26. März 2014
Mal gucken, wohin die Entwicklung geht, bei der weltweiten Smartphone-Selfie-Manie. Verständlicherweise beobachte ich das als Phänomen besonders interessiert, da es inzwischen dazu geführt hat, dass das Kultivieren hochfrequenter, visueller Selbst-Dokumentation, als Massenmode nicht mehr mit Rückfragen und Erklärungsforderungen oder -Nöten belastet ist. Das Inflationäre macht es flächendeckend nicht mehr wunderlich, weniger besonders, doch das ist kein wirkliches Problem. Vermutlich sind es aber am Ende eher doch diejenigen, die schon immer eine Liebesaffäre mit Selbsterforschung hatten. Selten sieht man leider Aufnahmen, die vom Bildaufbau interessant sind oder gar die Verwechslung mit der Fotografie aus einer wirklichen Foto-Kamera ermöglichen. Da muss doch noch mehr drin sein. Seit Jahren wird die angeblich immer bessere, differenziertere Aufnahmequalität dieser Smartphone-Kameras beworben. Ich sehe im Ergebnis aber überwiegend Verrauschtes und Grobpixeliges. Wie kann das denn angehen? Ich habe ja nun (wie immer wieder gerne von mir kolportiert) noch nie ein Mobiltelephon besessen und auch kein Smartphone und sehne mich auch unverändert nicht danach. Ich meine: was könnte mir so ein Apparat bieten, was ich nicht auch sonst im Leben zu angemessener Stunde genieße? Die Benutzer müssten das ja beantworten können. Übrigens habe ich vor cirka zwei Jahren aufgehört, unterwegs Musik zu hören. Ich hatte bis dahin einen Player, bei dem eine Taste, die entscheidende, wegen Materialermüdung kaputt ging. Da waren Tausende von Songs drauf, aber es kam nicht oft genug Neues hinzu. Ich kümmerte mich nicht darum, mir dauernd neue Musik zu erschließen und runterzuladen. Das geschah nur dann und wann nach einem Zufalls-Entdeckungsprinzip. Im Schnitt vielleicht alle acht bis zehn Wochen ein neuer Song. Oder ein alter, aufs Neue entdeckter. Jedenfalls hatte ich nach dem Exitus des Geräts kein deutliches Gefühl von Defizit. Ich fand es sogar erholsam, mich nicht am Kopf zu verkabeln und mir unterwegs eine ruhigere akustische Zeit zu genehmigen. Das hat sich auch nicht mehr geändert bislang. Auch zuhause höre ich seltener Musik. Zwar schon jeden Tag, aber es gibt auch viele Stunden komplett ohne extra Geräuschkulisse. Ich höre manchmal auch gerne nur das Plätschern in den Heizkörpern, wie einen kleinen Springbrunnen. Und dazu das kleine Geräusch, wenn ich die Tasten beim Schreiben runterdrücke. Ein paar Geräusche durch das Fenster, der nächtlichen Stadt. Autos in der Ferne, da hinten in der Rosenthaler Straße. Die Auguststraße ist sehr ruhig um diese Zeit. Geschwindigkeitsbegrenzung. Keine Hauptstraße. Stimmen von Menschen, die aus den Lokalen kommen. Heute ist es zu kühl zum draußen sitzen. Aber ein paar Raucher stehen immer vor der Tür. Gerade lacht eine junge Frau. Ich habe das Fenster gekippt. Wenn die Leute, da unten auf der Bank am Spielplatz vom Gipsdreieck wüssten, wie deutlich ich manchmal ihre Gespräche hören kann. Wie oft da Menschen sitzen, zwei Freunde oder zwei Freundinnen, die sich unter vier Augen etwas erzählen. Manche Sätze höre ich ganz klar, sie wehen in aller Deutlichkeit nach oben zu mir bis in den fünften Stock. Jetzt Schritte auf dem Kopfsteinpflaster. Klack klack klack.
g a g a - 26. März 2014, 23:58