24. Juni 2019

Eigentlich wollte ich den folgenden Eintrag veröffentlichen, bin aber nun am Schwanken, ob ich damit nicht die Persönlichkeitsrechte meiner Kundinnen verletze und womöglich gegen diese neue Datenschutzverordnung verstoße, sowie des unlauteren Wettbewerbs durch nicht gekennzeichnete geschäftliche Werbung bezichtigt werden könnte:

"Gestern sehr erfolgreich meine hochexclusive Kaftan-Boutique in der südlichen Westberliner Innenstadt eröffnet. Die Geschäfte liefen gleich ganz hervorragend, man hat mir die Premium-Modelle aus der Hand gerissen. Unter anderem dieses schöne Exemplar. Der große Geschäftsabschluss wurde dann noch mit einem (bzw. mehreren) guten Tropfen mit meinen prominenten Kundinnen aus der Film-, Fernseh- und Musikbranche gebührend gewürdigt. Als Geschäftsfrau zeige ich mich stets offen und flexibel und gehe mit meiner Stammkundschaft auch schon mal geschäftlich nach Ladenschluss schön essen und selbstverständlich gerne auch noch mit ins Nachtlokal. So lässt sich arbeiten! Individuelle Öffnungszeiten auf Anfrage."

Nun möchte ich auch vermeiden, dass man mir vorwirft, man habe ja nichts davon gewusst und würde auch gerne zum Kundenkreis zählen. Ich bin momentan stark verunsichert, was hier angemessen sein könnte. Um die Modelle noch besser repräsentieren zu können, habe ich mir auch gleich noch dieses aparte hellblaue Modell in meiner Größe beim Zulieferer meines Vertrauens bestellt. Sollten Sie demnächst hochexclusive Kaftane in den Bildstrecken von Gala und Bunte entdecken, können Sie davon ausgehen, dass diese aus meiner Berliner Kaftan-Boutique stammen!

23. Juli 2019

Aus meinem goldenen Notizbuch XXII.
23. Juli 2019:

"Hackesche Höfe, Frau mit Hund (Gassi), strubbelige kurze Haare, kein Make up, müder Ausdruck, Shirt silberweißer Satin, Blickfang (unschöner Kontrast). Gedanken über alten Z.-Artikel (B.Z.) v. 2009, „Männer bevorzugen Barbie“ angebl. steht die Kombi großer Busen, schmale Hüften für d. größte Fruchtbarkeit (?!?). Seit wann bitte „schmale Hüften“? Ich dachte viel Busen, schmale Taille, weibl. Hüften, also „breitere“? V. wg. „gebärfreudiges Becken“. Welche Studie???“

Die Gassigängerin lenkte durch ihr glamouröses, elegantes, langärmliges leichtes Satinshirt in silberweiß, meinen Blick auf sich. Ich war perplex, wie ungepflegt der Kopf wirkte, der aus dem Ausschnitt guckte. Die helle Hose passte auch sehr gut zum Shirt. Vielleicht ein hurtiger schneller Gassi-Gang vorm Fertigmachen für den Weg zur Arbeit. Vielleicht habe ich nur das Zwischenstadium sehen dürfen. Wenn es die ultimative Version gewesen sein sollte, täte es mir leid. Wenn ich einen Tag habe, an dem ich mich zum Verstecken fühle, kommt mir nur in den Sinn, mich entweder zu verstecken oder sehr unauffällige Sachen zu tragen, weil ich nicht fokussiert werden will. Da ich kein Hündchen habe, muss ich auch nicht zu einem fremdbestimmten Zeitpunkt dringend vor die Wohnungstür. Meine sonstigen außerhäusigen Termine sind mir ja allesamt bekannt. Ich bin ja nicht die Modepolizei, aber mir kann so ein Anblick richtig wehtun. Ich bin sehr dafür, dass sich Menschen zurechtmachen, um das Stadtbild in seiner Gesamtheit aufzuwerten. Aber in dem Fall war sicher Stress im Spiel.

Dann fiel mir am Wochenende beim Sichten meines Materialköfferchens ein zehn Jahre alter Zeitungsartikel in die Hand, er bezog sich auf eine Ankündigung einer Lesung von Helge Timmerberg, zu der ich ging, und er signierte mir lachend die B.Z.-Seite. Hab ich aufgehoben, weil es noch ein schöner Abend war. Auf der Rückseite war ein Artikel über den von den meisten Männern angeblich bevorzugten Frauentyp. Blonde lange Haare, blaue Augen, großer Busen, schmale Hüften. Lange Beine vermutlich auch noch. Also wie die klassische Barbie-Puppe. Der Punkt mit den schmalen Hüften beschäftigt mich immer noch. Bislang kannte ich die Version, dass die Eieruhrfigur, also ordentlich Oberweite, gut erkennbare eher schmale Taille und gerne rundliche, breitere Hüften das Ideal für die Frau der Wahl in Sachen Fortpflanzung wäre. Wann hat sich das denn geändert?

