte, damals in Berlin, nachdem ihr der klassische Ballett-Tanz Überdruss bereitete ("schöpfen - streuen - schöpfen - streuen - schöpfen (...)") Fernseher an. Videorecorder an. Internet an. Ich gable mit halbem oder auch ganzem Ohr etwas auf und schaue, was es mittlerweile auf youtube an Material gibt. Und so fand ich diese Sequenz. Ohne Tonspur. Unglaubliche Performance.

13. Juli 2014


















"Eine der schönste Barockgassen Wiens heißt Kurrent. Sie verbindet die Steindlgasse mit dem Judenplatz. In ihr befinden sich zwei Restaurants: etwa in der Mitte, auf Nummer 8, das mit sogenannter bodenständiger, gutbürgerlicher Küche aufwartende Ofenloch (in dessen Gästebuch dereinst Friedrich Torberg schrieb, daß ihm das Ofenloch, von allen ihm bekannten Wiener Löchern, das mit Abstand sympathischste sei) und, kurz vor der kleinen Galerie, die hinter dem Rücken des Lessing-Denkmals am Judenplatz das erschütternde, alptraumhafte, die Schrecken des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau reflektierende Werk des Holocaust-Überlebenden Adolf Frankl zeigt, das mediterraner Küche hingegebene Pastell." ANDRÉ HELLER, EINE MOMENTAUFNAHME.



Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Oder nur ganz wenig. Vielleicht, dass ich ganz zufällig in der Kurrentgasse landete, und sie mir gleich gefiel. Aber als ich das Schild vom Ofenloch sah, dämmerte mir, dass ich durch eine glückliche Fügung in dieser Gasse gelandet war, die ich mir sowieso gerne anschauen wollte. Ein paar Meter weiter war dann auch das Pastell und erst da, wo die kleine Gasse auf den Judenplatz führt, sah ich mir das Schild an, auf dem Kurrentgasse stand. Ich hatte kurz vor meiner Reise, als eines der letzten Wienbücher, dieses kleine Sammelsurium vom André Heller gelesen, aus dem das Zitat stammt. Das habe ich mir gut gemerkt. Im weiteren Verlauf der Geschichte erzählt er, wie er im Pastell mit einer Freundin essen war und beschreibt eine seltsame Truppe, die ebenfalls dort war, und ihm nicht geheuer. Ich habe mich jedenfalls gefreut, dass die schöne kleine Gasse die Kurrent ist. Im weiteren Verlauf des Nachmittags, oder besser des Abends, bin ich auch noch einmal zurückgekerht, diesmal mit Duke. Wir waren im Ofenloch zum Abendessen. Wiener Schnitzel und Erdäpfel-Vogerl-Salat. Aber das erzähle ich alles noch en detail.









: : alle Wiener Geschichten : :

08. Juli 2014








More Vienna. Also weiter. Aus dem Tuchlaubenhof kommend, finde ich mich in der Seitzergasse. Eine nicht übersehbare Bauzaunverkleidung markiertproklamiertzitiertdefiniert das Goldene Quartier. Durch Wiederholung lernen wir. Die in vielfältigen Sand- und Beigetönen gewachsenen, aufgefächerten Fassaden wirken beruhigend, unerschütterlich etabliert. Das Establishment alter, gewürdigter Architektur. Die Wiener "Innere Stadt" ist Weltkulturerbe. Und das ist bestimmt keine Fehlentscheidung. Mir war schon einigermaßen klar, dass der Begriff "Goldenes Quartier" neueren Datums sein muss, denn das Althergebrachte, Selbstverständliche wird selten plakatiert. Es ist einfach allzu bekannt und deswegen obsolet, es groß an die Glocke zu hängen. Wie man eben auch nicht plakatieren würde "Der Goldene Komponist" (W. A. Mozart). Warum das Etikett fürs Quartier? Wahrscheinlich, eine Kampagne zur Status-Festigung, Unterfütterung der Exklusivität des Areals. Mit so einem schicken Etikett kann man sich noch besser abgrenzend verorten. Eine kleine, kostspielige Grenzziehung innerhalb des ersten Gemeindebezirks. Wahrscheinlich wird sich auch die entsprechend liquide Klientel finden, um das "Living" nicht nur auf der schicken Internetseite zu visualisieren. Schon schöne Wohnungsangebote. Teuer ist ja sehr relativ. Für den einen unbezahlbar, für den anderen Portokasse. Ich vermute, wer dringend interessiert ist, sehr viel Geld zu erwirtschaften, wird es auch irgendwie hinkriegen. Eine Frage des Willens. Könnte aber sein, dass es auf Dauer ein bißchen eintönig wird, wenn lauter gleichgestrickte Premium-Gelderwerber auf einem Haufen sind. Da muss dann wieder die Kunst ran, die Narren zur Belustigung. Und natürlich Drogen für das nächste Ekstase-Level. So viele finanziell sehr wohlhabende Menschen habe ich noch gar nicht getroffen, aber die Wenigen hatten oft einen starken Hunger nach Reichtum auf virtueller, visionärer Ebene. Dem, wofür die Kunst im besten Fall steht. Oder auch einfacher: sogenannte Lebenskünstler. Ich stehe da irgendwo dazwischen und schaue mir den ganzen Zirkus an. Wieder mal ein paar Gedankensprünge. Wie man eben auch mit den Gedanken springt, wenn man durch die Gassen von Wien flaniert, oder sonstwo auf dieser schönen Welt. Ah, ich höre Feuerwerk. Meine Nachbarn freuen sich. Sollte heute etwa der Dauerfluch des ewig finalen Halbfinales gebrochen werden? Unglaublich. Schon schön. Aber auch irgendwie... man möchte sich ein bißchen bei den Gastgebern entschuldigen... oh là là... fast hätte ich gestern meine Überschrift noch korrigiert... von wegen "Victory".... jetzt Khedira 5:0 in der 29 Minute...

