02. Februar 2016





Bei diesem Beitrag war ich immerhin schon am weitesten. Einige Aufnahmen aus der umfangreichen Strecke ausgewählt. Den Embed-Code für die jeweiligen Bilder eingefügt, die Bildgröße für den Blogeintrag angepasst. Breite 386 Pixel. Seither ruhte der Eintrag unter den Entwürfen. Neben einigen anderen, die nicht ganz so weit fortgeschritten waren, sind. Seit Wochen, bald Monaten, will sich der drängende Impuls nicht einstellen, die Bilder hier zu posten und etwas dazu zu schreiben. Obgleich ich mit großem Elan bei diesem Konzert war. Und noch dazu ein gewissermaßen Aha-Erlebnis hatte. Normalerweise erwarte ich nicht, dass der Hauptprotagonist eines Abends, eines Konzertes, zumal wenn es sich um mehr als Lokalprominenz handelt, ausgesucht auf meine Anwesenheit reagiert. Wie ich auf seine. Es ist ja nun ausgesucht, wenn ich irgendwo hingehe und die Kamera dabeihabe, bewusst den Akku geladen habe, damit ich Aufnahmen machen kann. Das ist ja alles nicht ausgewürfelt oder Zufall. Viel mehr war es eine zufällige Angelegenheit, dass ich in den Tagen vor dem Konzert auf der Website vom A-Trane war, diesem besonders schönen, viele sagen 'legendären' Jazz-Club in Charlottenburg, in dem ich zwar in den letzten dreißig Jahren schon einige Male war, dessen Programm ich aber nicht dauernd verfolge. Ich bin auch insgesamt sehr wählerisch, wann und warum und ob ich überhaupt irgendwohin gehe. Ich kriege es nicht mehr zusammen, wieso ich im November auf der Seite war. Aber mir stach sofort das Foto von Dominic Miller ins Auge, ich hatte einen elektrischen Impuls. Erst eine ganze Weile später wurde mir bewusst, dass es sich um diesen Gitarristen handelt, dem die prägnanten Gitarrenakkorde in den Stücken von Sting zu verdanken sind. Dessen Gesamtwerk ich im übrigen in keinster Weise studiert habe, ich besitze kein einziges seiner Soloalben (und von Police auch nur die für mich nostalgisch-sentimental besetzte Outlandos d’Amour-Scheibe mit dem geliebten Roxanne). Vieles ist mir zu beliebig, nicht zwingend genug. Für meine Begriffe ist Stings "I'm an Englishman in New York" eines der grauenhaftesten Lieder der Musikgeschichte, ein langweilig dahinplätscherndes Gedudel sondergleichen, eine x-beliebige Melodie ohne Dramaturgie und Spannung. Damit kann man mich foltern. Doch hin und wieder nehme ich durch einen Zufall irgendetwas von ihm mehr als gelangweilt oder wohlwollend zur Kenntnis. Nebenbei finde ich ihn äußerst sympathisch und durchaus viril. Im Zuge dessen hatte ich vor einiger Zeit sehr angetan dieses Video entdeckt und verlinkt, in dem auch Dominic Miller zu sehen ist. Und zwar mehr, als nur ein aus Gründen des professionellen Respekts geduldeter Begleitmusiker am äußersten Bildrand, neben dem vom Scheinwerfer geküssten Superstar. Ich mochte und mag die Intimität in diesem Video, die private Atmosphäre des Settings, die Augenhöhe. Und ich mag die beiden in diesem Video als Menschen und nichtzuletzt auch sehr als Männer. Sehr attraktiv und sinnlich, sensitiv, beide. Dominic Miller begleitet Sting seit mittlerweile mehr als drei Jahrzehnten kontinuierlich auf den Bühnen der Welt und bei der Entstehung seiner Songs. So ist eine Freundschaft entstanden. Beinah jeder kennt Fragile. Dieses Kleinod von 1987 ist auch Dominic Millers Werk, seine überaus behutsame Gitarre. Als ich mich am zehnten November letzten Jahres in die Schlange vor dem Eingang einreihte, hatte ich aber eher dieses Schlaflied von Dominic Miller im Kopf, eine Verneigung vor den Kompositionen für Gitarre von Johann Sebastian Bach. Miller hat eine klassische Ausbildung genossen, und danach mit äußerster Virtuosität sein Repertoire ins Grenzenlose erweitert. Ich muss zugeben, ich hatte nicht damit gerechnet, dass er eine solche Menge von Konzertbesuchern anlocken würde, aber was weiß ich denn. Ich fand zunächst in Türnähe einen Stehplatz. Sämtliche Sitzplätze waren reserviert und belegt. Ein Trio von Männern im mittleren Alter (aber vermutlich etwas jünger als ich) bot mir einen vierten Platz an einem Tisch mit einem Barhocker an, ich nahm ihn dankend an. Auch deswegen dankbar, weil ich die Kamera auf der hölzernen Balustrade absetzen konnte und damit die Kamera stabilisieren. Ich ließ mir ein Jever bringen, in einem passenden Glas. Als die Musiker die Bühne betraten, war die Begeisterung im Publikum geradezu furios. Alles, was wir nun hörten, wurde dem gerecht. Ich war hin und weg von der Brillianz des Klanges, der Tontechnik des A-Trane. Aber auch jeder Ton jedes Stückes war vollendet, ich kannte die wenigsten. Es war unerwartet hypnotisch. Crossover, der nicht wie ein Gemischtwarenladen aus prätentiöser Tonakrobatik aus aller Herren Länder daherkam, sondern ein gleichermaßen filigran wie ekstatisch gestuftes Tongewebe. Absolut virtuos. Es gab keinen Stargitarristen, der sich begleiten lässt, es spielte keine Rolle, wer welchen Ton an welchem Instrument herstellte, alleine der Gottesdienst am zauberhaften Klang zählte. Dann gab es eine Pause. Ich wechselte den Platz, bewegte mich in den hinteren Bereich, wo es auch nicht weit zu den Toiletten ist. Und zur Künstlergarderobe, wie ich bald lernte.



