16. September 2025



Unbewusst auf dem Heimweg eingefangen: das über hundertjährige Haus "Kliffende" an der Abbruchkante des Kliffs bei Kampen. Geschichtsträchtig und immer wieder abbruchgefährdet. Einst Gästehaus, Thomas Mann wohnte neben anderen Künstlern dort. Heute in Privatbesitz. Thomas Mann vermerkte in Gästebucheinträgen nach zwei Sommern auf Sylt:

"– Kampen, den 11. September 1927
Nicht Glück oder Unglück – der Tiefgang des Lebens ist es, worauf es ankommt. An diesem erschütternden Meere habe ich tief gelebt, und was es aufregte, das wird, gebe es Gott, irgendwie einmal ehrenhaft fruchtbar werden. Auch will ich wiederkommen. Man sollte freilich wohl nie wiederholen wollen, denn von vornherein ist gewiß, daß es das andere Mal anders sein wird. Aber schon aus Dankbarkeit will ich wiederkehren: dem dauerhaften Gefühl des Dankes, den ich hiermit den Wirten dieses guten Hauses von Herzen abstatte.

– 30. August 1928,
Wir reisen wieder einmal. Wie gut, daß Kliffende bleibt.“


Insgesamt sind wohl drei Sommer dokumentiert, die Thomas Mann dort urlaubte. 1921 eine Woche in Wenningstedt, einem Ortsteil von Sylt, direkt unterhalb von Kampen, wo das Rote Kliff beginnt, und jeweils einen ganzen Monat 1927 und 1928 in Kliffende. Im Jahr darauf, 1929, entdeckte Mann die Kurische Nehrung für sich, auch eine Landschaft mit einer großen Wanderdüne. Im Ort Nida bzw. früher Nidden genannt (vormals Ostpreußen, heute Litauen), baute er sich 1930 ein eigenes Ferienhaus, eine Art Blockhaus im nordischen Baustil, mit blauen Fenstern. Ich war dort, habe das heute "Thomas Mann Haus" genannte, damalige Feriendomizil der Manns besucht. Eine Künstlerkolonie von expressionistischen deutschen Malern hatte sich in den Zwanzigern dort angesiedelt, das wird Mann darauf aufmerksam gemacht haben. Also war die hingebungsvolle Schwärmerei für Sylt und Kliffende von der Kurischen Nehrung übertroffen worden. Die Wanderdüne dort ist auch zauberhaft, aber weitläufig gesperrtes Naturschutzgebiet, sehr unzugänglich, wenn man sich nicht gerade auf Abwegen hineinverirrt, wie mir widerfahren ist. Zum Glück. Die Familie Mann verbrachte nur wenige Sommer dort, dann mussten sie es aufgrund der Emigration im Stich lassen.



Aber zurück zu Sylt und Kliffende. Heute gehört das weitläufige Haus (das ich aus der Entfernung gesehen, zunächst für zwei separate Reet-Häuser hielt) einem Schweizer Immobilien- und Grundstücks-Investor, der bei Anwesenheit die Schweizer Flagge hisst. Für mein Empfinden ein peinlicher Akt, der tief blicken lässt. Nicht nur wegen der plumpen nationalistischen Eroberungsanmutung, auch farbästhetisch. Der eckige rote Fleck auf dem Mast ist wie eine grobmotorische Ohrfeige im Gesamtszenario subtiler nordischer Farbgebung. Ich hatte Schweizer bis dato als eleganter, zurückhaltender verschubladet.



Aber Flaggen scheinen eine besondere Vorliebe von Kampener Gewerbetreibenden zu sein. Für meinen Geschmack viel zu viele Masten, die albern beflaggt im Zentrum von Kampen vor Ferienhäusern und Läden flattern, ob mit Werbeschriftzügen oder sonstigem. Erinnert mich an die marktschreierische Beflaggung vor riesigen Einkaufscentern oder Möbelhäusern in der Provinz oder Industriegebieten. Keitum zeigt sich in der Hinsicht zurückhaltend.

P.S. bemerkenswerte Aufnahmen, die Kliffende bei Nacht aus nächster Nähe zeigen, wie es heute aussieht.

15. September 2025



Beruhigende Landschaft. Die Weite hatte ich mir nicht ausgemalt.





