13. August 2024

Last but not least für heute, ein Karin-Bild aus den mitgenommenen Fotoalben. Die meisten Fotos konnte ich noch erinnern, weil ich als Kind leidenschaftlich gerne in den alten Alben geblättert habe. Aber bei ein paar Fotos hatte ich so gar kein Déjà- vu. Wie bei diesem zum Beispiel. Das Foto ist nicht datiert. Ganz sicher ist, dass es ungefähr Mitte der Fünfziger Jahre entstanden ist. Die herrliche, abstrakte und für damalige Zeiten supermoderne Tapete! Der Weltempfänger, der hochgeschlossene Pullover, der Gummibaum. Ich tippe auf Anfang 57. Da wäre sie dreizehneinhalb gewesen, obwohl ich finde, sie sieht älter aus. Eher wie fünfzehn oder sechzehn. Aber das korrespondiert wieder nicht mit den nachweislichen Bildern aus den späteren Jahren. An ihren Frisuren kann ich es ein bißchen eingrenzen. Wie auch immer, ich bin fasziniert, wie sehr der Charme der Fünfziger in diesem Bild konserviert ist, ich liebe es. Und auch, dass sie so erheitert blickt.



Soeben fällt mir noch auf, dass beim Radio die eine Taste runtergedrückt ist, vielleicht spielte es gerade Schlager-Musik. "Steig in das Traumboot der Liebe" von Caterina Valente oder "Weißer Holunder" von Gitta Lind. Die Fotos hat meistens Karins Vater André gemacht. Der die romantischen Bilder gestickt hat.

13. August 2024

Erste Male. Gerade die Endabrechnung vom Bestattungsinstitut im Briefkasten gehabt. Vor einer halben Stunde. Erst mal Blumen gegossen. Gerätselt, wieso der Umschlag so dick und gepolstert ist, als wären nicht nur DIN A-4-Blätter drin.

Im Umschlag eine mit dunkelblauem Samt bezogene Mappe zum Aufklappen. Darauf mit Goldprägung das Logo des Bestattungsinstituts. Wie man es von gehobenen Restaurants kennt, wenn die Rechnung übergeben wird. In der Mappe, die auf jeder Seite ein Fach hat, um etwas einzuschieben, die Endabrechnung und weitere Einzelrechnungen, die in die Endabrechnung eingeflossen sind. Für Überführungen, die organisatorischen Bestatter-Einzelleistungen, den Sarg, die Einbettung etc. die Einäscherung, die Urne, die Blumen, die Musikanlage, div. Gebühren, Sterbeurkunden, Kirchengebühr.

Bei der Abrechnung für die Einäscherung steht auch die Uhrzeit der Einäscherung am 12. Juli 2024. Um 8:09 Uhr. Und seltsamerweise in Hohenburg, in der Oberpfalz. Ist ja nicht gerade um die Ecke, da hat sie nochmal eine richtige Reise unternommen. Ich hatte irgendwo gelesen, dass Verstorbene aus dem Landkreis meiner Mutter angeblich immer im Krematorium Nürnberg eingeäschert werden. Aber vielleicht hatten die keine Kapazitäten mehr, die sind wohl pro Jahr begrenzt. Macht mich neugierig. Und ich hatte mir bereits ganz hingegeben Fotos vom Krematorium Nürnberg angeschaut, das eine ganz hübsche, barocke Architektur hat.

Gleich mal googeln, wie das Krematorium Hohenburg aussieht. Aha - mehr wie ein flacheres, weißes Ferienhaus. Gibt dort auch einen Abschiedsraum und die Gelegenheit für eine Trauerfeier mit anschließendem Leichenschmaus. Das ist ja wirklich noch mal ein Ausflug in eine Ecke mit Urlaubsqualität. Sie ist ja in den letzten Jahren nicht mehr unterwegs gewesen. Kein Marienbad oder Franzensbad mehr, da war sie gerne öfter mal, wie ich ihren Notizbüchern entnahm. Hatte sie mir bestimmt auch erzählt, aber ich hatte es wieder vergessen oder es war auch lange her.