Vielleicht war es eine Studie von der B.Z. höchstpersönlich. Womöglich eine Leserumfrage. Leser vielleicht, die das in Werbung und Medien verbreitete Ideal einer schlanken, langhaarigen Frau mit unübersehbarer Oberweite verinnerlicht haben und mittlerweile mögen. Für Modelzwecke werden ja häufig schmalhüftige, ja knabenhafte Frauen gebucht, da Brustvergrößerungen seit einigen Jahren zunehmen, könnte sich damit die von der Natur eher selten gebaute Konstruktion knabenhaftes Becken mit großen Brüsten ergeben. Wenn die Modelmädchen hart an der Size Zero arbeiten, damit die Beine schön schlank sind, nimmt ja meistens die Oberweite ab und ist nur in Ausnahmefällen sehr üppig. Mit künstlichen Brüsten kann die Größe gehalten werden, wenn auch weiterhin am schlanken Rest gearbeitet wird. Eine mögliche Erklärung. Gebärfreudiges Becken bei Models ist ja nur in der Curvy-Abteilung gestattet. Nach den Maßstäben gehöre ich ganz klar in die Curvy-Schublade. Als die Hüftbreite verteilt wurde, habe ich wohl gut hörbar „hier“ geschrien. Also bin ich bestenfalls ein Idealtyp für Männer, die geistig im letzten Jahrhundert steckengeblieben sind. Old School.

22. Juli 2019

Aus meinem goldenen Notizbuch XXI.
22. Juli 2019:

"S 7, jüngere Fr. mit Lippen-Piercing, 3 Kugeln, denke an Herpes,
Pärchen, er döst, sie checkt Smartphone, er öffnet immer wieder ein Auge, schielt auf ihr Display. Trend Zehensandalen mit ganz viel Strass u. Glitzer."

Hatte heute morgen in der S-Bahn keine Lust zu lesen, bißchen schläfrig, wollte einfach nur da sitzen und nichts tun, aber mit Augen auf. In der übernächsten Sitzbank gegenüber eine blonde Frau, ca. Ende Dreissig, liest ein Taschenbuch. Schade, wollte mir den Autor merken, mir unbekannter Name und googeln, der Buchtitel war von der Hand verdeckt. Sie war ungeschminkt oder sah zumindest so aus. Nein, ich glaube sie war wirklich ‚nude‘ im Gesicht, nicht nur auf nude geschminkt, sonst hätte sie frischer gewirkt. Eigentlich sah sie so unausgeschlafen aus, wie ich mich fühlte. Blickfang war aber das Lippen-Piercing.

Nicht, dass ich noch nie ein Lippen-Piercing gesehen hätte. Wir sind ja schließlich in Berlin, wo Metall in Körperlöchern, bunte Haare und Tattoos seit etwa einem Vierteljahrhundert Standard bei Büro- und Tresenkräften, Verkäuferinnen, Hausfrauen und Frührentnerinnen sind (fehlende Berufsgruppen bitte ergänzen). Warum also halte ich mich mit dem fünfhunderttausendsten Lippen-Piercing auf? Weil ich so ein bißchen im Alpha-Zustand war, und sie bequem in meiner Blickrichtung saß, drang die Silhouette des Piercings überdimensional in mein Bewusstsein und ich musste zwanghaft an die täuschende Ähnlichkeit mit der Silhouette von Herpes-Bläschen denken. Die sind ja auch gerne an dieser Stelle, da kurz vorm Mundwinkel an der Ober- oder Unterlippe. Sie hatte da drei kleine silberne Kugeln, und wären die Kugeln hautfarben oder leicht gerötet gewesen, hätte ich geschworen, hier hat sich ein Prachtexemplar von einem Herpes entwickelt, das ganz grauenhaft jucken muss und eigentlich kurz vor dem Platzen ist. Eine eklige Phantasie, ich weiß.

Aber noch ekliger war der Folge-Gedanke: was nun, wenn die gepiercte Dame tatsächlich eines Tages mit Herpes an dieser Stelle aufwacht? Suchen sich die Bläschen dann exakt die Leeräume zwischen den Metallbläschen und hängt dann da eine stattliche Bläschen-Traube in zwei Farben? Lässt man sich nur die Lippen piercen, wenn man noch nie im Leben Herpes am Mund hatte und das gar nicht kennt? Also ich kenne diese unangenehme Hautirritation aus jüngeren Lebensjahren, ewig nicht mehr gehabt – toi, toi, toi! Und dann immer wieder die Frage, ob es tatsächlich Menschen gibt, die einen Fremdkörper in der Gesichtshaut von der Empfindung her als stimulierend empfinden, oder ob es nur eine äußerliche Attraktion ist. Also für den, der die Löcher hat, meine ich. Ich weiß, dass manche Piercings bei anderen sexy finden. Ich kann damit nichts anfangen, finde es sogar ehrlich gesagt unattraktiv, wenn ein Mann sich in der Richtung verausgabt hat, aber da bin ich kein Maßstab. Mir ist sehr schnell etwas zu viel an Deko, speziell bei Männern.

