23. Oktober 2019



Liebes Tagebuch,

heute ist ein besonderer Tag. Ich habe eine handgeschriebene Postkarte bekommen. Auf der Vorderseite ist ein Foto von einer Wand mit Efeu, und in der Mitte ist ein gelber Postbriefkasten mit Schlitzen. Auf der linken Klappe steht "Rechnungen", auf der rechten Klappe steht "Liebesbriefe". Ich habe mich sehr über die Postkarte gefreut. Sie kommt aus MUC! Die Absenderin fliegt dauernd um die Welt und sieht bestimmt öfter die Aufschrift MUC als Ortsschilder auf Straßenschildern.

Wenn man von oder nach Tegel fliegt steht da glaube ich immer TXL, ich weiß gar nicht, woher das X kommt. Ich bin auch schon von und nach Schönefeld und Tempelhof geflogen, habe aber vergessen, wie da die Abkürzungen sind, zu lange her. Viel zu lange. Na ja, von Tempelhof kann man ja nicht mehr fliegen. Und wie der neue Flughafen irgendwann mal heißt, weiß ich nicht, da war ich noch nie. Ich fliege total gerne, ich warte aber nicht gerne auf den Abflug. Aber wenn der Flieger auf der Startbahn Tempo aufnimmt, werde ich immer ganz aufgeregt und euphorisiert. Ich habe richtige Glücksgefühle. Angst habe ich noch nie gehabt, über den Wolken.

Mir tun die Menschen leid, die Panik kriegen beim Fliegen. Sie sagen immer, es wäre die Angst vor dem Kontrollverlust. Ich verstehe das nicht, weil man ja auch in anderen Zusammenhängen keine technische Kontrolle hat. Zum Beispiel habe ich keine Kontrolle über Schwachstellen im Stromnetz von meiner Wohnung. Ein Kabelbrand könnte sich entwickeln und die Bude abfackeln. Es könnte schon brennen, wenn die Sicherung rausgeflogen ist. Man könnte als Gast im Taxi fahren und ein Geisterfahrer kommt einem entgegen und rumms und aus und vorbei.

Mir sind Straßenbahnen viel unheimlicher als Flugzeuge. Wenn man träumt und über die Straße geht und die Tram schafft die Bremsung nicht rechtzeitig, das ist kein schönes Bild. Das quietscht auch so furchtbar. Mir ist das einmal fast passiert. Ich habe geträumt, bzw. war ich in Gedanken, nicht schönen, traurigen. Und bin wie ein Roboter am Hackeschen Markt Richtung Rosenthaler über die Straße, von rechts kam gerade die Tram und hat eine Vollbremsung hingelegt. Ich bin so erschrocken und habe mich geschämt. Weil ich fast einen Menschen ins Unglück gestürzt hätte. Den Fahrer meine ich. Die Menschen, die mir nahe stehen natürlich auch.

Seitdem warte ich immer ganz artig und aufmerksam bis es grün wird, da wo Straßenbahnschienen sind. Es ist eine unübersichtliche Ecke, da am Hackeschen Markt. Da habe ich großen Respekt. Aber Fliegen ist bis jetzt noch nicht durch dumme Erlebnisse belastet.

Ich will auch eine Postkarte zurück schreiben. Es ist so etwas Besonderes geworden. Ich habe eine Schachtel mit ganz vielen unbeschriebenen Postkarten, ich werde eine davon auswählen. Briefmarken hab ich auch.
g a g a - Mi, 23. Okt, 20:03

Elvira V.
Das ist so rührend. Sollte man viel öfter tun. Also Postkarten schreiben. Und: Man kann schon noch von Tegel fliegen. Noch mindestens ein Jahr, nach meiner statistischen Berechnung auch noch viel länger, denn unsere Ehe hält schon 7,5 glückliche Jahre, und der neue Flughafen sollte exakt eine Woche vor unserer Trauung eröffnet werden!

Gaga Nielsen
ich hab mich vorhin vertippt, hab nicht Tegel sondern Tempelhof gemeint, habs aber schon korrigiert!

g a g a - Mi, 23. Okt, 23:35

Christoph M.
Achtung, das Porto hat sich erhöht!

Gaga Nielsen
Das macht überhaupt nichts, ich hab ganz viele alte Briefmarken!