14. September 2025



Während ich die Fotos ansehe, bekomme ich einen Ohrwurm. Wie ein Papagei oder eine hängen gebliebene Schallplatte: "Deine Spuren im Sand, die ich gestern noch fand, hat der Wind mitgenommen" etc., jener Schlager von Howard Carpendale. Vor fünfzig Jahren in den deutschen Hitparaden. 1975. Ich war zehn. Möchte man nicht haben, den Ohrwurm. Konfrontationstherapie? Sich dem aussetzen, auf youtube hören, den Text vollständig lesen. So geschehen. Hatte ein wenig Frösteln bei der Lektüre. Diese knappen, einfachen Sätze, die durchaus Wahres vermitteln:

„Wir hatten Sonne und Sterne und die Dünen nur und das weite Meer. (…) Wie einfach und klar doch alles war. Deine Spuren im Sand, die ich gestern noch fand, hat die Flut mitgenommen.“

(die folgenden Zeilen waren mir völlig neu:)

„Ich weiß nicht, wann du anfingst, ohne mich den Strand entlang zu gehen. Und wenn ich dich danach fragte. stumm an mir vorbeizusehen. Bis man die ganze Wahrheit versteht, ist es nicht selten zu spät (…) Deine Liebe sie schwand, wie die Spuren im Sand, (…) hat die Flut mitgenommen.“



Schon harter Stoff. Dass so ein trauriges Lied so ein Erfolg wird... Entschuldigung liebes Sylt, dass ich Fotos von Dir mit diesen trostlosen Zeilen in Verbindung bringe. Ich war sehr gerne bei Dir.



14. September 2025









Da war dieser Junge. Er lief herum, alleine. Seine Eltern sicher unten in der Bar. Alt genug, um ein Smartphone zu haben und sich damit die Zeit zu vertreiben. Ganz ähnlich, wie ich mit meiner Kamera. Nur, ich war ohne Eltern da. Wenn ich die Bilder betrachte, wird mir klar, dass seine Situation meiner nicht unähnlich war. Ich kannte auch nur wenige Menschen. Hatte zwar vereinzelte, auch herzliche Begrüßungen hie und da, aber nur einen längeren Kontakt. Mit einem Jason, der sehr an den Exponaten und deren Geschichte und den besonderen Gegebenheiten der Galerie interessiert war. Ich konnte ihm viel dazu sagen. Mein Versuch, ihn mit dem Galeristen Thorsten bekannt zu machen, schlug leider fehl, ich hatte einen ungünstigen Zeitpunkt erwischt, weil er im Begriff war, sich mental auf seine Performance einzustimmen. Dann sah ich noch einige Menschen, die ich zuordnen konnte, mit denen ich ebenfalls nicht bekannt war. Was der Abend nicht änderte, obgleich die Stimmung herzlich war.



14. September 2025





Zeugnisse. Ja, auch ich war da. Ich existiere offenbar. Das mag verrückt klingen, aber das Gefühl kommt mir ab und zu abhanden.

14. September 2025





In Good Spirits. Musiker, Publikum bei Sevenstar am letzten Donnerstag. Die blonde junge Frau hat Gitarre gespielt und gesungen. Kennt sie jemand von Euch? Sie sprach nur Englisch.



14. September 2025



Style it Takes - wie Lou Reed und John Cale gesungen haben. Sevenstar Vibes. Ein bisschen edgy, arschcool, rockig, aber schon durchgestylt. Kamerafutter par excellence, wenn Galeriebesucher den Weg kreuzen, die aussehen, als hätten sie sich mit ihrem Schwarzweiß-Look und Hüten vor ihren Kleiderschränken abgestimmt. Der Cowboy und das Cowgirl kannten sich gar nicht.



14. September 2025







Unbedingt der Erwähnung wert, die Schätze, die gegenwärtig bei Sevenstar zu sehen sind. Unter anderem: Klaus Kinski 1962 im Hotel Atlantic in Hamburg von Peter Nürnberg eingefangen. Diese großformatige Fotografie war auch in den Anfängen der Galerie dort vertreten. Eines der ikonischsten Bilder der Sammlung. Ich habe das Kinski-Bild auch damals abgelichtet, links davon Thorsten, wie er im Juni 2009 war, mit einer Lupe um den Hals. Er hat sie auch benutzt, ich kann mich noch ganz vage dran erinnern.

