08. März 2015




Noch einmal Nikolaiviertel. Im Knoblauchhaus, dem längst erhaltenen, ältesten Bürgerhaus in dieser Ecke von Berlin, erbaut im Jahre 1759. Heute beherbergt das Haus eine Ausstellung, die sich dem Berliner Leben im Biedermeier widmet. Der Eintritt ist frei und es gibt außer schönen alten Möbeln - unter anderem dem Bett, in dem der weltberühmte Alexander von Humboldt gestorben ist, und Gebrauchsgegenständen, auch etwas Kurioses, das alleine schon den Besuch wert wäre. Im obersten Stockwerk ist neben einer Schneiderpuppe mit einem Biedermeier-Anzug für den Herren, ein Gefährt, ein Laufrad, das die schöne Bezeichnung Draisine trägt. So etwas habe ich überhaupt noch nie in echt gesehen, höchstens auf irgendwelchen sehr alten Zeichnungen. Man hat sich mit den Füßen vom Boden abgestoßen, es ist der Vorläufer des Fahrrads, das erste Fortbewegungsmittel auf zwei Rädern der Menschheitsgeschichte. Ein bildschönes Teil. Aber der Anzug daneben hat mir auch gut gefallen, besonders das Hemd mit dem plissierten Kragen. Das ist sehr kleidsam, nicht nur für den Herren. Das Kleid für die Dame hingegen hat es mir weniger angetan. Sehr schön waren auch die Spielsachen, das Spielzeugpferd und die Kaffeetassen mit dem Golddekor. Und die knalligen blauen Wände im Kontrast zu dem warmen Farbton des Holzes. Der eine Herr, der neben zwei Damen Aufsicht gemacht hat, und überaus gesprächig und gut gelaunt war, hat mir versichert, dass der Kurator der Ausstellung wiederum ihm versichert hat, dass das Blau der Wände genau der damaligen Mode im Biedermeier entsprach, es war genauso kräftig und leuchtend, wie wir es dort sehen. Ich fand die Farbe enorm intensiv, geradezu ein elektrisches Blau. Ich habe ins Gästebuch geschrieben und extra die Aufsichten gelobt, weil sie enorm hilfsbereit und auskunftsfreudig waren und auch viele Späßchen gemacht haben. Man konnte sich gleich wie daheim fühlen, im Biedermeierhäuschen. Obwohl die Epoche der Erbauung ja Rokoko war, aber das ist jetzt auch egal. Es ist sehr schön. Man kann interessante Licht- und Farbstimmungen mitnehmen. Und wie gesagt - eine echte Draisine bewundern. Das Wort habe ich erst gelernt, ich habe es vorher nicht gekannt. Ich glaube auch nicht, dass wir die Entwicklungsgeschichte des Fahrrads seinerzeit in der Schule durchgenommen haben. Oder ich habe aus dem Fenster geguckt und war in Gedanken woanders. Auf jeden Fall hat das Gefährt eine enorme Aura! Wie eine Requisite aus einem Jules Verne-Film, wie so eine kleine Zeitmaschine. Ganz, ganz supertoll!





Ich bin dann über die bildschöne kleine Wendeltreppe wieder nach unten gegangen und eine Tür weiter, in den winzigen Museumsshop, dort habe ich noch einmal richtig Touristin gespielt und mir sogar überlegt, ob ich ein Souvenir kaufe. Es gab unter anderem ganz kleine Spieluhren mit Jugendstilbildchen, die moderne Lieder in der Spieluhrversion spielen. Zum Beispiel My Way. Oder war es Strangers in the Night? Ich habe alle durchprobiert und die ältere Verkäuferin hat mich angefeuert, dass ich schneller kurbeln muss, damit der Rhythmus stimmt! Das war ganz lustig. Aber gekauft habe ich keine, weil ja so eine Spieluhr nicht so richtig viel mit dem Knoblauchaus zu tun hat. Außerdem gibt es dort ganz viele Bildbände von dem alten Berlin, mit Schwarzweiß-Fotos von vor der Zerstörung im zweiten Weltkrieg. So eins habe ich aber schon. Man denkt, man blättert durch einen Bildband über Paris oder Wien. Traurig-schön, so ein Bildband über das alte Berlin. Auf jeden Fall war das mein letzter Programmpunkt im Nikolaiviertel an dem Tag. Ganz schön viel gesehen! Wer hätte das gedacht. Und jetzt, daheim, habe ich erst einmal - überhaupt zum ersten mal - nachgelesen, woher eigentlich der Begriff "Biedermeier" kommt, nämlich - Achtung - aufgepasst...