(aber schon Cent, nicht mehr Pfennige). Ich habe nämlich seit ca. zwanzig Jahren ein kleines Steckenpferd, das darin besteht, ungestempelte Briefmarken zu sammeln. Also versehentlich nicht gestempelte. Sind sehr hübsche Motive dabei. Zum Beispiel die Kreidefelsen von Jasmund oder eine mit einem roten Auto drauf! Und Blumen, Blumen, Blumen! Wenn du nett bist, schicke ich dir auch mal eine Postkarte. Oder du mir! Meine Adresse lautet:

Gaga Nielsen
Geheimstr. 17 a
12345 Berlin...!

(jetzt muss ich aber in die Federn!)

g a g a - Do, 24. Okt, 11:12

Christoph M.
Ich mache das auch so. Schön im Wasserbad ablösen! Eine Kiste mit Postkarten habe ich auch.

Christoph M.
Geheimweg 47
54321 Geheimstadt

Gaga Nielsen
Vielen Dank für deine Postanschrift, ich werde eine schöne Postkarte und Briefmarke auswählen!

Meine Ablösetechnik ist, die Briefmarke mit Papier grob ausschneiden, dann an einer Ecke, wo sie nicht ganz so fest klebt, vorsichtig mit dem Fingernagel anheben, und dann behutsam, das Papier vom Umschlag, immer am Rand entlang nach unten abziehen. Geht schneller, und die Zacken bleiben einwandfrei erhalten. Manchmal gibt es doch eine kleine Spur vom Stempel (das bleibt jetzt aber unter uns) an einer Ecke, da gehe ich dann mit ein bißchen Spucke drüber und poliere den unschönen kleinen Fleck anschließend weg. Geht aber nur mit Marken mit leicht glänzender Oberfläche.
kid37 - Mi, 23. Okt, 23:37

Postkarten sind eine so großartige Erfindung. Ich bekomme auch manchmal welche, leider verschicke ich dieselbst nur selten. Das ist nicht schön. Mit Postkarten kann man auch Mail-Art machen, die als Deckel für Gläser nehmen, um Spinnen oder Wespen nach draußen zu befördern oder als Lineal, wenn man schnell eine Bleistiftlinie ziehen will. Ich ärgere mich, auf meiner letzten größeren Reise keine verschickt zu haben. Dann hätten Sie auch eine bekommen.

g a g a - Mi, 23. Okt, 23:42

Immer krieg ich nur Postkarten von den kleinen Reisen, das ist so gemein!

Ich habe vorhin ein bißchen schlechtes Gewissen gehabt, weil ich bei den letzten kid37-Postkarten aus Wien keine extra Gedenk-Einträge geschrieben habe. Dafür möchte ich mich entschuldigen. Es hat aber auch mit Diskretion zu tun, schließlich weiß ich nicht, ob es erwünscht ist, dass man weiß, dass wir persönlich miteinander bekannt sind und Schriftverkehr haben!

Eine zweite Erklärung habe ich auch noch dafür. Eine Ansichtspostkarte aus dem Urlaub ist noch ein bißchen wie früher, schon auch selten geworden, aber nicht ganz so exotisch. Jedoch eine Postkarte zu kriegen, ohne dass einer auf Reisen ist und ohne Einladung und ohne Geburtstag zu haben, das ist schon exorbitant! Beinah wie ein Besuch vom Mars!
g a g a - Mi, 23. Okt, 23:47

P.S. ich hab mir gerade vorgenommen, auch mal eine Postkarte nach Hamburg zu schreiben, ich sag aber nicht an wen! ;--)
g a g a - Do, 24. Okt, 11:33

Zucker
24. Oktober 2019 um 0:12

Schade, daß sich die Selbstmörder, die sich absichtlich vor Züge werfen, nie vorher ausreichend schämen. Aber ich glaube der Punkt ist der in Bezug auf deine anderen Beispiele: Die Chance einer brennenden Wohnung zu
entkommen ist ziemlich groß, bersonders jetzt wenn es überall Rauchmelder gibt. Und wenn man vor eine Bahn läuft ist man selbst schuld und hat nicht aufgepasst. Aber ein Flugzeugunglück zu überleben geht so gegen 0 Prozent und das ist dabei völlig unabhängig davon, was man selbst macht, bzw. gemacht hat. Wenn man also nicht gerade das Flugzeug absichtlich sabotiert, hat man quasi null Einfluss irgendeiner Art, weder vorher noch während des Unglücks.