13. September 2025

11. September 2025. Nicht "Siebzehn Jahr, blondes Haar", sondern Siebzehn Jahr' Sevenstar aus meiner Kamera. Es war überaus gut besucht. Man hatte nicht den Eindruck, dass die zahllosen zeitgleichen Eröffnungen in dieser Nacht in der ganzen Stadt, die Besucher verstreut hätten. Ich habe ungefähr neunzig Prozent der Gäste nicht fotografiert. Extrem gutaussehende Menschen darunter, männlich als auch weiblich, divers. Fashionistas mit ausgezirkelten Haarschnitten und gut sitzenden Klamotten. Auch gute Getränke, hauptsächlich ein Weißwein namens "Bruderkuss Berlin". Und in weiser Vorausschau viele Helferlein hinter der Bar.



In der Bühnen-Nische gab es gegen 21 Uhr eine live Musik Performance - leider habe ich den Namen der sehr zart singenden und Gitarre spielenden Musikerin nicht mitbekommen, Mikro war bei der Ansprache bißchen leise eingestellt. Danach wurde es mystisch mit Weihrauch und Nebel und subtilem Gitarrengewitter und dem performendem Hausherrn. Zu meinem Bedauern konnte ich nicht bis zum Ende des Stelldicheins bleiben, wäre aber gerne. Immerhin verweilte ich länger als nur das mir aus Vernunftgründen (wg. elend frühem Wecker) verordnete Stündchen. Einer siebzehn- und einer neunzehnjährigen Besucherin erklärte ich an der Bar den Hintergrund der Jimi Hendrix-Fotos, sie guckten gerade intensiv auf eines. Jimi auf dem Bett, Jimi in der Küche am Herd, nochmal auf dem Bett, alles in der Londoner Wohnung von Ringo Starr, die er ihm freundschaftlich für Londoner Aufenthalte überlassen hatte. Fotos, die bereits im Mai im Amano hingen. In Vorbereitung des Katalogs hatte ich fein säuberlich den Hintergrund recherchiert. Dabei kam mir die Frage in den Sinn, was so junge Damen in eine Galerie führt, die eher von Menschen meiner Generation frequentiert wird, ob die Eltern...? Und so war es. Eine der Mütter kam hinzu. Die könnte sicher auch Geschichten von vor siebzehn Jahren erzählen, so wie ich. Aber morgen ist ja auch noch ein Tag.

13. September 2025



Schwertförmige Scheidenmuschel (Ensis ensis) heißen die länglichen Muscheln, auch Schwertförmige Messerscheide, Gebogene Schwertmuschel oder unspezifisch auch nur Schwertmuschel. Pharidae aus der Ordnung Adapedontaam, im Atlantik und den Nebenmeeren verbreitet. Am Strand beim Roten Kliff gesammelt, aufgeklaubt. Noch nie gesehen, auch nicht auf Föhr. Oder hab ich nicht darauf geachtet? Am Weststrand von Sylt, da beim Roten Kliff, lagen sie zuhauf im Sand, mehr als alle anderen Muscheln. Die auf dem Foto hab ich mitgenommen, das ist erlaubt. Aber: keine Sandburgen gebaut! Das dient dem Küstenschutz: sowohl Sandburgen als auch das Buddeln tiefer Löcher lockern den Untergrund und werden durch den Wind leichter abgetragen, was zu Landverlust führt. "Landgewinnung" ist ein großes, existentielles Thema auf Sylt. Auf der Wattseite sieht man immer wieder seltsame Begrenzungen an der Küste, die aussehen wie kleine geflochtene Weidenzäune. Das hilft wohl, den Sand und damit Land nicht so schnell abzutragen. Muscheln, die nicht mehr leben, dürfen zur Erinnerung mitgenommen werden.







g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
Mehr Historie über...
16.09.25, 20:56
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
Jan Sobottka Sieht...
12.09.25, 18:22
g a g a
g a g a
Margarete 9. September...
09.09.25, 23:00
g a g a
g a g a
ANH 6. September 2025...
06.09.25, 20:33
g a g a
Ina Weisse Wenn einer...
05.09.25, 20:19

21.47
a
April
april 2004
april 2005
april 2006
april 2007
april 2008
April 2009
April 2010
April 2011
April 2012
April 2013
April 2014
April 2015
April 2016
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren