15. januar 2005

auswärts. hier
und
da
und
dort

13. januar 2005

es gibt auch abende, an denen man beim lesen staunt. heute, gerade eben. die folgenden sätze, die aus dem jahr 1996 stammen, sind, unglaublich aber wahr von - . nein. erst lesen

"Gestern wurde im Tempodrom Abschied von Rio Reiser genommen. Und ich träume immer noch davon, daß anschließend im Berliner Dom ein feierliches Requiem für ihn stattfindet - mit den Repräsentanten des Volkes. Ich träume, daß der Sarg mit den sterblichen Überresten von Rio Reiser für heut’ und alle Zeit in der Gruft unterm Dom beigesetzt wird. Da, wo Deutschlands Könige und Kaiser ruhen! Das wäre ein Wallfahrtsort nach meinem geschmacklosen Geschmack, die ganzen Wilhelms und Friedrich-Wilhelms und dazwischen einer, der es gerne geworden wäre, als es längst keine Könige mehr gab. Und auf dem Sarg ein Schild mit vollem Adelstitel: „Rio Reiser von Ton Steine Scherben"

da hat sich wer ins zeug gelegt. ganz abgesehen davon, dass sich rio unter seinem apfelbaum sicher wohler fühlt. ein platz zum gedenken, hier oder da in berlin, wäre schon schön. vielleicht gibt es einen, und ich weiß es nur nicht.

das da oben hat allen ernstes der seelentröster jürgen fliege am tag nach dem gedenkkonzert in der bz geschrieben. salbungsvoll. fast schon monströs. was herr fliege großartig mit rio am hut gehabt hat - keine ahnung. wir wissen es nicht. aber der respekt scheint ehrlich zu sein. schade, dass die zeitung nicht zu seinen lebzeiten platz für eine solche ehrerbietung eingeräumt hat. vielleicht wäre sein verrückter traum ja ein kleines bißchen wahr geworden. ein könig, der klavier spielt und seinem volk sein liebstes volkslied vorsingt: "wenn ich ein vöglein wär".

ich erinnere mich, als er gerade diesen hit hatte, gab es ein längeres interview im tip. da war so ein fragebogen. und das lied war die antwort auf die frage, ob er ein lieblingslied hätte. und eine lieblingsfarbe? ja: blau. und ein lieblingswort? ja: und. das versteht man sofort oder nie.

ich habe dann noch ein paar andere artikel aus diesem riesenarchiv über jenes legendäre abschiedskonzert im tempodrom gelesen. damals, wäre ich gerne dabei gewesen, aber die karten waren ganz schnell weg und ich hatte keinerlei lust auf gedränge oder gar womöglich volksfest vor dem unzugänglichen zelt.

als rio gestorben ist, hatte ich einen schock. ich wurde kreidebleich und fühlte ein taumeln. an diesem morgen, als ich die schlagzeile beim vorbeigehen an einem kiosk sah. es war, als würde die temperatur der ganzen welt fallen. ich starrte benommen auf die zeitungsartikel aller zeitungen, die man bekommen konnte. tief traurig. das geschieht mir so gut wie nie, wenn jemand stirbt, den ich nicht persönlich kannte. aber irgendwie kannte ich ihn ja. es fühlte sich so an, ich konnte nichts dafür.

im sommer 1982 befand ich mich in einem ähnlichen zustand von mehrere wochen andauernder innerer fassungslosigkeit und trauer, als romy schneider in einem alter starb, das ich mittlerweile fast selbst erreicht habe. ihr leben und ihr tod fühlte sich nicht 'fertig' an. wie ein irrtum. wie ein stück, das im bestenfalls vorletzten akt plötzlich abgebrochen wird. es musste doch irgendwie endlich wieder besser werden, nach all den talfahrten. man wollte dieses einmalige lachen wieder sehen, dieses flutende heitere strahlen aus einer besseren welt, dieses glückliche, wärmende lächeln aus den zeiten von ’césar und rosalie’, diese heile, tiefe kraft, die ihre kindliche lebendigkeit verströmen konnte.

damals war ich sechzehn, und es war, als würde eine nächstmögliche verwandte, die man von herzen liebt und versteht (und im wirklichen leben so gar nicht hat), weggerissen. aus der welt gerissen. absurd vielleicht, so zu empfinden. beinahe hysterisch. vielleicht. aber nur vielleicht. und auf einer gewissen anderen ebene wahr. ein energiestrom, der die seele streichelte, verlor etwas. der innere clan stirbt weg. die wahren verwandten, die man gerne hätte - und auch irgendwie hat.