Gaga Nielsen
24. Oktober 2019 um 11:23

@Zucker
Man sollte einfach auf seinen Glücksstern vertrauen. Ich habe das Gefühl, dass es mir nicht bestimmt ist, bei einem Flugzeugabsturz zu sterben. Und wer so ein tiefgreifend ungutes Gefühl hat, sollte dann halt in Gottes Namen nicht fliegen. Ich weiß gar nicht, ob die Leute mit Flugangst auch den Moment des Startens und Abhebens schlimm finden, den ich so liebe. Jeder hat eben so seine Spezialängste. Ich habe eigentlich keine Ängste, weil ich weiß, dass keiner ewig lebt. Ich will nur dafür sorgen, dass ich alles in meiner Lebenszeit erledigen kann, was mir bestimmt ist und hoffe, dass ich dafür noch schön viel Zeit habe.

g a g a - Do, 24. Okt, 15:53

Zucker
24. Oktober 2019 um 13:17

Ich frage mich gerade, wieviel Menschen bei Flugzeugunglücken wohl schon auf ihren Glücksstern vertraut haben. *gg* Aber im Prinzip mache ich es genauso – wenn ich mich auf etwas freue und das Fliegen dazugehört, schiebe ich etwaige Ängste beiseite und sage mir, daß Fliegen sicherer ist als Autofahren und schon alles gut gehen wird. Dann habe ich auch keine Probleme damit. Ich würde allerdings nicht sagen, daß ich zu den Leuten gehöre, die nur für das Fliegen für sich in ein Flugzeug steigen würden, zumal ich es so sehr aufregend dann auch nicht finde. Anders als in Zügen, wo man noch die Landschaft betrachten kann, ist es auf Dauer doch eher langweilig, außer bei den Starts und bei den Landungen. Ich denke aber, daß die Euphorie dabei völlig normal ist und genau den gleichen Auslöser hat wie die Angst, nämlich Adrenalinausschüttung. Der Körper merkt, daß irgendwas komisch ist und nicht zu seiner normalen evolutionären Anpassung paßt. Und diese Adrenalinausschütung kann man dann entweder unbewußt negativ besetzen, was zu Angst führt, oder eben positiv, was zu Euphorie führt. Wenn ich die Angst beiseite schiebe und mich auf das Erlebnis freue, fühle ich mich ebenfalls euphorisch. Es gibt ja sogar solche Leute, die bei Adrenalinauschüttung generell so richtig in Hochstimmung geraten und diese absichtlich suchen.

Gaga Nielsen
24. Oktober 2019 um 15:36

Man muss sich vor Augen führen, dass man rein gar nichts in der Welt oder in sich selbst verbessert, wenn man sich gedanklich damit befasst, was die Schlimmste aller möglichen Konsequenzen wäre. Mit dunkel umwölkten Blick sitzt man paralysiert da und hat keinerlei Lebensfreude in der Sorgen-Zeit. Dafür ist mir mein Leben viel zu kostbar. Ich suche überhaupt keinen Nervenkitzel. Bungee Jumping oder Fallschirmfliegen oder Achterbahnfahren und andere Fahrgeschäfte sind mir eine unangenehme Vorstellung, da dreht sich mir der Magen um, wegen der komischen Körperhaltungen, die dort mit einem passieren, das ist mir unkomfortabel und wirklich zu riskant, habe dabei keinerlei Freude oder Unterhaltungswert. Auch mit dem Kopf unter Wasser sein ist mir suspekt. Tauchen: never ever! Wasser in offenen Augen: schlimm! Ich bin überhaupt nicht körperlich risikofreudig und liebe Komfort in allen Lebenslagen. Zelten ist mir schon zu unbequem! Die Beschleunigung beim Start macht was mit meinen Zellen, das wie eine kribbelnde angenehme Gänsehaut oder Massage ist, ganz ganz toll. Und dieses Abheben, wundervoll. Das Fliegen an sich ist dann natürlich vergleichsweise unspektakulär, es sei denn man sieht phantastische Landschaften von oben, wie den Grand Canyon oder die Alpen oder Spitzbergen oder Metropolen. Ich nehme immer Fensterplatz. Amerika von oben zu sehen, all die Bundestaaten, das hat mich umgehauen, wie schwach besiedelt es aussieht, insgesamt. Aber der Grand Canyon war mein Highlight.
g a g a - Fr, 25. Okt, 00:49

Zucker
24. Oktober 2019 um 18:19

So ging es mir beim Anflug auf Norwegen über die Schärenlandschaft, aber das hat man ja leider meist wirklich nur beim jeweiligen Start oder dem Landeanflug, außer man bucht einen speziellen Rundflug. Beim Grand Canyon würde ich das auch machen.

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