Wegen der Pause war es nicht mehr so dicht gedrängt auf der Couch links von der Bühne, ich setzte mich auf die gepolsterte Armlehne und wollte sofort aufstehen, als ein Mann zurück kam, der dort seinen Platz neben ein paar Freundinnen hatte. Alle sehr nett, lächelten mich warm an, er aber nicht doch, wenn ich mich ausruhen möchte, gerne... Ich hatte die Tür zu den Toiletten im Blick, sie ging dauernd auf und zu, ich hatte den Eindruck, dass da noch etwas anderes vor sich ging. Ich hatte schon das dritte Jever und musste sowieso mal. Rechts, gegenüber vom Damenklo stand die Tür auf. Vier blendend gelaunte Männer standen herum und schienen sich launige Geschichten zu erzälen, es wurde geschäkert und gelacht. Die Musiker. Rechts von mir im Türrahmen Dominic Miller. THIS is interesting! entfuhr es mir. Vier Männerköpfe drehten sich zu mir und schauten amüsiert und man könnte sagen, interessiert. Ich öffnete kurz die Tür zum Damenklo und schloss sie wieder, denn wie üblich war alles belegt, man stand bereits an, es war recht eng. Da konnte ich auch vor der Tür warten. Ich spielte zum Zeitvertreib mit der Kamera rum und natürlich auch, um vielleicht ganz zufällig irgendein Bild zu machen, Richtung Garderobe versteht sich. Diese Männer sahen nicht aus, als ob sie mir etwas verübeln könnten. Mike Lindup, der Sänger und Keyboarder kam aus der Garderobe und gab sich Kamera-interessiert, ob das die Soundso-Lumix wäre. Er nannte irgendeine Modellnummer, ich war in dem Moment wirklich überfragt, ich merke mir das auch nicht, nach einer Weile der Dauerbenutzung, gehen mir die Bezeichnungen verloren, es ist mir einfach egal. Aber er sah auch nicht aus, als ob er sich wirklich über meine Kamera unterhalten wollte. Ich musste lachen, das war so ungelenk aber doch charmant und ich drohte ihm, ihn zu paparazzen, er ging brav zurück in die Garderobe, ich schaute wieder auf dem Damenklo, ob sich mittlerweile etwas getan hätte, kam wieder zurück, Schulter zuckend. Dominic Miller fixierte mich und wurde aktiv. Er kam aus der Garderobe, noch ein bißchen näher, als zuvor sein Freund, aber nicht zu nah, und sah mich sehr ernst an. Ich war äußerst gespannt, was nun kommen würde. Er wirkte ein bißchen schüchtern aber dennoch forsch. Er meinte, ich sollte es mal mit der Herrentoilette versuchen. "It's the best thing, you can do. BELIEVE ME." Er musste mich gar nicht lange überreden, ich praktiziere das ohnehin häufiger, wenn mir die Schlange im Damenklo zu lang ist, und das ist sie oft. Mein Gott, wie er mich dabei ansah. Ich war hin und weg. So ernst. Man hätte denken können, gleich hält er um meine Hand an. Aber ich war auch leicht betrunken. Ich ging also aufs Herrenklo, da war gerade der Bassist mit seinem Geschäft fertig und wusch sich die Hände, irritiert lächelnd fragt er mich, ob er die Toiletten verwechselt hat. Nein, nein, no, no, don't worry, everthing's fine. Ich musste - wie erwartet - überhaupt nicht warten und war auch gleich fertig. Als ich die Tür öffne, schauen mich Mike Lindup und Dominic Miller erwartungsvoll an, Miller kommt wieder