14. Juli 2015
Wieder Vera. Veruschka. Wenn ich nicht hin und wieder erwähnt hätte, dass ich sie schon hier und da erleben konnte, hätte ich das gar nicht gewusst. Nirgendwo ein Plakat oder augenfälliger Hinweis. Nein, man muss sich mit dem Vorlesungsverzeichnis der UdK Berlin, der Universität der Künste beschäftigen, dann weiß man von solchen Veranstaltungen. Was ich bislang nicht gemacht habe. Aber eine langjährige Bekannte, die sich gerne mit dem Verzeichnis beschäftigt, hat mich darauf aufmerksam gemacht. Das Schöne ist ja, dass man zu diesen Vorlesungen einfach gehen kann, ohne immatrikuliert zu sein. Man muss sich weder ausweisen noch Eintritt bezahlen. Und wenn man frühzeitig kommt, kriegt man auch einen Platz. Und lauscht mehr oder weniger hochkarätigen Erörterungen oder Gesprächen. Kommt natürlich auf die Protagonisten an. Das Gute bei Vera von Lehndorff ist, egal welch schlichten Geistes die Fragestellung ist, sie reagiert immer auf eine Art, die Substanz in die Angelegenheit bringt. Manchmal auch nur durch einen subtil unwirschen Blick. So eine Andeutung von "was fragt der mich hier denn?" Aber so charmant drübergelächelt. Sieht man vielleicht auch nur, wenn man sich wissenschaftlich mit Veruschka, Vera Gottliebe Anna Gräfin von Lehndorff beschäftigt hat. Wir sahen Filmsequenzen von ihren Performances. Sagen wir performancehafte Kurzfilme. Kleine atmosphärische Kurzfilme, wie Traumsequenzen. Das ist mir nicht so fremd. Nun kenne ich auch ihre Biographie recht gut und kann mich dann schon auch einmal mit Vera von Lehndorff gemeinsam über die Fragestellung wundern. Unlängst bei CO, diesem Blow up-Symposium, war auch so ein Meister seines Fachs an ihrer Seite. Aber ich will mich an dieser Stelle nicht weiter in fragwürdige Details der Fragestellung versteigen. Jedenfalls ging es in der UdK-Gesprächsreihe "Diversität im Dialog" an diesem Abend um das Thema "Tod und Altern". Wir sahen in Vera von Lehndorffs Filmsequenzen unter anderem Szenen, in denen sie mit einer Vorstellung von irdischem, veritabel erdenreichem Begrabensein spielte, sich vergrabend ins Erdreich. Asche spielte auch eine Rolle, wie so oft bei ihren Werken. Damit malt sie auch. Mich interessierte, ob die Asche in einer der Filmszenen von einem bestimmten Objekt rührte - Papier oder etwas anderem von Bedeutung vielleicht - Briefe, Aufzeichnungen - ? Aber so detailliert wollte ich dann auch nicht nachbohren. Sie sagte aber, dass diese Art sehr heller Asche von Papier ist. Und dann gab es auch eine Aufzeichnung einer Performance in Berlin, in der man sie auf einer Chaiselongue sah, ganz in Grau gekleidet, wie der Bezugsstoff des Möbels und eine Zwiesprache mit ihrem gerade gestorbenen (unsichtbaren) Kater hielt. Der auch so ein graues Fell hatte. Das fand ich sehr anrührend. Sie erinnerte sich an Dinge, die sie ärgerten, als er noch lebte, das Zerfetzen von jeglichem Papier zu Papierschnitzeln, das ihr auf einmal fehlte. Ich fand das wahrhaftig, wie sie da mit ihrem Kater im Nirwana sprach. Danach kommentierte sie so etwas in der Art wie "na ja, ist vielleicht doch nicht so gut - ein bißchen kitschig vielleicht, oder?" So, als ob sie bei sich zuhause wäre und sich etwas von sich anschaut, und halb zu sich selber spricht, wie man so Selbstgespräche führt. Und lächelt dabei so ein bißchen unsicher ins Publikum. Da musste ich aber ganz deutlich widersprechen. Dass es überhaupt nicht kitschig war, sondern im Gegenteil sehr anrühernd. Und sie: "Ja?(??)" Mit so einem erfreut-überraschten Ausdruck. "Ja, wirklich. Das war sehr schön." Und wie man sieht, wie sie sich über das Lob freut. Ein paar andere im Publikum haben es auch noch einmal bekräftigt. Alle waren ihr zugetan. Aber das ist ja immer so. So selten es solche Gelegenheiten gibt. Es war das vierte mal, dass ich sie gesehen habe. Aus nächster Nähe. Aber so jung und leicht wie die beiden letzten Male kam sie mir noch nie vor. Und als sie wirklich jung an Jahren war, schon gar nicht. Vera von Lehndorff, die sich in der Blüte ihrer Jugend das Leben nehmen wollte, weil sie vor Dunkelheit nicht ein noch aus wusste. Ganz hell war sie, wie sie da direkt vor mir saß, in ihrem gerade begonnenen siebenundsiebzigsten Jahr, eine Freude. Wie immer. Jan war auch da. Mein guter Freund, dem ich nicht erklären muss, warum man jeden sich bietenden Termin mit Vera Lehndorff rot im Kalender anstreichen sollte. Er hat auch ein paar Aufnahmen gemacht, hier.
Der Mann, der links von ihr zu sehen ist, hat bei ihren gefilmten Performances der letzteren Jahre die Kamera geführt und mit ihr die Dramaturgie entwickelt. Leider habe ich seinen Namen nicht präsent, er wird auch nicht auf der Seite der UdK namentlich erwähnt. Es gibt von diesen jüngeren Werken kaum etwas im Netz (nur das, eventuell war es daher Christopher Roth). Auf youtube finden sich ein paar Sachen, die sie mit Holger Trülzsch gemacht hat, aber das war lange vor dem, was wir an diesem Abend sahen.
Im Auditorium waren Menschen zwischen Zwanzig und Siebzig. Nicht so sehr eine Frage des Alters, Zugang zu finden. Byung-Chul Han, der das Gespräch leitete, hatte wohl den Lehrauftrag präsent, als er zwecks Vorstellung Teile aus ihrem Wikipedia-Eintrag aufgriff, so wie man einem Marsmännchen Veruschka gerne erklären will. Aber wir sind doch Erdbewohner.
g a g a - 14. Juli 2015, 01:38
Als er von dem Bild zu schwärmen begann, ging sie vehement dazwischen und machte klar, dass sie damals zu unwissend war, um sich zu weigern, einen Pelz zu tragen. Das wäre seit langer Zeit für sie völlig undenkbar und indiskutabel, deswegen könnte das nie und nimmer ihr persönliches Lieblingsbild sein, auch wenn sie die ästhetische Qualität natürlich erkennen kann. Sie hat sich dann ein bißchen in Rage geredet und wollte lieber über Schweinemast und Massentierhaltung reden, als über ihre Vergangenheit als Schönheitsikone. Er versuchte ein bißchen einzulenken, war aber nicht so recht überzeugend. Sie hat dann nicht weiter insistiert, damit sein Thema nicht total aus dem Ruder läuft.