Die Queen hatte ja auch eine bemerkenswerte Reise-Aktivität nach ihrem Tod. War das nicht von Balmoral nach Edinburgh und sogar noch irgendein Flug dazwischen und dann eine ewige Autofahrt mit Anne hinten als Begleitung? Morgen mache ich einen Termin mit der Bank, um die Überweisung vom Nachlasskonto auszuführen. Heute garantiert kein Bestattungscontent mehr, versprochen.

13. August 2024

Hausaufgabe für meine Leser/innen:

fragt bitte Eure Eltern, Ehegatten, Geschwister und sonstige Angehörigen, für die Ihr dereinst bestattungspflichtig werden könntet, welche Informationen auf dem Grabstein graviert werden sollen. Nur der Vorname und der Nachname? Auch das Geburts- und Todesdatum? Oder auch noch zusätzlich der Geburtsname bei verändertem Familiennamen durch Eheschließung? Oder womöglich auch noch der Geburtsort? Und dann vielleicht auch noch der Sterbeort? Die meisten (rückwärtigen) Inschriften begnügen sich heutzutage mit Vorname, Nachname, Geburts- und Sterbedatum.

Ich musste mir auch gerade Gedanken machen. Ich hatte dann beschlossen, bei dem bestehenden Familien-Grabstein auf der Rückseite im selben Stil weiterzumachen, wie die beiden letzten Inschriften darüber waren. Vorname, Nachname, Geburtsdatum, Sterbedatum. ABER: im Nachhinein - noch rechtzeitig - fiel mir ein, dass meine Mama sehr an ihrer Herkunftsfamilie und deren Namen hing, sie sogar bei der Eheschließung am liebsten weiter so geheißen hätte, aber das war damals unüblich, auch gar nicht machbar. Also habe ich den Auftrag um den Zusatz "geb. (... Mädchenname)" ergänzen lassen. Ein Buchstabe beim Steinmetz (also bei diesem, der nicht der Teuerste ist) kostet 12,50 €. Das ist vermutlich auch ein Grund, wieso heutzutage keine sehr wortreichen Gravuren gemacht werden. Früher hat man ja gerne auch mal den Beruf dazugeschrieben. Bei den ersten beiden Gravuren, ganz oben auf dem Grabstein, der für meine Großmutter väterlicherseits, steht auch noch ihr Geburtsort, der nicht im heutigen Deutschland war, das war den Hinterbliebenen, in dem Fall in erster Linie meinem Großvater, offenbar wichtig. 1975 war die Gravur sicher auch noch günstiger. Aber bei seiner Gravur darunter, fiel schon ein zweiter Ortszusatz weg, dann bei der nächsten Gravur, der für meinen Bruder, ging es kurz und knapp weiter, keine Rede mehr von einem Geburtsort. Ebenso wenig bei der darauffolgenden Gravur für den Sohn meines Bruders, da ist auch nicht ersichtlich, wo er geboren wurde. Das nahm ich dann zum Anlass, die noch fehlenden Gravuren für meinen Vater und für meine Mutter ebenso zu gestalten. Davon ausgehend, dass mein Vater diese Gravuren für seinen Sohn und seinen Enkel beauftragt hat. Wenn er da nun der Meinung war, Geburtsort egal, muss er jetzt auf seiner Wolke akzeptieren, dass ich bei ihm nicht wieder anfangen werde, den Geburtsort en detail einmeißeln zu lassen.

Die Gravuren für die Daten meiner Eltern und das Abheben der Grabplatte und erneut Auflegen, belaufen sich auf 937,13 Euro. 19 % MwSt schon eingerechnet. Davon entfallen nur 125 Euro auf das Anheben und Auflegen der Grabplatte. Die notwendigen Buchstaben hauen rein. Und es sind sehr kleine Buchstaben, die da rückwärtig graviert werden. Punkte und Kommas werden nicht berechnet. Aber Sterne und Kreuze. Das sind mitunter Gewissensfragen, was für einen Toten von Bedeutung sein könnte. Also: fragt mal, in einer launigen Stunde, bei einem Gläschen Wein.