interessanterweise gibt es einige tote, die ich zu lebzeiten sehr mochte, deren tod sich mehr oder weniger folgerichtig anfühlt, beinahe heiter. ich fand den zeitpunkt von helmut newton sehr gut, auch peter ustinov. das sind eher beispiele von tiefer sympathie auf einer weniger sentimentalen ebene. in einem guten alter abgetreten. auch klaus kinski, der mir in der welt immer wieder aufs neue fehlt, wenn ich ihn in den wenigen berüchtigten interviews, die ich auf sperrigen alten videocassetten habe, sehe.

klaus kinski schien sich nicht zu einem zu frühen zeitpunkt zu entziehen. als hätte er alles gegeben, genug gehabt. als wäre er einfach fertig geworden. folgerichtig. es reicht. dieses „das ist doch vollkommen uninteressant, das interessiert doch niemanden“, von ihm als ungeduldige reaktion auf ewig klischeehafte interviewfragen, entgegnet, als hätte man ewig zeit, als würde sie einem nicht davonrennen. vielleicht war es das, vielleicht war er an genau dem punkt von ’genug davon’, in einem größeren kontext. dem größten. aber ich kann mich irren.

warum ich mir einbilde, das beurteilen zu können, weiß ich selber nicht. es gibt menschen, die man sieht und sofort überzeugt ist, sich wunderbar zu verstehen. ich weiß, daß ich mich mit ihm großartig verstanden hätte. wir hätten viel spaß gehabt. ich wundere mich auch nicht, wenn die freundliche brigitte grothum von ihren vielfachen erfahrungen mit ihm als überaus liebenswertem kollegen berichtet. da staune ich keine sekunde. warum auch. wer seinen eigenen inneren teufelsbraten kennt, hat wenig anlass für gestaune.

ein gutes jahr bevor hildegard knef starb, wurde ich trotz ihres erreichten alters (was erstaunlich genug war) auf diese merkwürdig betroffene art, latent nervös und unruhig, als ich hörte, dass sie in ernsthafter lebensgefahr schwebte, mit einer schweren lungenentzündung im krankenhaus lag. ich fing geradezu an zu bangen. ich hatte gerade noch ihre aktuelle coverversion von ’ne dame werd ich nie’ mit dem souligen groove und dem fast schon gewagten beat im ohr. ich war überhaupt nicht darauf gefasst. als wäre es meine allerpersönlichste angelegenheit, mich mit ihrem künftigen nicht-mehr-da- sein, nicht-mehr-in-der-welt-sein auseinanderzusetzen. meine ikonen. furchtbar.

ich erinnere mich als kind. im radio lief „eins und eins das macht zwei“ und „für mich soll’s rote rosen regnen“. ich war von der irgendwie mehr sprechenden als singenden stimme völlig fasziniert, darin lag so viel aufregendes, gelebtes leben. anfang zwanzig las ich alle bücher, die sie so geschrieben hatte, verschlang sie, ehrfürchtig vor ihrer kraft, vor ihrem schicksal, dem überwundenen (im wahrsten sinne des wortes ’über wunden’) voller - bewunderung. ich liebte ihre stimme wie mutter- milch. und hörte cassetten mit ihren bekanntesten liedern im reverse mode. als in den neunzigern eine sammlung mit sieben cds fast aller ihrer aufnahmen erschien, rannte ich sofort los, um endlich alles zu haben. mehr ihrer wunderbaren geschichten zu hören. denn ihre vielen texte sind große geschichten. was für eine fundgrube.

als sie dann mehr als ein gutes jahr nach jener lungenentzündung tatsächlich starb, hatte ich mich gefasst darauf eingestellt und es war gar nicht mehr schlimm. als ich ihren letzten zustand begriff, empfand ich es als willkommene erlösende transformation. notwendig. die wende ihrer körperlichen not.

jimi hendrix ist auch ein teil von dieser geheimen sippe. würde ich abendgebete sprechen, würde ich ihn immer einschließen. so viele sind es gar nicht, um die ich auf diese seltsame art trauere.

wie kann mir das derart nah gehen. es fühlt sich wie eine unterirdische verbindung auf einer unnennbaren ebene an. als ob man derselben zeitlosen seelensippe entstammt. einer sippe von verrückten leiden- schaftlichen menschen, die immer alles wollen, ihre grenzen ausloten, alles versuchen, vieles bekommen und vieles verlieren - weil sie so viel zu verlieren haben.