aus der Garderobe und erkundigt sich, ob es in Ordnung war, alles okay? Perfect. I told you. Er schaut mir noch ein bißchen in die Augen und ich will den Betrieb nicht aufhalten, das Konzert muss ja weiter gehen, die Meute wartet schon. Ich suchte mir einen strategisch guten Platz, nah an der Bühne, aber sehr seitlich. Ich fotografierte und tänzelte diskret herum. Ich beobachtete, dass Dominic Miller registriert hatte, wo ich mit der Kamera war. Ich stand hinter Mike Lindup und seinem Keyboard. Hier war der Klang noch hervorragender. Miller erzählte zwischen den Stücken launige Geschichten und erwähnte - in keinster Weise beiläufig - , dass er fünf oder sechs Kinder hat. Jedenfalls sehr viele, und wehrte mit gespielter Bescheidenheit den Applaus ab. Allerhand. Für die will gesorgt werden. Sicher gibt es auch eine Mutter. Oder mehrere. Jedenfalls scheint es sich um einen sinnenfreudigen Mann zu handeln. Er erinnerte mich auch ein bißchen an meinen allerersten Liebhaber. Was mir so alles durch den Kopf ging, während ich fotografierte und mich die Musik in sonstwelche Sphären beamte. Für solche Subtexte ist immer Raum. Mir ging durch den Kopf in welchen Garderoben ich in den letzten Jahren war, wie familiär sich dieser Backstage-Bereich anfühlt, wie sich sofort ein Gefühl von Vertrauen einstellt. Nicht im Publikum, und wenn, dann immer dann, wenn ich einen Musiker rieche. Ich glaube, ich sehe, ob einer Gitarren in seiner Wohnung hat. Und vielleicht spüren die Jungs das. In dem Moment dachte ich, ich sollte wieder viel öfter zu Konzerten gehen, Live-Musik hören. Während die Gedanken schwingten, fiel mir plötzlich meine Sonnenbrille ein, meine Kälteschutzbrille, die ich vor allem im Winter trage, noch mehr als im Sommer. Hatte ich sie nicht vorhin noch, als ich auf der Sofalehne saß? Nun stand ich drei Meter weiter, an der Bühne und sie war nicht mehr bei mir. Mein Blick scannte die Ecke mit dem Sofa und ich sah sie auf dem Tisch. Die Damen und der Herr von vorhin sahen meinen suchenden Blick und deuteten darauf. Ich freute mich, und angelte peitschenschnell mit dem langen Arm quer nach unten zum Tisch, um die schwarze Brille aufzuklauben. Möglich, dass es irgendwie lustig aussah, zumindest war es wohl ein unerwarteter Bewegungsablauf innerhalb des andächtigen Publikums. Als ich die Brille greife, sehe ich Dominic Miller um Konzentration ringen, er sieht aus, als ob er sich das Lachen verkneifen muss und wirkt überhaupt insgesamt äußerst amüsiert. Ich bin ein bißchen verliebt. Ab da war ich wieder artig. Niemand wurde in seinem Bewegungsspielraum beeinträchtigt. Ich bildete mir ein, dass mich das Publikum taxiert und sich irgendwelche Gedanken macht. Aber sicher nicht mehr als ich. Nach einigen Zugaben und schier nicht enden wollendem Beifall gingen die Herren von der Bühne, Miller musste an mir vorbei, hielt kurz inne und schaute mich wieder auf eine Art an, dass mir leicht anders wurde. Ich sagte leise "it was - - really - great". Und er hypnotisiert mich noch ein letztes mal und flüstert zugeneigt "...yes.....??".