"Der Begriff Biedermeier geht zurück auf die fiktive Figur des treuherzigen, aber spießbürgerlichen Gottlieb Biedermaier, die der Jurist und Schriftsteller Ludwig Eichrodt und der Arzt Adolf Kußmaul erfanden und unter dessen Namen in den Jahren ab 1855 in den Münchner Fliegenden Blättern diverse Gedichte veröffentlicht wurden. Entstanden war der Name aus zwei Gedichten mit den Titeln Biedermanns Abendgemütlichkeit und Bummelmaiers Klage, die Joseph Victor von Scheffel in diesem Blatt 1848 veröffentlicht hatte. Der fiktive Herr Biedermeier war ein dichtender schwäbischer Dorflehrer mit einfachem Gemüt, dem seine kleine Stube, sein enger Garten, sein unansehnlicher Flecken und das dürftige Los eines verachteten Dorfschulmeisters zu irdischer Glückseligkeit verhelfen. In den Veröffentlichungen werden die Biederkeit, der Kleingeist und die unpolitische Haltung großer Teile des Bürgertums karikiert und verspottet. Allerdings hat der revolutionäre Dichter Ludwig Pfau bereits 1847 ein Gedicht mit dem Titel Herr Biedermeier verfasst, das Spießigkeit und Doppelmoral anprangert. Nach 1900 wurde der zunächst negativ konnotierte Begriff Biedermeier eher wertneutral aufgefasst, er stand für eine kleinbürgerliche Kultur der Häuslichkeit und der Betonung des Privaten. Die Nutzung als Epochenbezeichnung entwickelte sich ab Ende des neunzehnten Jahrhunderts." (...usw.)




















Und hier ist das überraschend zeitlose Gedicht von Ludwig Pfau.

Herr Biedermeier

Schau, dort spaziert Herr Biedermeier
Und seine Frau, den Sohn am Arm;
Sein Tritt ist sachte wie auf Eier,
Sein Wahlspruch: Weder kalt noch warm.
Das ist ein Bürger hochgeachtet,
Der geistlich spricht und weltlich trachtet;
Er wohnt in jenem schönen Haus
Und - leiht sein Geld auf Wucher aus.

Gemäßigt stimmt er bei den Wahlen,
Denn er missbilligt allen Streit;
Obwohl kein Freund vom Steuerzahlen,
Verehrt er sehr die Obrigkeit.
Aufs Rathaus und vor Amt gerufen,
Zieht er den Hut schon auf den Stufen;
Dann aber geht er stolz nach Haus
Und - leiht sein Geld auf Wucher aus.

Am Sonntag in der Kirche fehlen,
Das wäre gegen Christenpflicht;
Da holt er Labung seiner Seelen -
Und schlummert, wenn der Pfarrer spricht.
Das führt ihn lieblich bis zum Segen,
Den nimmt der Wackre fromm entgegen.
Dann geht er ganz erbaut nach Haus
Und - leiht sein Geld auf Wucher aus.

Acht! Wandrer, die gen Westen streben!
Wie rühret ihre Not sein Herz!
Wohl sieht er sammeln, doch zu geben
Vergisst er ganz in seinem Schmerz.
“Ihr Schicksal ruht in Gottes Händen!“
Spricht er - dann geht er auszupfänden,
Nimmt einem Schuldner Hof und Haus
Und leiht sein Geld auf Wucher aus.

Den einzgen, hoffnungsvollem Sprossen -
Denn nicht mehr, das wäre Überfluss -,
Den hält er klösterlich verschlossen:
Die Sünde stammt ja vom Genuss.
Die Mutter führt ihr Küchlein sittig
Wie eine Henne unterm Fittich;
Sie sorgt für strenge Zucht im Haus
Und - leiht ihr Geld auf Wucher aus.

O edles Haus! O feine Sitten!
Wo jedes Gift im Keim erstickt,
Wo nur gepflegt wird und gelitten,
Was gern sich duckt und wohl sich schickt.
O wahre Bildung ohne Spitzen!
Nur der Besitz kann dich besitzen -
Anstand muss sein in Staat und Haus,
Sonst - geht dem Geld der Wucher aus.


