12. August 2012



Den Teufel werde ich tun, zu erklären, was mich in die Berliner Kultstätte des Totentanzes getrieben hat. Soll der Leser doch selber recherchieren, warum dort lauter Totenschädel und Menschenknochen in FC-Sankt-Pauli-Manier in das mittelalterliche Gemäuer gemeißelt sind. Ich für meinen Teil hatte meine Gründe und die gehen niemanden etwas an! Es braucht schließlich keiner zu wissen, dass ich zum siebenhundertfünfundsiebzigsten Mal an dem Bauwerk vorbeigekommen bin und aus schierer Abenteuerlust die blitzartige Eingebung hatte, spaßeshalber endlich mal hineinzugehen und zu überprüfen, ob es sich womöglich um eine Kirche handelt. Das ist ja nicht so selbstverständlich in Berlin, wie wir wissen, dass Bauwerke, die aufgrund ihrer dunklen Baugeschichte eine kirchenähnliche Silhouette aufweisen, auch noch in unserer abgespacten Ära der Huldigung der Profanisierung als solche aufrecht erhalten werden. Auf jeden Fall ist das in der Marienkirche durchaus der Fall. Der Totentanz lebt! Und jetzt aufgepasst: dieser alte skorpionische Tempel des Obskuren wird am 28. Oktober 2012 in besonderem Glanz erstrahlen. Es gibt einen Geburtstag zu feiern. Am 28. Oktober 1237 wurde Berlin geboren. Auch unser Wowi, der keine angesagte Party auslässt, wird beim feierlichen Gottesdienst dabei sein. Also alle mal im Kalender notieren. Später Feuerwerk und alles. Wenn ich mit Hundertsieben noch so fit und jugendlich wirke, wie Berlin mit Siebenhundertfünfundsiebzig, bin ich vollauf zufrieden. Ich für meinen Teil werde alles in meiner Macht stehende tun, dass St. Marien fürderhin als sakrale Kultstätte besteht und keine aufklärerischen politischen Schautafeln Einzug halten, wie man es



an manch anderer Stätte bitterlich zur Kenntnis nehmen muss. Sollte je die Gefahr bestehen, bin ich mir sicher, dass auch alle Sankt Pauli-Fans tatkräftig für die gute Sache einstehen werden. Übrigens ist in Berlin nicht das große Baumsterben ausgebrochen, wie bereits in den Achtzigern düster prognostiziert, sondern die Bäume hatten jahreszeitlich bedingt noch nicht mehr zu bieten. Auch laufe ich in diesem etwas divenhaft launisch-koketten Sommer nicht mit dickem Winterschal herum. Die Aufnahmen sind vom 3. März, und zwar 2012. Also mehr oder weniger topaktuell!
kid37 - So, 12. Aug, 23:44

Am 28. Oktober 1237 wurde Berlin geboren.

Himmel. Das gibt mir jetzt zu denken. Ich sollte mich vielleicht versöhnen. Wenigstens mit der Stadt. (Und dann noch Feuerwerk!)

g a g a - So, 12. Aug, 23:53

Nicht wahr

Es gibt Zeichen und Wunder. Berlin hat ja diese mitunter kratzbürstige Seite aber einen butterweichen Kern. Traditionell skorpionische Selbstverteidigungsrüstung. Wer viele Attacken erlebt hat, legt sich im Falle der Langlebigkeit eine gute Rüstung zu. Der Trick liegt darin, dass man mit einem aggressiven Entrée einen gewissen Maßstab setzt, von dem man dann jederzeit ein Stückchen zurücknehmen kann. Umgekehrt ist schwieriger. Ich praktiziere das auch sehr erfolgreich. 1. Betonharte Abwehr. 2. Minimale Zugeständnisse. Eine dankbare Strategie. Ich ziehe das preußisch durch. Insofern liegt Berlin natürlich total auf meiner Wellenlänge. Die Härte ist nur gespielt. Aber respekteinflößend überzeugend. En garde!
schneck08 - So, 12. Aug, 23:57

ich fand das schon immer sehr sonderbar, gleichwohl überaus interessant: ein echtes altes gotisches Bauwerk, metaquasi "gottverlassen" inmitten einst futuristischer plattenbauten und stalinistischer repräsentationsarchitektur. irgendwie tut sie mir immer leid, diese tiefergelegte kirche. ich kenne so viele ihrer gleichaltrigen schwestern. und grad deshalb mag ich sie sehr.

g a g a - Mo, 13. Aug, 00:00

Das Tiefergelegte steht ihr gut. Wobei tiefergelegt ist sie ja gar nicht oder? Sind nicht unter dem erhöhten "Plateau" drumherum Kriegstrümmer? Meine ich sonstwo gelesen zu haben... Bis ich drin war, tat sie mir auch ein bißchen leid, in ihrer sonderbaren einsamen Lage, ohne den gewachsenen Kontext. Dass das ein mittelalterlicher Marktplatz war, unfassbar. Aber innen drin erfährt man das Gefühl einer erhabenen Verwurzelung an dem Platz, sie gehört da hin, ganz und gar. Es macht mir Gänsehaut, dass alle Menschen, die wir aus der Geschichte Berlins kennen, diese Kirche betreten haben könnten. Aus allen Epochen. Das könnte man noch von der Nikolaikirche sagen und ein paar wenigen anderen. Sie hat eine lichte, leichtfüßige Heiterkeit mit ihren steinernen Totenschädeln. Wirklich interessante Atmosphäre. Ich habe mich sehr wohl dort gefühlt.
schneck08 - Mo, 13. Aug, 00:05

wie überall: alles spätere ist in der regel höhergelegt. normalerweise sagt man, 1000 jahre - ein meter. /es gibt ausnahmen, aber im falle der marienkirche passt das ganz gut.
g a g a - Mo, 13. Aug, 00:08

Ja, bereits am Eingangsportal empfindet man, als wäre man in einem geschützen Bereich, ein bißchen außerhalb der Welt. Wie in einer großen Nußschale im urbanen Ozean.

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