Die Reihen leerten sich langsam, aber es war noch immer sehr voll. Ich wusste, dass die Jungs nun erst einmal tief Luft holen würden und ein Bier in der Garderobe trinken, sich den Schweiß von der Stirn wischen. Und dann vielleicht einige Zeit später an die Bar kämen. Ich war ein bißchen durcheinander. Und wenn ich dann noch da wäre. Und dann. Herrje. Ich wollte gar nicht weiterdenken. Ich ging zum Ausgang in die Nacht. So kurz kam mir die S-Bahnfahrt vom Savignyplatz zum Hackeschen Markt noch nie vor. Dominic Miller hat ein paar Tage später ein Foto von dem Abend aus dieser Reihe getwittert, da waren sie schon längst in weiter Ferne, irgendwo in Belgien oder in Amsterdam oder... oder




30. November 2015












Da capo Ernst Fuchs. Im Bett. Noch niemals, nicht in zwöf Jahren, habe ich aus meinem Bett gebloggt. Ich habe den Rechner heruntergefahren, nach einem Sonntag, der in den letzten Stunden ganz Ernst Fuchs gewidmet war. Total. Auf youtube noch einmal zwei wunderbare Dokumentationen gefunden, eine davon die Urversion des Zusammenschnittes, den der ORF unlängst mit dem Label "Eros und Mystik" gesendet hat. Im Original blumig betitelt "Mit den Augen der Seele". Viel ausführlicher, viel stimmiger, unkastrierter. Vieles, was Fuchs erzählt, gibt in der epischen Ausführlichkeit erst Sinn, man begreift. Es lohnt sehr, die zehn Sequenzen anzusehen. Und ein weiterer Dokumentarfilm, der anhand des Titels "Die phantastische Kunst" den Eindruck erweckt, es handele sich lediglich um eine kunsthistorische Abhandlung, aber nein. Wir erfahren viel, ganz Wesentliches über Ernst Fuchs und sein Verständnis vom Schöpfungsakt und seine Liebe zu Kindern, die auch zu Wort kommen (nicht alle sechzehn, aber einige). Eine fulminante, gegenseitige Liebeserklärung. Dann fand ich auch noch ein dreigeteiltes Video, in dem dokumentiert wurde, wie Ernst Fuchs in den Achtziger Jahren, 1987, seinen jungen Freund Falco portraitierte, der während der Sitzungen ein Gedicht nach dem anderen rezitiert. Was für ein Schöngeist. Da hatten sich zwei gefunden. Alles im Großen Salon der Fuchs-Villa. Damals stand auch schon die Jugendstil-Dame am Fenster. Der Salon war Atelier. Eines der Fuchs-Kinder, ein kleines Mädchen (oder ein Enkelkind?) springt ins Zimmer, will den Pinsel greifen, mit väterlicher Güte verwehrt er sanftmütig den Pinsel und schlägt dem kleinen Nackedei vor, ein eigenes Bild zu malen, auf schönem großen Papier! Also auch sehr sehenswert. Und zuguterletzt spazierte ich durch die facebook-Alben der Familie und der Trauergäste. Dabei fand ich ein Album, in dem all die Bilder zu sehen sind, die ich mir bislang nur vorstellte, weil es kein offizielles Bildmaterial gibt, nicht von der Beisetzung und dem Empfang, dem Agape, wie es genannt wird, danach in der Fuchsvilla. Die Bilder sind öffentlich einsehbar und deswegen meine ich, es ist kein Verbrechen, wenn ich wenigen freundlich Interessierten den Zugang ermögliche, hier lesen ja eh nur ein paar handverlesene Exoten mit, die meine Spezialinteressen halbwegs nachvollziehen können. Ich erinnerte mich in den letzten Tagen immer wieder daran, wie es war, durch diese Räume der Fuchsvilla zu schreiten und immer wieder fassungslos fasziniert vor der Gewalt dieser Werke innezuhalten. Dass das ein einziger Mensch erschaffen haben kann. Immer wieder heißt es, er habe altmeisterlich gemalt. Ja. Anders kann man es nicht sagen. Wer kann das noch. Wie Arik Brauer sagt, niemand hätte das gekonnt, außer ihm, ganz unvorstellbar heutzutage. Unersetzlich. Kaum zu fassen. Er konnte selbst darüber staunen. In dem einen Film sagt er, dass er bei manchem, was er so früh geschaffen hat, ein Empfinden hat, dass es von einer derartigen Genialität war, dass ihn eigentlich besser gleich der Schlag hätte treffen sollen, was sollte da noch kommen? Und was er danach zum Teil für einen Blödsinn fabriziert hätte, am besten gleich vergessen. Das war nicht kokett. Es stimmt ja auch, unter Abertausend Zeichnungen, Radierungen, Gemälden ist fürchterlicher Kitsch. Aber die Gewalt seiner genialsten Werke stellt alles in den Schatten. So dermaßen. Ich musste dem großen Fuchs jetzt noch einmal die letzte Ehrerbietung zollen. Zwar war ich am Mittwoch nicht in Person und Verkörperung bei seinem Requiem im Stephansdom und seiner Beisetzung, aber in Gedanken. Bei meiner Seel. Und deswegen habe ich noch einmal den Rechner genommen, in mein Bett, um das zu schreiben, ihm zu gedenken, ihn und all das, was er erschaffen hat, zu erinnern.