vielleicht das. brennend, lichterloh, oft verzeifelnd, impulsiv, wütend auch. aggressiv gegen sich selbst und - zum selbstschutz - gegen andere. und die sich wieder und wieder am eigenen schopf packen, um die großen verrückten träume - trotz allem entgleiten und scheitern, festzuhalten, neu zu erschaffen, egal wie oft sie verloren gegangen sein mögen. das alte lied. himmelhochjauchzend, zu tode berübt.

das ist eigentlich fast schon zu persönlich, privat, nah. darüber wollte ich gar nicht schreiben. es ist merkwürdig, wie die worte manchmal eigene wege zu finden scheinen. die finger kommen gerade noch hinterher, die plötzlich in eine vehemente richtung jagenden gedanken zu übertragen.

ich wollte eigentlich nur vermitteln, dass ich ungeheuer gerührt war, dieses konzert durch diese beschreibungen wieder ins gedächtnis gerufen zu bekommen. ich weine selten, wenn ich zeitungsartikel im internet lese. was da im internet hängt, kann gar nicht schlecht genug geschrieben sein, dass es mich nicht immer noch rühren würde. hier

12. januar 2005


wo du auch bist, du bist auf dieser erde
ich hoffe nur, dass ich dich finden kann
oder... von dir gefunden werde

ich glaub du bist ein - tierfilmer

bist du in china kommunist?
oder haust du ein bild auf dem montmartre in paris?
bist du ein fischer auf dem großen ozean?
fährst du grade weg oder kommst du grade an?

tierfilmer

ich glaub du bist ein tierfilmer
tierfilmer.

tier.


ulla meinecke


muß ich sagen. in den zwei jahren, die ich die platte jetzt höre, habe ich die luft ist rein und darauf dieses stück - noch nicht einmal zuviel gehört. man soll keine fremden zeilen auf seine seiten kopieren, aber das ist reklame und ehrerbietung für eine großartige sängerin, songschreiberin ohne verfallsdatum.

nicht alle texte auf dieser platte sind so freundlich und nett, aber immer mitten hinein, ins herz. wunderbare stücke, die sich einen feuchten kehricht um modischen effektkrempel scheren. (das muss man sich leisten können). wer so gut bei stimme ist, wie die wunderbare ulla meinecke, braucht keine häkelborten und keinen schnickschnack. kein mädchengesäusel. gottseidank. von mir aus könnte sie die texte auch sprechen, es wäre musik in meinen ohren.

nackt, schön und sentimental, böse auch - und doch so sanft. hoffnungslos unfähig, mit dem ewigen hoffen aufzuhören. auch gottseidank.

schade - ich hätte an dieser stelle gerne ein paar zeilen von fritz rau eingefügt, aber ich weiß nicht mehr, wo ich sie las. der text beschrieb seine eindrücke, als er diese cd das erste mal zuhause hörte. das war sehr anrührend, was er da schrieb, der alte fritz. er hatte wohl seitdem die platte nicht mehr gewechselt.

wenn du am abend zu mir kamst
und mich in deine arme nahmst

an meinem herzen
das wär schön

da lass dich gehn

(sonntag morgen)

11. januar 2005

ich bin ein bißchen perplex, als ich gestern in rudolf thomes tagebuch lese, dass er tatsächlich eine anzeige im berliner tagesspiegel geschaltet hat, die eine schlüsselfunktion in dem film haben wird, den er ab nächste woche mit hannelore elsner in charlottenburg und kreuzberg dreht.

ich dachte immer, zeitungsannoncen in filmen würden, ohne aus- nahme, von geschickten requisiteuren hergestellt. das muss teuer sein, so eine große anzeige. verrückt. für einen kurzen moment frage ich mich, was mit ernstgemeinten zuschriften auf diese annonce geschehen mag. vermutlich nichts weiter. die chiffre-nummer ist wahrscheinlich blödsinn.

aber rudolf thome hat recht. wer könnte eine zeitungsseite authenti- scher herstellen, als eine echte zeitungsdruckerei. es hat außerdem etwas wunderbares, wenn ein traumgebilde in die reale welt tritt. seine vorgehensweise hat durchweg etwas unberechenbares. er ließ seine leser im letzten sommer am täglichen entstehen des drehbuchs teilhaben. er scheint selbst noch nicht so genau zu wissen, wo ihn der film hinführen wird. ich mag das. die herangehensweise.

den filmtitel finde ich allerdings ganz und gar fürchterlich. in der rolle des liebhabers würde ich neben der elsner eher jemanden vom kaliber von thomas fritsch besetzen. passendes alter, mehr als nur gutaussehend, charismatisch, mit seelentiefe und einer wunderbaren stimme, die man viel zu häufig nur aus dem doku-off und viel zu selten in filmen hört. da verstehe ich die wahl von thome überhaupt nicht.

