13. Dezember 2021
"(...) Später als Grosz bereits als der radikalste Karikaturist der deutschen Bourgeoisie und ihrer Militärclique galt, erklärte er, seine Haltung sei marxistisch fundiert. Aber die gesellschaftskritische Schärfe, die aus seinen Werken spricht, dürfte aus seinen Jugendjahren stammen, in denen er die Berliner Hinterhöfe kennenlernte oder mit ansehen mußte, wie arrogante, monokeltragende Offiziere seine Mutter wie eine Dienstmagd herumkommandierten.
Grosz selber hält ein anderes, freundlicheres Kindheitserlebnis für wesentlicher. Eines Nachts sei er auf eine Kiste stiegen und habe heimlich in das Schlafzimmer einer Frau geblickt, die sich entkleidete. Gemächlich schälte sie sich aus Bluse und Rock und Korsett und Unterrock - den Hüllen, die den Körper einer Dame der Jahrhundertwende zu verbergen pflegten. Schließlich stand sie nackt, nur mit Strumpfbändern am Leib, vor dem Spiegel, löste den Dutt, zu dem ihr sehr langes Haar zusammengehalten war, und kämmte es - ohne zu ahnen, daß draußen vor dem Fenster ein Junge stand, der sie fasziniert beobachtete. »Dieser Anblick ging mir durch und durch«, schrieb Grosz später. »Es war ungeheuerlich! Ich habe bis heute diesen ersten Eindruck nicht überwunden. Ich wollte ihn auch gar nicht überwinden.«"
Otto Friedrich, Weltstadt Berlin - Größe und Untergang 1918 - 1933, Verlag Kurt Desch 1973, S. 143
Grosz selber hält ein anderes, freundlicheres Kindheitserlebnis für wesentlicher. Eines Nachts sei er auf eine Kiste stiegen und habe heimlich in das Schlafzimmer einer Frau geblickt, die sich entkleidete. Gemächlich schälte sie sich aus Bluse und Rock und Korsett und Unterrock - den Hüllen, die den Körper einer Dame der Jahrhundertwende zu verbergen pflegten. Schließlich stand sie nackt, nur mit Strumpfbändern am Leib, vor dem Spiegel, löste den Dutt, zu dem ihr sehr langes Haar zusammengehalten war, und kämmte es - ohne zu ahnen, daß draußen vor dem Fenster ein Junge stand, der sie fasziniert beobachtete. »Dieser Anblick ging mir durch und durch«, schrieb Grosz später. »Es war ungeheuerlich! Ich habe bis heute diesen ersten Eindruck nicht überwunden. Ich wollte ihn auch gar nicht überwinden.«"
Otto Friedrich, Weltstadt Berlin - Größe und Untergang 1918 - 1933, Verlag Kurt Desch 1973, S. 143
g a g a - 13. Dezember 2021, 23:45