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07. Juli 2014

VICTORY!



So, Herrschaften. Nun scheint es mir doch langsam an der Zeit, den tieferen Sinn dieser Jahrhundertaufnahme in Erinnerung zu bringen. Wir lesen nun gemeinsam die Bildunterschrift: "als Bomberpilot für's Gute an sich." Zunächst habe ich mich ja noch geziert, mich der großen, neuen weltweiten Bewegung anzuschließen. Wo ich jetzt aber die Beweggründe lese, warum auf einmal überall Bildchen mit Helm und Sonnenbrille ins Poesiealbum geklebt werden, sinngemäß: "ich weiß nicht warum ich das mache, aber kid37 hat es auch gemacht!" "Und Herr Speedhiking" "Und Mek." "Und Dings und Bums." "Und als erster Schneck", da blutet mir als engagierter Politbloggerin freilich das Herz, wie wenig die große Sache erwähnt wird. Allein aus diesem Grunde, nicht etwa aus Spieltrieb oder eitlem Profilierungszwang oder Blödsinn, habe ich mich daher genötigt gesehen, meinerseits eine Solidaritätskundgebung zu verfassen, um auf die gute Sache hinzuweisen. Wir kämpfen als Bomberpiloten und Bomberpilotinnen für's Gute an sich! Also ich jedenfalls! Das ist kein Fahrradhelm und kein Motorradhelm und kein Bergsteigerhelm und kein Baustellenhelm, sondern ein Bomberhelm! Und wir werden siegen! Meiner hat schon ein paar Schrammen davongetragen, aber wo gehobelt wird, fallen Späne!


05. Juli 2014







Wien, Vienna. Tuchlauben. Das wird es dann auch gewesen sein, mit Pferde- und Fiakerbildern. Aber so als atmosphärischer Einstieg ist es schon angemessen, mit einem der bekanntesten Klischees aufzuwarten. Man muss aufpassen beim Bloggen, dass man eben nicht den Fehler (im wahrsten Sinne des Wortes, es würde fehlen) macht, die Klischees akribisch auszusparen, um aus einer unvirtuosen Profilierungsambition eine irgendwie andere Sicht auf einen bekannten Ort zu präsentieren. Das kann man vielleicht machen, wenn das Publikum alles bis zum Überdruss kennt, aber davon kann man nicht ausgehen. Ich meine: ich kannte es nicht, wenigstens nicht ausführlich, weil ich noch nie vorher in Wien war.




