28. November 2015

Anschauen
(Wondratschek erzählt, R.: André Heller, noch vier Tage verfügbar)

Mehrfach gesehen, mit Gewinn. "in jedem Zimmer gibt es EINE Ecke, die interessanter ist, als die übrigen drei. Setz dich DER gegenüber. Diesen Rat gab ich meinem Sohn". Und "Die Schönheit eines Satzes, dafür brauch ich keine Industrie, keine "Meinungsindustrie". Und "Wenn Leute glauben, dass man Dichter wird, indem man Gedichte schreibt, sind sie unendlich im Irrtum". Und "In Rom habe ich dir unter den Rock gegriffen, in dieser Nacht wurden tausend Katzen geboren".

23. November 2015

14. November 2015

[...]



Ich fühle, daß der Geist des Herrn,
Der redet in verschiedenen Zungen,
Hat Völker, Zeiten, nah und fern,
Durchhaucht, durchleuchtet und durchsungen.

Ob etwas herber oder reifer,
Ob etwas reicher oder steifer
Ihr seid Gewächs aus einen Kern
Für meinen Liebeseifer

Mög' euch die schmeichelnde Gewöhnung
Befreunden auch mit fremder Tönung,
Daß ihr erkennt: Weltpoesie
Allein ist Weltversöhnung.


Friedrich Rückert




"Kunst ist trotz ihrer Dynamik und der ihren Trägern eigenen Egozentrik immer eine Frieden stiftende Kraft. Wir wissen es, wir haben es gelernt und wir praktizieren aus dieser Kenntnis die befreiende, die heilende Kraft der Kunst. Darum muß aller Wahnsinn Kunst werden, alle Politik und jeder Wille, der sich auf die Verbesserung der Daseinsbedingungen des Menschen richtet, sollte kunstvoll sich manifestieren. Die einzig positive Revolution, die eine Chance hat, permanent den Menschen zu befreien und zu befruchten, ist das Wirken der Künstler. Die Freiheit der Kunst ist der einzige Garant der Freiheit des Menschen; diese Freiheit ist daher auch die erste, die ein Volk gezwungen wird aufzugeben, wenn ein Tyrann kommt, es zu beherrschen."