12. August 2024



Die Trauergesellschaft im Café, ich habe mal durchgezählt. Angelika, Claudia, Elvyn, Felix, Gabi, Gaga, Hans, Katharina u. Baby, Lothar, Luise, Lutz, Monika, Namping, Nik, Sabrina, Ulla, Valerian. Wir waren achtzehn. Darunter sechzehn Erwachsene und zwei Babies. Bei der Beisetzung waren es mehr, aber nicht alle konnten oder wollten mitkommen. Ich hatte so kleine Kärtchen vorbereitet, auf denen die Uhrzeit und die Adresse des Cafés stand und hab sie dann noch auf dem Friedhof spontan verteilt. Ich hatte telefonisch bei der Tischreservierung schon mal zwei Sorten Mineralwasser geordert, die auf der langen Tafel bereitstanden, was auch willkommen geheißen wurde. Dann musste ich aber immer wieder auffordern, sich bitte auch noch etwas nach Belieben, egal ob Getränke, Kuchen oder eine sonstige Mahlzeit von der Karte zu bestellen. Einige waren da etwas schüchtern, was ja an sich sympathisch ist. Aber da es keine hundert Leute waren, und man bei so einem Anlass nicht knauserig werden sollte, war mir daran gelegen, dass sich jeder etwas nach Belieben gönnt. Ich wollte mich ja auch nicht vor dem Café blamieren, indem nur preisgünstiges Wasser verzehrt wird. Nach und nach wurden dann doch verschiedene Sachen bestellt. Ich war dann doch recht zufrieden mit meinen Gästen! Ich selber habe mir endlich ein Pils gegönnt und dann noch eins und noch eins. Hunger hatte ich am Nachmittag um drei noch nicht, nach meiner Speisenfolge im ICE.



Es gibt schon noch ein paar mehr Gruppenfotos, aber ich zeige hier nur dieses unscharfe, wegen Diskretion. Nur bei einem noch ziemlich neuen Erdenbürger, meinem kleinen Großneffen Elvyn, möchte ich mir gerne eine Ausnahme erlauben. Ich habe den Sohn von Valerian und Sabrina zum allerersten mal in echt gesehen, vorher nur auf Fotos, und der kleine Großneffe und die große Großtante mussten natürlich "bonden", wie es heute so modisch heißt. Wir haben uns also beschnuppert und keiner hat sich voll Abscheu abgewandt. Das war auch sehr schön. In meinem vorvorletzten Telefonat mit Karin, am Muttertag war das, hatten wir auch über ihren Urenkel gesprochen, den sie noch einmal sehen konnte. Er ist ja erst im März geboren worden und schon so groß!



Sie meinte zu mir "Man sagt ja immer...wenn die einen kommen, gehen die anderen..." Da sprach Bewußtsein aus ihr, dass sie wusste, dass ihre Zeit auf Erden in nicht ferner Zukunft abgelaufen ist. Und wie süß sie ihn findet, hat sich auch noch gesagt. Für mich war auch schön zu sehen, wie innig das Verhältnis zwischen Valerian und seinem kleinen Sohn ist, seinem ersten Kind. Ein absolutes Wunschkind. Er geht so souverän mit ihm um, hat soviel Nähe und Körperkontakt, das erinnert mich ganz stark an meinen Bruder, wie er mit seinem erstgeborenen Sohn spielerisch hantierte, permanent zärtliche Nähe suchte und pflegte. So schön.



Nach dem Kaffee gab es noch einen kurzen Aufenthalt im Elternhaus, wo ich bald sichten will, was Mama noch an Familienerinnerungen aufbewahrt hat. Briefe, Fotos und natürlich noch mehr Notizbücher, meine kleine Liebhaberei. Ihr dunkelgrünes Tagebuch aus den Fünfziger Jahren hatte ich sofort in einem Karton erkannt, mit goldenem Schloss ohne Schlüssel (inzwischen geknackt), und auch eine Handvoll Briefe aus den Sechzigern und Siebzigern, die ihre Mutter Alma an sie geschrieben hatte. Ein Vielschreiberin! Von einem Aufenthalt in Oberstdorf im Frühling 1964, schrieb sie täglich einen Brief, fieberte mit ihrer hochschwangeren Tochter Karin mit. Aber davon später. Und ich habe das gestickte Bild von meinem Großvater mit nach Berlin genommen und ein schönes, selbst gezimmertes Holzbild von meinem Vater, sieht aus wie ein Tablett, mit gepressten Blättern von Laubbäumen unter der Lasur. Kein Gold, kein Silber, keine Diamanten, keine Aktien, keine Wertpapiere. Nur Briefpapier, Tinte, Stoff, Pappe und Holz. Gedanken und Gefühle. Für mich unermesslich kostbarer. Bekommt Ihr alles bald zu sehen.