Also bitte: was will man sehen? Graffiti-Mauern, wo man nicht mehr sicher ist, ob man ein Foto aus Berlin vor sich hat oder von sonstwo? Nein! Ich will die Innere Stadt sehen, das was die österreichische Metropole so unverwechselbar, nicht austauschbar macht. Den Otto-Wagner-Krempel und die Klimt-Sachen. Und die Kaffeehäuser. Und die Pferde, und die Kutschen und den ganzen Stuck, und alles andere habe ich hier. Sonst hätte ich nicht nach Wien gebraucht. Also bitte. Und jetzt Tuchlauben. Das hört sich erst einmal nicht wie ein Name von einer Straße an, ist aber so. Es ist nicht die Tuchlaubenstraße oder die Tuchlaubenallee oder die Tuchlaubengasse oder die Tuchlaubenchaussee, nein: Tuchlauben, nichts weiter. Am Stephansplatz bin ich herausgekommen und dann irgendwie nach Lust und Laune weitergelaufen, ohne auf den Stadtplan zu schauen, mit dem einzigen Ziel, mich treiben zu lassen. Da war auf einmal die Ecke mit dem Café Korb. Es war so ein gemischtes Wetter, mal wolkig, mal schon ein bißchen Sonne. Ich blieb kurz stehen, Brandstätte Ecke Tuchlauben. Irgendetwas gefiel mir an dem Café, aber dann dachte ich, es wäre doch etwas früh, um eine Pause einzulegen, wo ich noch gar nicht viel gesehen hatte. Also bin ich weiter. Die Ecke mit dem "Actors Studio" angeschaut, da ist ein Kino drin. Der Yves Saint Laurent-Film lief gerade, den ich mir auch noch irgendwann einmal anschauen will.