Ernst Fuchs 1930 - 2015

12. November 2015

12. November 2015

15-11-12 NY 70 (103)
15-11-12 NY 70 (38)

09. November 2015



In den Morgenstunden hat ein genialer Künstler seiner irdischen Existenz den Rücken zugewandt, aber die Essenz seines Geistes hat die Welt nicht verlassen. Das Geschenk seiner Werke, der Werke von Ernst Fuchs, bleibt unserem Universum erhalten. Ich las von seinem Tod gar nicht in Nachrichtenportalen, wo es aber auch vermerkt wird, es wäre auch eine Schande, wenn nicht, sondern als ich nach Besuch meiner eigenen Seite hier sah, dass eibensang mir eine Nachricht geschrieben hatte. Anlass war, dass er sich bedankte für einen Link zu einem Text, den er, wie ich fand, lesen sollte. Sehr selten schicke ich Freunden Verlinkungen zu Texten, eigentlich nie. Ich schrieb ihm am siebten November:

"Lieber (...) ich las gerade einen derart interessanten, scharf analysierten Text über die Tabuisierung von Pathos als Hitlerfolge und die einhergehende Hofierung von Ironie, dass ich dachte, der Text wäre auch für dich lesenswert.
Hier ist er (...)."

Dass ich ausgerechnet ihm diesen Text schickte, ist kein Zufall, da er sich in seinen Texten seit langem auch mit den Folgen des Nazi-Missbrauchs der germanischen Mythologie (sowie auch mit der Verunglimpfung des sehr viel älteren, und an sich sehr schönen Heils-Begriffs) und deren Rehabilitation beschäftigt, nicht nur theoretisch. Das berührt auch unbedingt die Bedeutung von Pathos, worüber Alban Nikolai Herbst so durchdacht schreibt. ("Leidenschaftliche Liebe ist ihrer Natur nach pathetisch (...) Auch Trauer schließt Ironie aus. (...) Ein ironischer Orgasmus (...) ist nicht möglich."). Sein Text ist eingebettet in den Kontext einer persönlichen Betroffenheit als Autor. Um diesen Kontext zu verstehen, sollte man einige Einträge zurückblättern und begreift dann, worauf sich die Eingangsabsätze beziehen. Ich meine aber, dass der verlinkte Text ab dem zweiten Absatz, durchaus auch aus dem Kontext gehoben, einen derart fulminant eigenständigen Wert besitzt, der, wenn es nach mir ginge, in Schul- und Geschichtsbücher gehört. Seine Lektüre ermöglicht zu begreifen, wie sehr wir aufgrund unserer deutschen Geschichte konditioniert wurden und uns selbst weiter konditionieren, im Zweifel der Ironie anstelle der Ergriffenheit den Vorzug zu geben. Eibensang schrieb:

"(...) sei ganz innig bedankt für diesen wirklich hervorragenden Text... Ich antworte so spät, weil ich dieser Tage im Mega-Endspurt einer umfänglichen Schreibarbeit bin, deren Abgabetermin ich schon um Wochen überschritten habe, weshalb es grad arg drückt... Anderes Thema: Soeben hörte ich, dass Ernst Fuchs gestorben ist. Ich bin dir so dankbar, dass du mir sein Werk gezeigt hast... Als wunderschönen Tag hab ich das in Erinnerung, als wir durch diese Villa wandelten... ."

So erfuhr ich heute vom Tod von Ernst Fuchs. Wir besuchten seine Villa in Wien im Mai Zweitausendvierzehn. Ich hatte damals, anlässlich dieser Wien-Reise sehr viel geschrieben und fotografiert. und ganz besonders viel an jenem Tag in der Fuchs-Villa. Ich glaube, es gibt - meines Wissens - (im Netz und überhaupt) keine vergleichbar detaillierte fotografische Dokumentation der Fuchs-Villa von Otto Wagner in Hütteldorf in Wien. Es war ein großes Erlebnis und ich ehrte jeden einzelnen Raum, den wir betreten durften, mit einer eigenen Bildstrecke und eigenem Text. Diese gesammelten Texte und Bilder-Alben der Fuchs-Villa sind hier als Sammlung zusammengefasst. Wer also ein wenig gedenken und flanieren möchte, ist herzlich willkommen. Ernst Fuchs, dieser phantastische und sehr freie Künstler, hat sich die Erlaubnis erteilt, jegliche Ergriffenheit, besonders transzendentale, in seinen Werken zu manifestieren. So ist auch in der Villa in jedem Winkel ein Geist zu spüren, der zu religiöser Hingabe zu den Dingen, besonders auch den irdischen, fähig ist. Der um die Verbundenheit von allem weiß. Den keine Angst vor Pathos beschränkte. Wahres Pathos ist nicht aufgesetzte, peinlich parfümierte Pose, nicht affektiert geschauspielerte Ergriffenheit als kalkuliertes, billiges Mittel der Publikumsmanipulation, sondern nicht mehr und nicht weniger als Manifestation einer tiefen Empfindung. Hier ist das vielleicht letzte Interview mit Ernst Fuchs zu lesen, das der Wiener Kurier mit ihm in der Villa geführt hat. Ein erfülltes Leben hat sich vollendet. Wie man es sich wünscht.