Der nächste starke Eindruck war das Pärchen in der Sitzbank neben mir. Ich kriegte anfangs gar nicht mit, dass die beiden zusammengehören. Also vermutlich zusammengehören. Er an der Fensterseite, hatte die Augen zu, so wie jemand einfach mit geschlossenen Augen, als Geste Richtung müder Körper, noch ein bißchen fehlenden Schlaf nachholt, während die S-Bahn zum Ziel juckelt. Neben ihm auf der Bank eine junge Frau, ca Mitte Zwanzig, bemerkenswert elegant sommerlich gekleidet. Schön gebräunte Haut, auf nude geschminkt. Nicht so wie die andere, die es tatsächlich war. Die junge Dame schaute unablässig auf ihr smartes Phone, wischte immer langsam nach unten, so wie man eine Liste eingegangener Messages checkt. Als ich gerade aus dem Fenster schaue, Richtung schläfriger Mann, sehe ich, wie er diebisch das eine Auge einen kleinen Schlitz öffnet, und auf das Display der jungen Frau schielt, es dabei regelrecht fokussiert, und offenbar verstohlen mitliest, so weit es ihm möglich ist.

Ich denke noch, das ist ja mal eine ganz neue Entwicklung, früher hat man manchmal gesehen, wie jemand verstohlen mit in die Zeitung guckt, wenn der Nachbar was zu Lesen hatte, und man selber nicht. Also ich habe das ganz selten praktiziert, meistens war ich mit Lesestoff versorgt. Aber der angeblich schlafende Beifahrer hier, der machte das regelrecht mit Kalkül. Was für eine ungeheuere Neugier, zumal auf dem Smartphone ja wohl nicht zufällig ein ihn brennend interessierender Zeitungsartikel war. Mein Blick wanderte erneut zum Piercing, nach einer Weile wieder zurück, da die junge Frau plötzlich mit dem Schläfrigen sprach. Relativ leise. Sie schauten sich nicht verliebt an, eher wie ein altgedientes Paar, das kein sonderliches Interesse mehr am anderen herzeigt, da die ständige Anwesenheit ohnehin zum Alltagsfeature geworden ist. An dem gesenkten Tonfall und seinen ebenfalls leisen Antworten konnte man eine gewisse Vertrautheit ablesen, ohne dass es irgendwie zärtlich gewirkt hätte. Vermutlich Alltags-Abstimmungen. Dann hörte sie auf zu sprechen und versenkte sich wieder in ihr Smartphone, er guckte wieder geradeaus und schloss die Augen. Dann ging es wieder los. Nach ca. zehn Sekunden lugte er erneut in Richtung ihres Displays, aber nur mit dem einen ganz leicht zu einem Schlitz geöffneten Auge. Vielleicht wollte er Absender-Namen entziffern. Whatever. Dabei wirkte er kein bißchen leidenschaftlich oder besitzergreifend. Eher wie ein gelangweilter Spion, der seine Routine abarbeitet. Sie hat nichts davon gemerkt, nicht einmal. Kaum hat sie minimal den Kopf gerührt, hat er sofort die Augen geschlossen und weiter Schlafen vorgespielt. Vielleicht waren es aber auch nur Arbeitskollegen und er ist notorisch neugierig. Ich werde es nie erfahren. Bin vor ihnen ausgestiegen.

Sie trug neben einem eleganten Etuikleid in einem Creme-Ton mit schönem V-Ausschnitt an den sehr schön gebräunten Füßen cognacbraune Zehensandalen, bei denen der lange schmale Steg mit kleinen eckigen Strasssteinen besetzt war. Da der Rest eher reduziert war und sie auch keinen Schmuck trug, sah das sehr edel, gar nicht billig oder kitschig aus, obwohl es sich so anhört. Als ich gerade fertig war, die hübschen Sandalen mit meinem Blick zu würdigen, stieg eine junge Frau zu, setzte sich mir gegenüber und ich registrierte, dass sie ebenfalls Zehensandalen mit einer großen Portion Glitzer trug. Einer erheblich größeren Portion. Bei ihren Sandalen erstreckte sich ein ganzes Blütengebilde aus Strass über den Spann. Auch das sah zu meiner Überraschung nicht nach Weihnachtsbaum oder osteuropäischem Schick aus, sondern stylish. Muss auch bei ihr daran gelegen haben, dass der Rest der Kleidung lässig und reduziert war. Irgendwas Richtung Jeans und Shirt, auch war der Kopf nicht mit Ohrgehängen und Glitzerkram überladen. Ich meine hier einen Modetrend ausgemacht zu haben! Glitzer-Zehensandalen! Aber bitte in Verbindung mit möglichst gar keinem oder nur ganz wenig anderen Glitter und Flitter, sonst wirkt es vermutlich preisgünstig.

Da Bildmaterial die Attraktivität von Einträgen erhöht, habe ich mich erneut bemüht, etwas halbwegs Passendes in meinem Archivbestand zu finden. Ist nun kein Glitzer und Strass, aber immerhin Zehensandale mit Bernstein. Schon etwas älter das Foto, 29. Juli 2006, aber ich habe die Sandalen noch.

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