12. August 2024











Letztes Lebwohl, letzter Blick. Der Urnenkranz ruht wieder auf der Urne, dazwischen rote Erde. Wir trafen uns noch im Café, und es war schön. Das war der Abschied von Karin, von meiner Mama.





12. August 2024









Die Pfarrerin sprach die alten Worte Asche zu Asche, Erde zu Erde, Staub zu Staub. Dabei kniete sie und nahm auch Erde in die Hand. Und dann einige Blütenblätter. Das Blumenduett für zwei Soprane aus der Delibes-Oper Lakmé erklang. Dann war es an mir, an uns, meiner Mutter Karin einen letzten Blumengruß auf den Weg zu geben. Ich warf ihr einen Kuss hinterher. Ins Blütenmeer.





12. August 2024





Ich lief neben Valerian hinter Mamas Urne hinterher. Die Sonne schien. In der Wettervorhersage war für die Zeit eventueller Regen avisiert, aber der kam nicht. Was angenehm war. Bei der Beisetzung meines Vaters hatte es ununterbrochen geregnet. War auch im Sommer, am 9. Juli 2021. Das machte es noch trauriger.











Während die Urne versenkt wurde, sprach die Pfarrerin Gebete. Ich dachte, da würde das "Blumenduett" gespielt werden, aber das kam erst ein wenig später, als die Blütenblätter gestreut wurden.

11. August 2024

Ich betrat die Aussegnungshalle, in der vor drei Jahren auch die Trauerfeier für meinen Vater stattgefunden hatte. Er war katholisch, mit einem katholischen Priester. Meine Mama blieb zeitlebens evangelisch. Aber beide haben die gleiche blaue Urne mit dem goldenen Lebensbaum. Ich ließ meinen Blick kurz durch die Reihen schweifen und erblickte eine Frau in meinem Alter, die mir zweimal bei Besuchen bei meiner Mutter begegnet war. Sie saß in einer der hinteren Reihen mit einer tiefschwarzen Sonnenbrille und reagierte nicht auf mich. Ich sprach sie direkt an, "Schön, dass Du auch gekommen bist". Weder sagte sie hallo, noch kondolierte sie mir. Sie stand auch nicht auf, sondern murmelte nur knapp: "das hab ich ihr ja versprochen." Ende der Unterhaltung. Ich nahm sehr stark wahr, wie sie sich sperrte und war leicht perplex. Sie hatte meine Mutter im Zuge des Besuchs der alten Dame kennengelernt, mit der sie freundschaftlich verbunden ist, die das Zimmer mit meiner Mutter teilte. Was praktischerweise zu einem solchen Kontakt mit meiner Mutter führte, dass sie kleine Besorgungen für sie machte, wenn sie ohnehin welche für die andere alte Dame erledigte. Ich war immer freundlich zu ihr, obwohl mir ihre Angewohnheit etwas suspekt war, mit erwachsenen Frauen einer älteren Generation wie mit Kleinkindern zu sprechen. Was diese aber vielleicht genossen. Für mich war meine Mutter bis zur letzten Minute eine als erwachsene Persönlichkeit zu respektierende Frau geblieben, auch wenn sie nicht mehr alles selbst machen konnte.