Ludwig Pfau 1847





07. März 2015



So ein Samstag. Ausschlafen, duschen, Rollos hochziehen, Kaffee kochen, feuchtes Badetuch in den Sonnenfleck legen. Fenster aufmachen. Schlagsahne auf den Espressokaffee. Das kleine Notebook vom Kabel nehmen, auf den Teppich setzen, den Monitor in den Schatten klappen. Lesen, Bilder angucken. Was nachschauen. Ist schon Frühlingskraft in der Sonne heute. Sie verwöhnte uns im Februar in Berlin und morgen sollte man einen Ausflug machen, wenn nicht heute noch. Ich werde mich langsam fertig machen, aber nur zum Einkaufen, den Müllbeutel runterbringen und ein paar Sachen zum Essen und Trinken kaufen, mehr ist nicht geplant außer Haus. Wäsche habe ich schon gestern gewaschen und zum Trocknen aufgehängt. Die Bilder von dem Biedermeierhäuschen im Nikolaiviertel werde ich später sortieren und hochladen und so weiter. Ein ganz normaler Samstag. Friedlich und unspektakulär. Ein Freund hat Geburtstag, Duke, mit dem ich in Wien war. Er hat von mir ein Päckchen gekriegt, mit was Gutem zum Trinken drin. Ab einem gewissen Alter sind die sinnvollsten Geschenke doch gute Dinge, die man sich einverleibt, aber vielleicht nicht alltäglich in den Einkaufswagen legen würde. Geht mir jedenfalls so. Wer mir je etwas schenken wollte, liegt außer mit schönen Worten immer mit guten Sachen zum Trinken richtig. Sonst brauche ich nichts, liegt eh zu viel Zeug hier herum! Andererseits bin ich aber auch wieder heikel, was die Getränke angeht, ich mag ja ganz viele Sachen überhaupt nicht. Eigentlich mag ich überhaupt nur Bordeaux, Williamsbrand, Haselnussgeist und meinethalben Champagner. Eigentlich ganz einfach. Aber am Sichersten sind immer noch schöne Worte. Da kann man gar nicht viel falsch machen. Wobei natürlich auch da die Herkunft und Qualität von Interesse ist. Ich muss mir mal langsam die Wimpern tuschen und so weiter, sonst wird das heute nichts mehr.

03. März 2015

Endlich.

Land Berlin führt Verordnung über Genehmigungsvorbehalt zur Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in sozialen Erhaltungsgebieten ein

Pressemitteilung vom 03.03.2015

Aus der Sitzung des Senats am 3. März 2015:

Das Land Berlin hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Bezirke künftig in den Erhaltungsgebieten entscheiden können, ob die Umwandlung von Mietwohnungen in Wohnungseigentum genehmigungsfähig ist oder nicht. Der Senat hat dazu – wie bereits in der Senatsklausur vereinbart – die von Stadtentwicklungs- und Umweltsenator Andreas Geisel vorgelegte Verordnung über einen Genehmigungsvorbehalt für die Begründung von Wohneigentum oder Teileigentum in Erhaltungsgebieten (Umwandlungsverordnung) erlassen.

Senator Geisel: „Wir wollen lebendige und sozial durchmischte Kieze in Berlin. Jeder sollte die Möglichkeit haben, in allen Teilen der Stadt wohnen zu können. Mit der Umwandlungsverordnung schützen wir Mieterinnen und Mieter in besonders gefährdeten Gebieten vor Verdrängung.”

Mit dem Genehmigungsvorbehalt zur Umwandlung in den sozialen Erhaltungsgebieten kommt ein weiteres wichtiges städtebauliches und wohnungspolitisches Instrument zur Anwendung, denn in den letzten Jahren gab es in Berlin eine deutliche Steigerung der Umwandlungen, mit überproportionalem Anteil in sozialen Erhaltungsgebieten.

Mit der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen geht häufig eine Entmietung der Häuser einher mit anschließender teurer Modernisierung. Damit wird der Ausstattungsstandard der Wohnungen oft auf ein überdurchschnittliches Niveau angehoben. In den meisten Fällen werden umgewandelte Wohnungen weiterhin als Mietwohnungen angeboten und nicht von den Erwerbern selbst genutzt. Die Mieten dieser Wohnungen liegen deutlich höher als bei nicht umgewandelten Wohnungen. Die Umwandlung führt damit zur Veränderung der bisherigen Gebietsbevölkerung.

Die Umwandlungsverordnung wird die Ziele in den sozialen Erhaltungsgebieten wirksam unterstützen. In den momentan mit Rechtsverordnung durch die Bezirke ausgewiesenen 21 sozialen Erhaltungsgebieten leben rund 300.000 Berlinerinnen und Berliner. Künftig wird von den Bezirken auf der Grundlage des § 172 des Baugesetzbuches, einem Bundesgesetz, geprüft, ob die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum genehmigt werden kann. Wenn sich der Eigentümer verpflichtet, innerhalb von sieben Jahren nur an die Mieter zu veräußern, kann die Umwandlung genehmigt werden.