08. November 2015



10. November, A-Trane

07. November 2015

Gestern im Postkasten eine Einladung zur Mammographie, ein Serienbrief an weibliche Berlinerinnen zwischen 50 und 60 glaube ich (habe den Brief nicht mehr). Diese Untersuchungsart, wo die weibliche Brust mit Röntgenstrahlen untersucht wird. Ich habe das noch nie machen lassen. Ich war ja vor acht Wochen beim Ganzkörper-MRT. Im Internet las ich heute morgen eine Vielzahl von Berichten, dass MRT-(Magnetresonanztomographie) Screenings zuverlässigere und genauere Ergebnisse liefern als Röntgen-Screenings. Zudem ohne Strahlenbelastung. Aber kostspieliger. Darüber wird verständlicherweise viel diskutiert und sich echauffiert. Ich war dankbar, dass ich durch diesen Zufall der Auswahl für die Nationale Kohorte das Ganzkörper-MRT hatte. Ein MRT nur des Brustbereiches kostet ca. vierhundert Euro. Ganzkörper zwischen 800 Euro bis zu einen vierstelligen Betrag. Ich habe bei der Screening-Stelle angerufen und gebeten, mich für den angedachten Termin zu streichen, wegen des MRTs, das ich gerade hatte. Alle drei Jahre soll das Screening wiederholt werden. Ich werde im fünf-Jahres-Rhythmus von der Charité durchleuchtet. Wenn sich keine Beschwerden in der Zwischenzeit entwickeln, will ich erst wieder in fünf Jahren zu den Untersuchungen gehen. Ich finde das geradezu fahrlässig, dass diese veraltete Röntgen-Diagnostik noch in Betracht gezogen, wird, wenn man weiß, dass es harmlosere diagnostische Techniken gibt, die zudem weniger peinlich und zuverlässiger sind. Manchmal fragt man sich, warum evolutionäre Entwicklungen so zäh von statten gehen. Die Lobby, die interessiert ist, an der alten Röntgen-Technik zu verdienen, könnte ebensogut auf MRT-Technologie umschwenken. Aber das ist wohl das gleiche aufwändige, arbeitsintensive Umbau-Problem, wie der Umstieg von Energiegewinnung durch Kernspaltung auf Solar- oder Windenergie. Ich lebe gerne in dieser Zeit, aber manchmal geht mir das alles zu langsam und ich denke, die Generationen in fünfzig Jahren werden fassungslos den Kopf darüber schütteln, dass wir so lange aus derart unvernünftigen Gründen, trotz Verfügbarkeit unwiderlegbar fortschrittlicherer Methoden, veraltete Technologien hofiert haben. Ich weiß nicht, ob ich an Wiedergeburt glauben kann oder soll. In dieser Hinsicht würde ich es mir wünschen, um all den gelebten Fortschritt in den nächsten Dekaden und Jahrhunderten zu genießen. Ich bin davon sehr überzeugt. Selbst, wenn am Ende der Weltuntergang stehen sollte. Aber die Erde wird nicht am technischen Fortschritt zugrunde gehen, sondern wenn, an der Dummheit oder einer Naturgewalt.

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MARGARETE 16. APRIL...
16.04.24, 14:19
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Christoph M. Haha,...
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Isabel Bogdan Wow,...
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Ich hoffe, das ist...
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