Ich kehrte um und nahm es hin und suchte mir meinen Platz, der für die nächsten Angehörigen immer in der vordersten Reihe ist. Ich hatte unmittelbar den Impuls, möglichst genau gegenüber der Urne zu sitzen, mittig. Valerian wollte mich zur anderen Seite rüberwinken, wo er mit den anderen der Familie saß, aber ich wollte unbedingt genau da, so nah wie möglich, Auge in Auge mit ihr sein. Meine Tasche stellte ich auf den Stuhl neben mir ab. Das Fach mit den Tempotaschentüchern griffbereit. Brauchte ich auch.



Ich wusste ja, was zumindest musikalisch nun zu erwarten war. Der Auftakt mit Maria Callas. Ah non credea mirarti. Eine Aufnahme aus meinem Geburtsjahr 1965. Schon bei den ersten Takten ging es los. Ich konnte nicht mehr an mich halten. Die Tränen flossen, als wäre eine Schleuse geöffnet. Die Musik war berührend und tröstlich, genau richtig. Ich glaube, dass auch andere es so empfanden. Sie sagten es mir ja später. Die Pfarrerin sprach sehr, sehr einfühlsam. Dann wieder Musik, Harry Belafonte, Try to Remember. Bei den folgenden Worten der Pfarrerin trat zutage, wie tief sie sich mit dem Text des Liedes beschäftigt hatte, sie schlug schöne Bögen zur Biographie meiner Mama, welchen Trost auch das Erinnern an frühere, hellere Tage in einem Leben bedeuten kann, wenn es sich zum Ende neigt. Und sie zitierte hingebungsvoll das von mir gewählte Zitat von Wolfgang Borchert.



"DIE ERDE SINKT ZURÜCK, DIE FESSELN UND DIE SCHMERZEN: ICH BIN AM HIMMEL STERN GEWORDEN UND FÜHL IM ALL DEN SCHLAG VON GOTTES WEITEM HERZEN."



Esther und Abi Ofarim sangen ihr Schlaflied "hush-a-bye". Abschiedsworte. Dann Auszug der Urne. Zuerst wird der Urnenkranz abgehoben und nach draußen getragen, dann die Urne selbst. Alle erheben sich, um zu folgen. Auf dem Weg nach draußen die Klänge von Esther und Abis "Morning of My Life".

11. August 2024



Noch eine halbe Stunde bis zur Trauerfeier. Ich setzte mich auf eine der drei Wartebänke auf den Hof, da wo auch der Aushang ist, welche Trauerfeiern anstehen und wartete auf die ersten Gäste. Von den engsten Angehörigen, also Valerian, seiner Frau, den zugehörigen Eltern und seinem Bruder mit dessen Frau wusste ich sicher, dass sie kommen. Auch von einem langjährig mit meinen Eltern befreundetem Ehepaar und dem Nachbars-Ehepaar und zugehörigen Kindern. Alle übrigen Gäste würden eine kleine Überraschung sein. Mit dem Fahrrad trudelte eine Frau um die Vierzig ein, die sich als die Pfarrerin entpuppte. Mit ihr hatte ich lange gesprochen, auch schriftlich Input zum Lebensweg meiner Mutter gegeben. Sogar Fotos gemailt. Sie war bestens im Bilde.



Eine sehr sympathische, auch gutaussehende Pfarrerin. Hätte Karin glaube ich gefallen. Dann kamen der Nachbar und seine Frau, die beiden waren auch in der vorherigen Trauerfeier und klärten mich, wie schon erwähnt, über den Grund der saloppen Bekleidung der anderen Trauergesellschaft auf. Sie waren aber beide förmlicher gekleidet. Sie hatte eine leichte, cremeweiße, geschlossene Bluse mit längeren Ärmeln und eine schwarze Hose an, er einen dunkleren Anzug. Wir begrüßten uns warm. Nach und nach stellten sich weitere Besucherinnen ein, meistens weiblich und meistens erkannte ich sie nicht. Ich fragte dann höflich, mich entschuldigend, dass ich es leider nicht wüßte. Überwiegend hatten sie Post von mir erhalten. Ich konnte nun einige Namen aus dem Adressbuch meiner Mutter Gesichtern zuordnen. Bei manchen hatte ich ein bißchen déjà-vu. Wenn sie dann den Namen sagten, machte es klick bei mir. Die Jahrzehnte des nicht-mehr-gesehen-Habens haben einfach bei allen gearbeitet. Mich erkannten auch die meisten gar nicht, was sie mir auch sagten.