02. März 2015











Auch im NIkolaiviertel, die Kashmir Boutique, in der Spandauer Straße 27, Mitte. Durch den Torbogen und dann links. Das einzige Geschäft, in dem ich drin war. Das kam aber auch nur, weil ich die lustigen Puppen fotografierte und der Inhaber herausgekommen ist und eine geraucht hat und mich angeschaut hat, als ob er Lust auf ein Schwätzchen hat. Nachdem er mich ermuntert hat, mir anzuschauen, was es drinnen gibt, was mich aber auch interessiert hat, sind wir ins Plaudern gekommen und er hat mir erzählt, dass die Schals und Stoffe direkt aus Kaschmir importiert werden, ohne Zwischenhandel. Die Puppen sind aus Asien. Ich habe ihn gefragt, ob ich ein paar Fotos machen darf, und er hat nichts dagegen gehabt, was an sich schon ein Glücksfall ist, weil es in vielen Geschäften nicht erlaubt ist, die Waren zu fotografieren. Komisch eigentlich, ist doch kostenlose Reklame. Jedenfalls konnte ich so viele Bilder machen, wie ich Lust hatte. Dann ist noch ein interessant gekleideter Herr mit Hut ins Geschäft gekommen und hat nach dem Weg zur Alten Münze gefragt, wo bestimmt irgendeine Mode-Veranstaltung war. Es war schon Nachmittag und ich wollte noch gerne ins Knoblauchhaus, in dem es keinen Knoblauch gibt, aber Biedermeier. Der Besitzer hat Knoblauch geheißen. Es ist das älteste erhaltene, einzige vom Krieg ganz unversehrte Wohnhaus im Nikolaiviertel. Davon habe ich extra Fotos. In die Kashmir Boutique muss ich demnächst einmal in Ruhe gehen und die schönen Sachen richtig anschauen und natürlich auch das dicke Portemonnaie mitnehmen. Schöne kleine Geschäfte mit besonders schönen Waren und besonders netten Verkäufern muss man unbedingt unterstützen. Ich habe schon beim schnellen Drübergucken gesehen, dass es ganz viele Sachen gibt, die mir sehr gut gefallen. Weil es so ein Hippie-Traum aus Tausendundeiner Nacht ist, hab ich zu ihm gesagt, dass eigentlich Musik von früher laufen sollte, ein bißchen Doors und es eigentlich nach Gras riechen müsste oder Räucherstäbchen. Ein Weilchen später hat etwas sehr angenehm angefangen zu duften, ich weiß nicht, was er gemacht hat. "Oh, da duftet ja auf einmal etwas!" wundere ich mich. Er grinst breit und erläutert: "Ich habe geatmet."









01. März 2015




Der Heilige Georg, welcher hoch zu Ross den Drachen tötet und der Legende nach nicht nur die Prinzessin, sondern eine ganze Stadt von dem Ungetüm befreit, ist eines der am meisten fotografierten Denkmäler Berlins. Die sechs Meter hohe Figur aus dem Jahre 1855 des Bildhauers August Karl Eduard Kiss (1802 - 1865) fasziniert durch seine detailgetreue Gestaltung. Bis zur Sprengung befand sich das Denkmal im Hof des Berliner Stadtschlosses, danach im Volkspark Friedrichshain. Mit dem Aufbau des Nikolaiviertels hat das Reiterstandbild 1987 einen würdigen Platz in Berlins historischer Mitte gefunden. Am Spreeufer, mit Blick auf die älteste Kirche der Stadt, St. Nikolai.















Absolut virtuos. Furios und hemmungslos, ohne Frage grandios.

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Jon Tinic Ein Setup...
26.04.24, 08:42
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Christoph M. und? Gaga...
26.04.24, 01:13
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:-)
26.04.24, 01:02
NeonWilderness
Yay, es muss auf den...
25.04.24, 23:49
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Isabel Bogdan Aber...
24.04.24, 21:55
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Margarete 24. April...
24.04.24, 19:35
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Margarete 22. April...
22.04.24, 23:39
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MARGARETE 21. APRIL...
22.04.24, 14:27
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Im Grunde ist Sonne...
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22.04.24, 14:06
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P.S. Das Album Stubete...
20.04.24, 16:25
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Klaus Ungerer Gaga...
20.04.24, 16:10
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Klaus Ungerer cool,...
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Gaga Nielsen 20. April...
20.04.24, 14:57
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Margarete 20. April...
20.04.24, 14:54
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Lydia G. Jan Sobottka:...
20.04.24, 14:50

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