Es ist also kein Ableger von der Schauspielschule in New York, wie man vielleicht denken könnte. Dann bin ich weiter, immer der Nase nach, eine Kutsche kam vorbei, ich ging in einen Hinterhof, aus Neugier. Da, wo das Schild mit der Stiege war, der runde Innenhof. Im Durchgang stand ein Handwerker, ein Maler und wartete auf irgendwas, später hat er telefoniert. Ich bin wieder aus dem Hof gegangen und weiter, Richtung "Gunkel". Ein uraltes Geschäft! (Motto: "Wäsche so fein, die kann nur von Gunkel sein!") Schon seit 250 Jahren oder so ähnlich gibt es den Laden. Im Schaufenster war Bettzeug, so Haushaltsachen. Ich dachte, vielleicht haben sie auch so Küchenzubehör, ich hätte für unsere Ferienwohnung gerne so eine Kaffeekanne zum Pressen gehabt, wo man heißes Wasser aufgießt und dann runterdrückt. Mir fällt der Name wieder nicht ein. Es gab zwar eine Kaffeemaschine in der Wohnung, aber so eine mit so einem blöden Kapselsystem, die kann ich gar nicht leiden, ja ich möchte sagen, sie sind mir zutiefst unsympathisch. Für jede einzelne Tasse so ein Plastiktöpfchen-Müll, das ärgert mich direkt! Ich hatte auch ein Päckchen Kaffee von daheim mitgenommen, aber wegen der Kapselmaschine konnte ich den gar nicht verwenden. Und dann waren auch Kapseln vorrätig und wir haben eben dann doch damit Kaffee gekocht. Das war aber an dem Morgen, bevor wir los sind, noch eine Wissenschaft. Weil Duke auch nicht gewusst hat, wie das funktioniert, haben wir erst einmal auf youtube ein Video suchen müssen, wo man sieht, wie man so eine Maschine bedient. Für alles waren Betriebsanleitungen in der Wohnung, aber nicht für die blöde Kaffeemaschine! Wir haben also zweimal ein Lern-Video auf youtube angeschaut, und uns noch dabei über uns selber kaputt gelacht, weil wir soviel Zeit damit vertrödelt haben. Blöde Witze gemacht, etwa sinngemäß: "Wenn wir Nichts von Wien gesehen haben, können wir es ja damit entschuldigen, dass wir es nicht zu den Sehenswürdigkeiten geschafft haben weil wir stundenlang auf youtube Tutorials anschauen mussten, in denen erklärt wird, wie die Kaffeemaschine funktioniert!". Langer Rede kurzer Sinn: ich bin also zu Gunkel rein, um nach so einer Pressmaschine zu schauen. Kaufhäuser waren mir bis dato nämlich noch nicht über den Weg gelaufen, später haben ich dann gelernt, dass es Kaufhäuser, wie man sie aus Deutschland kennt, hier gar nicht gibt. Gunkel hat zwei Etagen und ist riesig! Riesig ist auch die Belegschaft, wenigstens ist es mir so vorgekommen. Überall, an jeder Ecke stand eine Verkäuferin in einem gelbschwarzen Kittel, glaube ich. So eine Verkaufsuniform wohl. Und überall hieß es: "Grüß Gott!". Ein richtiger Grüß-Gott-Chor hat mich empfangen, das war etwas ungewohnt. Ich habe dann auch einen Gruß vernehmen lassen, war mir aber sehr unsicher, ob es unschicklich ist, wenn ich auf Grüß Gott mit "Guten Tag!" antworte. Vielleicht komme ich dann ja in die Gunkel-Hölle. Ich habe mich ein bißchen beobachtet gefühlt. So war es wahrscheinlich auch. Viele Kunden waren nicht im Geschäft, so hat sich die ganze Konzentration auf mich fokussiert, quasi. Ich wurde dann auch gefragt, ob ich Hilfe bräuchte, was ja eigentlich gestimmt hätte, aber ich habe dankend abgelehnt, weil ich die Befürchtung hatte, dass man mir ein ähnliches Produkt präsentiert, aber nicht das, was ich will und brauche und es dann aus lauter Höflichkeit kaufe, um die beflissene Verkäuferin nicht zu enttäuschen. Ich bin dann alleine durch die vielen Auslagen flaniert und habe recht bald gemerkt, dass es zwar silberne Salz- und Pfefferstreuer und Kerzenhalter gibt und jede Menge Tisch- und Bettwäsche, aber nicht so etwas konkret Praktisches für die Küche, also jedenfalls keine Kaffeekoch-Gerätschaften oder andere kannenartigen Behältnisse. Aber ich war mal bei Gunkel! Als ich gegangen bin, habe ich mich artig von allen Verkäuferinnen mit "Auf Wiedersehen" verabschiedet. Zumindest von denen, die mich im Fokus hatten. Als ich wieder draußen war, war ich direkt ein bißchen erleichtert. In so einem Traditionsgeschäft bewegt man sich doch ein bißchen wie in einem Kirchenschiff, man möchte nicht wegen Fehlverhaltens unangenehm auffallen. Also ich jedenfalls nicht. Draußen habe ich mich dann ausgiebig den blechernen, runden Markisen vor den Gunkel-Fenstern gewidmet. Bildschöne Konstruktion. Ich konnte gar nicht genug Fotos davon machen, wie man sieht. Sind aber auch schöne Bilder. Nicht weit von Gunkel, schräg gegenüber, ist mir der Mattoni-Hof aufgefallen, gleich fotografiert, also die Fassade. Und dann wurde es richtig schick, da bei Miu Miu, wo es zum Tuchlauben-Hof geht, da wo demnächst auch Alexander McQueen posthum einziehen wird. Die Baustellenverkleidung mit dem Jahrhundertwende-Pärchen und der Aufschrift "Goldenes Quartier" hat mir dann schon so eine Idee vermittelt, welchen Stellenwert die Ecke ungefähr hat, wo ich mich gerade befinde. Also nicht im blechernen oder Alteisen-Quartier, sondern im Goldenen Quartier! Da, wo man ein teures Geschäft aufmachen kann. Was das genauer ist, habe ich dann wieder erst daheim in Berlin ausgetüftelt und recherchiert. Jetzt bin ich schlauer. Ich weiß nun Bescheid, insidermäßig! Ach ja, ich wollte ja noch erzählen, warum ich alleine rumgelaufen bin, was aber sehr super war, weil ich es ja sonst auch immer so halte, also meinem Naturell entspricht, sozusagen. Als wir morgens in der Küche youtube-Videos über die Kaffemaschine geschaut haben, wurde nebenher auch noch verabredet, dass wir nach der Fuchs-Villa verschiedene Sachen machen. Duke hat sich in einem Café zum Wiedersehen mit seiner früheren Frau verabredet und wir haben dann gesagt, dass ich ihn später da abhole, so gegen siebzehn Uhr, also gut drei Stunden später. Darauf war ich auch schon sehr gespannt, weil ich dann ja auch mal eine Wienerin treffen würde. Ich habe mir schon gedacht, dass ich bestimmt keine Probleme hätte, die drei Stunden alleine herumzugondeln, und so war es dann ja auch. Duke wird jetzt also auch erstmalig durch die Bilder sehen, wo ich überall war. So kann man ein bißchen mit mir mitflanieren und sehen, was mir angenehm ins Auge gestochen ist. Ach ja, zum Café Korb wollte ich noch schreiben, dass ich mich schon wieder ein bißchen geärgert habe, dass ich vorher nicht gewusst habe, dass ich da vielleicht doch hätte hineingehen sollen, weil ich die Inhaberin, die Frau Widl, so interessant finde. Na ja, nun ist es zu spät. Im Keller soll auch ein modernes Klo sein, das einen Design-Preis bekommen hat. Also die ganzen Toiletten- Räume unten, ultramodern. "Dieses WC ist einen Besuch wert!" Aber oben, im Gastraum, wohl die original alte Fünfziger-Jahre-Einrichtung, von der Grundrenovierung. Na ja, ich kann es nicht beurteilen, ich war ja nun leider nicht drin! Das nächste mal dann.



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