Also waren wir sozusagen quitt. Ein weiterer Mitarbeiter vom Bestattungsinstitut hatte nun den Blumenschmuck, bis auf das Körbchen mit den Blütenblättern, die am Grab gestreut werden sollten, in die Aussegnungshalle getragen. Die Pfarrerin kam im langen schwarzen Talar mit weißem Kragen auf mich zu und fragte mich, ob wir noch warten sollen. Es fehlten nämlich noch meine nächsten Angehörigen, sprich Valerian mit seiner Frau, seinem kleinen Sohn, den Schwiegereltern und seinem Bruder und dessen Frau. Ich überlegte kurz, sagte dann, dass es schon wichtige Gäste für die Feier sind und sie eigentlich jeden Moment kommen müssten. Und so war es. Kaum hatte ich es ausgesprochen, kamen sie alle auf einmal durch den Eingang auf den Hof. Wir drückten uns alle und es konnte doch recht pünktlich losgehen.

11. August 2024

Während die andere Trauerfeier noch lief und ich Fotos von den wartenden Blumen machte, kam mir ein schwarz gekleideter Mann mit dem eingestickten Logo des Bestattungsinstituts auf seinem schwarzen Polohemd entgegen, ich stellte mich vor und er begrüßte mich aufs Herzlichste und kondolierte. Ich kannte ihn noch nicht, bisher hatte ich mit zwei Mitarbeiterinnen zu tun, die aber nicht vor Ort dabei waren, was mir aber vorher bekannt war.



Ich sagte ihm, dass ich mich sehr über die Blumen freue, und ganz besonders über den schönen Urnenkranz, den ich mir nicht schöner hätte vorstellen können, in blau und weiß mit ein bißchen violett. Ich hätte ihn mir am liebsten auf den Kopf gesetzt, so schön fand ich ihn. Wir plauderten noch ein bißchen, stimmten ein letztes Detail zur Musik am Grab ab (wann genau sie einsetzen soll) und er kümmerte sich dann weiter um die Vorbereitung. Ein Trauergast der anderen Beisetzung, eine Dame, hatte die Aussegnungshalle verlassen, obwohl die Feier noch lief und schaute sich die Blumen an, vor allem den Blumenwagen für Karin. Sie schenkte mir einen mitfühlenden Blick und las die Schleifen. Ich informierte sie, dass das die Blumen für eine andere Beisetzung sind, also die danach.



Es war ihr peinlich, sie machte eine entschuldigende Geste. Mich hatte es gar nicht gestört, dass sie die Blumen so anerkennend begutachtete, im Gegenteil, aber das Lesen der Schleifen fand sie wohl unstatthaft. Mich erheiterte es beinah, dass sie den anderen Wagen, der zu "ihrer" Toten gehörte, kaum ansah, obwohl große, pompöse Kränze daran hingen. Die Trauerfeier für die Stadträtin war wie geplant, nach zwanzig Minuten zu Ende und die Trauergesellschaft verließ angeführt von dem Urnen- und dem Kranzträger die Halle Richtung Friedhof und Grab. Aha. So läuft das. Ich wunderte mich und war sogar fast etwas pikiert, dass die Damen unter den vorbeiwandernden Trauergästen durchweg luftige, ärmellose, bunte, auch kurze Sommerkleider und offene Sandalen trugen, die Herren keine Anzüge, sondern eher sportive Alltagskleidung, T-Shirt, farbige Hose, Turnschuhe, Sandalen. Ich hatte noch vorher zuhause recherchiert, wie der übliche Dresscode für Trauergäste ist, insbesondere an einem sehr warmen Sommertag, wie wir ihn hatten. Es wurde stets betont, dass Ärmelloses, Ausgeschnittenes, überhaupt alles, was zuviel Haut zeigt, so auch offene Schuhe, die nackte Zehen präsentieren, zu vermeiden sind. Daran hatte ich mich selbst gehalten. Warum diese Gesellschaft diesen üblichen Dresscode komplett ignoriert hatte, klärte sich später auf. Ein Trauergast war bei beiden Beisetzungen und zeigte mir die Traueranzeige für die Stadträtin, in der ausdrücklich stand, dass KEINE Trauerkleidung erwünscht sei. Ich hoffe, dass es das Vermächtnis der Verstorbenen selbst war und keine lockere Mutmaßung eines lockeren Hinterbliebenen.

