05. März 2024



Gedenkminute für Werner Seelenbinder. Ein Name, der an vielen Stellen in Berlin, sowohl Ost- als auch West, sehr präsent ist. Werner Seelenbinder war ein sehr erfolgreicher Sportler (Ringer und Gewichtheber) und sehr aktiver Widerstandskämpfer gegen das nationalsozialistische Regime. Er hing den Idealen des Kommunismus an und zeigte immer wieder Zivilcourage. Unter anderem, indem er bei Preisverleihungen nach Wettkämpfen, die er gewann, den Hitlergruß verweigerte. Was entsprechende grausame Folgen wie Verhaftung und KZ-Einweisungen und letzten Endes seine Hinrichtung durch Enthauptung hatte. Im Detail in seinem Wikipedia-Eintrag nachzulesen. Was mich bewegte, mich gestern und vorgestern intensiver mit ihm zu beschäftigen, war mein Sonntagsspaziergang, der mich zufällig in die Oderstraße zum Werner Seelenbinder-Sportpark führte, wo ich die Skulptur fotografierte. Auf dem Weg nach hinten zur Skulptur fiel mir ein durch eine Hecke abgegrenzter Bereich mit einem Markstein auf. Ich näherte mich und entdeckte seine Grabstätte. Sehr ungewöhnlich, dass jemand außerhalb eines Friedhofs ein Grab hat. Ich las die Inschrift und mir wurde bewusst, dass ich gar nicht wusste, wieso Werner Seelenbinder ein bekannter Name ist, was seine Verdienste waren. Bei Werner Seelenbinder dachte ich immer zuallererst an die Werner-Seelenbinder-Halle in Ostberlin, in der Paul-Heyse-Straße, in der ich nie war. Es gibt sie auch nicht mehr, 1992 abgerissen. Die Halle war mir ein Begriff, weil Rio Reiser 1988, also noch zu Mauerzeiten, dort zwei spektakuläre, ausverkaufte Konzerte für seine vielen Ostberliner Fans spielte. Besonders "Der Traum ist aus" bringt die intensive Atmosphäre bei diesen Konzerten rüber, eine Gänsehaut-Aufnahme davon befindet sich seit Ewigkeiten auf meiner Lieblingsplaylist. Hier auf youtube zu hören. Im Wikipedia-Eintrag zu Werner Seelenbinder ist auch vemerkt, wie ungewöhnlich es ist, dass sich seine Einzelgrabstätte nicht auf einem Friedhof befindet. Dort ist zu lesen:
"Am 24. Oktober 1944 wurde Seelenbinder, nachdem mehrere von ihm gestellte Gnadengesuche abschlägig beschieden worden waren, im Zuchthaus Brandenburg-Görden enthauptet.
Nach der Hinrichtung wurde sein Leichnam im Krematorium Brandenburg verbrannt. (...) Am 29. Juli 1945 wurde im Rahmen einer Sportveranstaltung Werner Seelenbinders Urne in einem Ehrengrab auf dem Gelände des Sportparks Neukölln in der Oderstraße beigesetzt. (...)
Als nicht auf einem Friedhof gelegener Einzelbegräbnisplatz nimmt Seelenbinders Ruhestätte unter den ca. 220 Begräbnisplätzen in Berlin mit insgesamt 150.000 Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft dabei bis heute eine Ausnahmestellung ein."


Auf der Seite "Gedenkstätte Deutscher Widerstand" ist bei dem ihm gewidmeten Portrait eine Fotografie von Werner Seelenbinder. Hier sind die Worte seines Abschiedsbriefes, verfasst am 24. Oktober 1944, dem Tag seiner Hinrichtung:
„Die Stunde des Abschieds ist nun für mich gekommen. Ich habe in der Zeit meiner Haft wohl alles durchgemacht, was ein Mensch so durchmachen kann. Krankheit und körperliche und seelische Qualen, nichts ist mir erspart geblieben. Ich hätte gerne gemeinsam mit Euch, mit meinen Freunden und Sportkameraden, die Köstlichkeiten und Annehmlichkeiten des Lebens, die ich jetzt doppelt zu schätzen weiß, nach dem Krieg mit Euch erlebt. Es waren schöne Stunden, die ich mit Euch verlebt habe, und ich habe in meiner Haftzeit davon gezehrt und mir diese herrliche Zeit zurück gewünscht. Das Schicksal hat es nun leider nach langer Leidenszeit anders bestimmt. Ich weiß aber, daß ich in den Herzen von Euch und auch bei vielen Sportanhängern einen Platz gefunden habe, den ich immer darin behaupten werde. Dieses Bewusstsein macht mich stolz und stark und wird mich in letzter Stunde nicht schwach sehen.“
g a g a - 5. März 2024, 13:43