na ja. wir werden sehen.

drehtagebuch

09. januar 2005

mein kleines biotop ist im winterschlaf. auf den verwunschenen steinen wächst ein zarter moosflaum mit der botschaft: "bitte nicht stören, wir schlafen noch"


winterschlaf

08. januar 2005


der vormittag


morgenrot und sonnenschlaf bis nachmittag
beim faulen blinzeln, warme gelbe sonnenflecken an der wand


05. januar 2005

die sonne versteckte sich
dann kam das blau

und dann die nacht

der himmel heute in berlin


[ soundtrack: "an einem wundervoll leuchtenden strahlenden grauen und feuchten schmutzigen wintertag in berlin" ]

04. januar 2005

grießbrei. ich muß jetzt schreiben, warum ich mir schon wieder grießbrei gemacht habe. nie, zu keinem erinnerbaren zeitpunkt hat mir grießbrei in den letzten drei jahrzehnten irgendetwas bedeutet. ich muss den letzten teller davon in meiner kindheit, vielleicht ende der sechziger jahre gegessen haben. ich kann mich auch nicht erinnern, dass ich brei besonders gerne gemocht hätte. ich erinnere mich dunkel an das gefüttert werden. den löffel in den mund geschoben kriegen. von mama. und daran, dass sie den beim essen ver- kleckerten brei aus dem mundwinkel gewischt hat.

1987 musste ich mich einige tage um meine auf einmal halb- verwaisten kleinen neffen kümmern, einer davon war noch im kleinkindalter, zwei jahre. ich erinnere mich, dass ich ihm brei angerührt habe, den er besonders mochte. irgendein fertigprodukt, pulver, das man mit heißem wasser anrührt. nur um die genießbarkeit zu prüfen, probierte ich vor dem füttern immer ein löffelchen davon.

siebzehn jahre später in amerika. ich sitze am frühstückstisch und bin zu gast bei einer navajo-familie im südwesten der usa, dem größten reservat in nordamerika, das sich auf arizona, utah, colorado und new mexico erstreckt. wir sind gerade in utah, der blick aus dem küchenfenster geht nach arizona. weite, stille. frei lebende pferde frühstücken in der morgensonne wüstengras, von keinem zentimeter asphalt am wachsen gehindert.

sara, mobile krankenschwester im reservat, und mutter von fünf kindern, hat das frühstück zubereitet. das, was sie fast jeden morgen für ihre familie, die auf dem rainbow-plateau, der höchsten ansiedlung des reservats lebt, kocht. es gibt bratkartoffeln mit rührei, viel kaffee, navajo fry bread - ein fladenbrot aus weizenmehl, in der pfanne mit öl gebacken. alle erdenklichen sorten von kellogg’s knusperflocken sind im wandschrank griffbereit. joghurt, früchte, milch, eier, käse, honig, orangensaft. eine große flasche tabasco steht immer auf dem tisch. und neben der pfanne mit den kartoffeln steht ein großer hoher topf mit deckel.

in dem topf ist brei. es ist maisbrei. die farbe ist grau mit einem hauch blau. warmer brei. das ist der traditionellste teil des frühstücks. jeder nimmt davon. nicht jeder nimmt von all dem anderen (abgesehen von dem unwiderstehlichen, immer frisch gebackenen fladenbrot), aber jeder der familie nimmt sich ein kleines schüsselchen ‚blue corn mush’. manche rühren zucker hinein. ich bin nicht begeistert vom anblick des blaugrauen breis. er sieht schleimig aus, nicht wirklich lecker. kosten will ich aber schon.

die überraschung ist groß. ich nehme einen kleinen löffel des warmen breis in den mund und er schmeckt wie trost. weich warm und tröstend. als ob man von innen gestreichelt wird. ich fühle mich auf- gehoben, beschützt und versorgt, mit meinem brei-schüsselchen. ich sitze zufrieden da und bin einfach nur dankbar. ich bin wieder ein sattes kleines kind.