11. August 2024







Ich spazierte zur Aussegnungshalle und fand im Innenhof glücklicherweise gleich die Besuchertoiletten. Bei "Damen" war der Wasserhahn kaputt. Ich ging zum Händewaschen zu "Herren". Ich schaute mich ein wenig um. Gegenüber der Aussegnungshalle steht die evangelische Kirche, in der ich gemeinsam mit meinem Bruder konfirmiert wurde. Schöne, wilde Wiesenblumen überall. Ich setzte mich eine Weile auf eine Bank davor, die immerhin Halbschatten hatte und trank ein bißchen etwas. Die Glocken läuteten. Sie schlugen für die Trauerfeier, die vor der meiner Mutter, um 13 Uhr stattfand. Eine Frau Mitte Sechzig, die auch im Stadtrat war, wurde beigesetzt. Auf ihrem Blumenwagen auf dem Hof der Aussegnungshalle waren mehr Blumengrüße, als auf dem für meine Mama, aber die waren bei weitem nicht so schön. Ich war nicht neidisch. Außerdem hatte ich ja die Blumengestecke selbst bestellt und ausgesucht und war sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Es ist ja doch eine kleine Überraschung, weil man am Ende nicht genau weiß, welche Blumen gerade jahreszeitlich verfügbar sind und gesteckt werden, wenn man nicht gerade den immer erhältlichen Klassiker Rosen ordert. Aber ich habe ganz gute Vorgaben gemacht, wie zum Beispiel "wildromantische Blumenwiese", in abgesprochenen Farben. Sommerlich und leicht. Freundlich. Und dazu bitte cremeweiße Schleifen ohne Fransen.



11. August 2024





Nach gut zehn Minuten Fahrt von Nürnberg war ich am kleinen Bahnhof angelangt. Daheim in Berlin, hatte ich mir zur Sicherheit auf einem DIN A4-Blatt den Fußweg bis zum Friedhof aufgemalt, weil ich so lange nicht mehr dort herumspaziert bin. Aber eigentlich war er ganz einfach, einmal vom Bahnhof abbiegen und immer geradeaus und dann rechts. Ich lief in der heißen Mittagssonne an vielen kleinen Vorgärten vorbei, es gab kaum Schatten. Es war viel näher, als ich gedacht hatte, und meine Gedächtnis reichte noch weit genug zurück, um den Hintereingang vom Friedhof über den kleinen Seitenweg zu erinnern. Dann könnte ich das bereits geöffnete Grab schon einmal sehen, das würde mich später gefasster machen. So geschehen. Die schwere, linke Granitplatte der dreigeteilten, großflächigen Steinabdeckung war abgehoben worden und lag gut einen Meter links vom Grab auf dem Rasen.



Hinten am Grabstein lehnte wie vergessen, die Schaufel, was ich kurios fand. Ich wusste nun, dass die Urne meiner Mama mehr oder weniger im gleichen Bereich wie die meines Vaters ruhen würde, entweder nebeneinander oder übereinander, das konnte ich nicht sehen. Der Bereich, wo ihre Urne versenkt würde, war durch ein Stück Kunstrasen mit einem Loch bei der Vertiefung versehen. Wegen mir hätte es das nicht gebraucht, ich fand es eigentlich kitschig, hatte ich auch nicht bestellt, aber das ist vermutlich der übliche Standard, über den nicht gesprochen wird, wenn man es nicht von sich aus thematisiert. Auf die Idee wäre ich gar nicht gekommen. Aber auch nicht so wichtig. Ich lief weiter, in Richtung der Aussegnungshalle. Ich hatte noch mehr als eine Stunde Zeit.



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