CALLAS. Euroshop-Spiegel, Crémant-Manschetten, Spachtel, vier Dekospiralen für Vorhangstangen, verschiedene Metallteile: Messing-Schraubgewinde und Kleinkram und vergoldetes schwarzes Kunststoffelement von Stiebel-Eltron Boiler, verchromte Verschlusshülsen von Eyeliner und Wimperntusche, runde Puderdosen-Aluminium-Einlagen, Kleber, Leinwand, Grundierung, 100 x 150 cm, 9. und 16. April 2022, Staatl. Museen v. Gaganien
Am Tag nach der „Seven Deaths of Callas”-Aufführung von Marina Abramović (ich schrieb
ausführlich darüber) in der Deutschen Oper, begab ich mich in meine Werkstatt. Ich wusste ganz grob, dass ich diverse Metallteile auf einer größeren Leinwand, um einen Spiegel gruppiert verarbeiten wollte, aber dachte zuerst nicht an einen Bezug zu Callas. Während ich die Teile so herumschob, wurde mir klar, dass mir die ganze Zeit die Aufführung durch den Kopf ging, vor allem der letzte Akt mit dem nachgebauten Schlafzimmer. Aber auch, in welchem Maß Abramović versuchte, sich auf eine Bedeutungs-Stufe mit Maria Callas zu stellen, indem sie parallel eigene biographische Eckdaten einarbeitete. Manches war mir erst im Nachgang aufgefallen.
Ich sah mir einige Dokumentationen über Abramović an und realisierte, dass in den Videosequenzen der Aufführung Anspielungen auf Abramovićs große verlorene Liebe, dem Performancekünstler Ulay waren. Willem Dafoe trug in einigen Szenen eine wilde Gesichtsbemalung, durch die er dem Ex-Gefährten stark ähnelte. Was mich in der Aufführung irritiert hatte, weil ich vorher las, dass Dafoe mehr oder weniger Ari Onassis darstellt, ergab nun im Nachhinein Sinn.
Da Abramović dieses Werk aber schon vom Titel her als eine Callas-Hommage präsentiert, fand ich das etwas unangemessen. Das Publikum wird von Callas angelockt und durch die Hintertür genötigt, sich Abramovićs Verarbeitung ihres eigenen Beziehungsdramas zu widmen. Nun mögen sich Liebesdramen ähneln und auch – oder gerade – die Verarbeitung des eigenen relevant sein, aber dann hätte ich gerne ein weniger missverständliches Etikett an der Inszenierung. Mir war in den Videos zu viel Abramović und zu wenig Callas und auch zu wenig Ehrerbietung, ein bißchen Demut wäre mir sehr passend erschienen. Ich sah vor meinem geistigen Auge die feinsinnige, zartfühlende, musikalisch virtuose und hochelegante Maria Callas, auf einem verdienten Podest, und wie einen Störfaktor, die sich mit roher Gewalt daneben quetschen wollende, eher rustikal grobe Abramović.
Ich schob meine Metallreste hin und her und hatte das Gefühl, ich müsste Maria Callas ein Denkmal setzen. Während sich alles fügte, gliederte ich die Leinwand im Geiste in ihrem Schlafzimmer ein. Ich fand, da passte sie recht gut hin. Und mir kam in den Sinn, dass es schon von der Größe her gar kein adäquates Grabmal gibt. Ihre Asche ruht in einer Wand mit einer Marmorplatte davor, eher klein. Ich stellte mir vor, ich mache ihr eine Art Grabmal, eine Gedenktafel, die ihr gefallen könnte, großzügig, strahlend und elegant, und im Zentrum ein Ornament, wie...~ ein großer Gesang.