'blue corn’, der blaue mais, ist wie mais überhaupt, das heiligste nahrungsmittel für die navajo. ‚the pollen’ ist zentraler bestandteil ihrer spirituellen und weltlichen welt - beide welten sind ungetrennt, den vermeintlichen unterschied zwischen den welten verstehen ohnehin nur wir.

auf dem steinboden, zwischen dem runden esstisch und saras küchenzeile aus dunklem holz, steht ein mahlstein wie aus der steinzeit. er stammt noch von der letzten zeremonie für eine von saras töchtern, einer ‚coming of age-’ oder ‚puberty-cermony’, in dessen verlauf das mädchen drei tage ohne unterbrechung mais mahlen muss, mit unterstützung ihrer verwandten. später wird daraus ein riesiges fladenbrot, von geflochtenen maisblättern bedeckt gebacken, in einem erdofen neben dem hogan, in dem die zeremonie stattfindet (und in dem ich jetzt schlafe).

die anrührenden rituale innerhalb der dreitägigen zeremonie, die darüberhinaus stattfinden, treiben mir fast die tränen in die augen, als sara an einem anderen tag davon erzählt. der in der westlichen welt weit verbreitete begriff 'to walk in beauty’ , um das wesen und ideal ihrer spirituellen welt zu umschreiben, fällt kein einziges mal, schon alleine weil sara pompöse begriffe vemeidet. es gibt nichts prätentiöses in ihrer sprache. aber anmut wie wüstensand. das was sie nicht benennen muß, ist überall spürbar. beeindruckend und mehr als alles andere - zärtlich, anrührend.

vor zwei wochen etwa, im dezember, stand ich in berlin bei mir um die ecke, in dem kleinen spar-supermarkt, auguststraße ecke rosenthaler straße, der von einem asiatischen ehepaar geführt wird. es kann überhaupt keinen netteren supermarkt geben. ich kaufe ungefähr alle drei tage dort ein und aus irgendeinem grund packen mir die beiden seit jahren immer wieder meine tüten. obwohl ich jedesmal selber damit anfange, nehmen sie mir immer wieder zuvorkommend das einpacken aus der hand und lachen dabei schelmisch.

angeblich gibt es das nur in amerikanischen supermärkten. nein. ich kenne das von diesem kleinen supermarkt. allerdings machen die beiden das vielleicht nur deswegen bei mir, weil ich vor fünf jahren durch einen gipsarm einige monate nicht gut selber eintüten konnte. manchmal müssen die kunden nach mir deswegen ein bißchen warten, aber die beiden zelebrieren es wie ein ritual, mit einem warmen lächeln. ich fühle mich verwöhnt wie ein baby. blöderweise habe ich noch nie beobachtet, das sie für andere kunden eintüten. es ist mir ein bißchen ein rätsel, womit ich diese ausnahmebehandlung trotz meines längst wieder gesunden arms verdiene.

in diesem supermarkt stand ich also vor einigen tagen ein bißchen unentschlossen, und mein blick fiel auf eine packung grießbrei. es war kalt draußen, und ich stellte mir plötzlich vor, wie gut es sein müßte, einen teller warmen süßen brei zu essen. zum aufwärmen. ich war selbst überrascht, mit welcher begeisterung ich mich bereits auf den geschmack freute. auf der packung las ich, dass man milch dazu braucht. milch hatte ich.

ich ging schnell nach hause und setzte milch auf. rührte den griess in die aufgekochte milch. ließ den brei fünf minuten stehen. rührte nochmal. banane könnte gut dazu schmecken dachte ich mir. der brei war fertig. ich zündete mein kerzenfeuer an, machte es mir gemütlich und löffelte den brei. und war selig. trost. ich fütterte mich mit tröstendem warmen brei und fühlte mich aufgehoben und zuhause. satt und warm. das war der erste grießbrei seit meiner kindheit.

wenige tage später hatte ich schon wieder appetit darauf. mein zweiter grießbrei wurde richtig raffiniert. ich rührte einen schuss eierlikör hinein, ein paar übriggebliebene milkaherzen und wieder bananen- stückchen. ich aß. ich war selig. ich seufzte. es schmeckte großartig. satt und zufrieden wurde mir klar, dass ich mir dieses vergnügen unbedingt noch oft bereiten muß. die packung grieß war leer.

und heute kaufte ich zwei neue packungen grießbrei. wieder in der bereits bewährten eierlikör-banane-schoko-kombination zubereitet. es müssen keinesfalls milkaherzen sein, die ich ohnehin nur hatte, weil ich sie geschenkt bekam. andere schokolade geht auch. das tolle ist, dass die schokolade langsam weich wird, wenn der heiße brei darüber gelaufen ist und auf der zunge restlos schmilzt. großartig.

ich glaube, es gibt nicht viele erwachsene in unserer kultur, die in betracht ziehen, brei zu essen, außer wenn sie krank sind. aber ich rate es ab jetzt allen. unbedingt. esst grießbrei. was für ein wunder- barer trost an einem kalten winterabend.


trost

02. januar 2005


[ progress ]

02. januar 2005


halbacht

NeonWilderness
Yay, es muss auf den...
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Isabel Bogdan Aber...
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