26. Juni 2018

Aus meinem goldenen Notizbuch XII.
19. Juni 2019:

„U 8-Bahnsteig, Hermannstr.
irre grinsende Doppelg. d. hochstapelnden Bloggerin
(unheimlich)“

War einen Moment perplex, die Dame sah schon sehr ähnlich aus. Sogar psychologisch nicht unplausibel, der Wahnsinn hat eventuell komplett das Regiment übernommen und manifestiert sich durch irres Dauergrinsen und wildes Gelächter, während Tag und Nacht über Bahnsteige gestolpert wird. Ein Stephen King-Moment. Shining oder Carrie. Gruselig.

26. Juni 2019

Aus meinem goldenen Notizbuch XI.



19. Juni 2019:

„neue Termine m. Clark!

[Clark:]
„Es wäre mir (also ihm) schon lieber, wenn wir beide da weitermachen, wo wir aufgehört haben, also kein anderer!“

Ich: „ja ja, viele Köche verderben (….)“

Er: „….die Köchin!“

Ich: „Genau! Viele Köche verderben die Köchin!“ ;-)“

Eigentlich ist ja hiermit alles gesagt. Die Sache an sich erfüllt nicht meinen hohen Anspruch an eine Merkwürdigkeit, aber die Formulierung fand ich durchaus bemerkenswert. Am 8. Juli geht es weiter, nun immer Abend-Termine. Das Folge-Rezept umfasst abermals sechs Behandlungen.

25. Juni 2019

Aus meinem goldenen Notizbuch X.
auch 17. Juni 2019:

"Patschhändchen in U 8 v. Kind auf Papa-Arm
Junge, ca. 4 - 5 Jahre alt (Reptil...!)"

Sollte schnell erklärt sein, diese Notiz. In der U 8 am Abend, ein Vater, so Ende Dreissig, hat einen Stehplatz vor der Tür in der vollen U 8, ich auf dem Klappsitz in der Ecke, lese Montauk. Auf seinem Arm trägt er einen Jungen, ungefähr vier oder doch eher fünf Jahre alt, nicht mehr klein, schon ein Racker, der alleine Fußball spielt, blond wie Michel aus Lönneberga. Er schläft tief, wohl erschöpft von einem Ausflug. Der Junge hat seine Arme um den Hals von seinem Vater gelegt, aber die Hände halten sich nicht am Rücken fest, sondern stehen so in die Luft, wie man das manchmal bei Katzen sieht, wenn die Pfoten so in die Luft stehen, ganz entspannt. Ich kann auf einmal nicht mehr weiterlesen, weil ich dauernd auf die freischwebenden Patschhändchen des Jungen gucken muss. Sie erinnern mich an die Hände von Reptilien, die haben ja auch Finger. Wie große Echsenpatschhändchen. Bin ganz hypnotisiert und kann mich gar nicht mehr für mein Buch interessieren. War keine Rührung, wegen putzigem Kleinkind, so klein war er ja auch nicht, der Junge, sondern die Faszination der offensichtlichen Verwandtschaft von Menschen-Patschhändchen und Tier-Patschhändchen. So sehr verwandt. Werde nie verstehen, wie man Tieren Empfindungen absprechen kann. Das sind doch unsere kleinen Brüder und Schwesterchen. O.k. ich esse auch Tiere, gerne sogar. Fühle trotzdem solche Anwandlungen.



(Bild: "Echse", Gaga Nielsen 2003, Acryl auf Leinwand, 120 x 140)

24. Juni 2019

Ich lese immer noch Montauk von Max Frisch. Ein schmales Taschenbuch eigentlich, aber ich lese in Etappen, in der S-Bahn, in der U-Bahn, und mit Hingabe. Ich will es nicht zu schnell lesen, es soll mich länger begleiten. Aber ich bin nun doch schon bei Seite 151 (von 207). Ich mag das Buch sehr, ist mir nah. Auf Seite 151 in meiner antiquarischen blauen Suhrkamp-Taschenbuchausgabe der 1975 veröffentlichten Erzählung, kommt der vielleicht am meisten zitierte Satz von Max Frisch über seine Beziehung, oder genauer das Ende seiner Beziehung zu Ingeborg Bachmann. "Das Ende haben wir nicht gut bestanden, beide nicht.". Immer wieder wird der Satz in Texten über die beiden zitiert. Man kann ihn schon im Schlaf herunterbeten. Da ich Montauk jetzt erst zum ersten mal lese, obwohl ich es schon ewig vorhatte, lese ich den Satz nun zum ersten mal im Kontext:

"(...) "Zuletzt gesprochen haben wir uns 1963 in einem römischen Café vormittags; ich höre, daß sie in jener Wohnung, Haus zum Langenbaum, mein Tagebuch gefunden hat in einer verschlossenen Schublade; sie hat es gelesen und verbrannt. Das Ende haben wir nicht gut bestanden, beide nicht."

Max Frisch, Montauk, S. 151

Das Buch wurde also 1975, zwei Jahre nach Ingeborg Bachmanns Tod 1973, veröffentlicht. Zehn Jahre vergingen nach dieser erwähnten letzten Begegnung, vielleicht ohne jeden Kontakt. Ich weiß jetzt nicht, ob es in diesen zehn Jahren noch irgendeinen Briefwechsel gab. Die Briefe zwischen Bachmann und Frisch sind noch unveröffentlicht.

Mich beschäftigt diese hölzerne Formulierung "Ende (...) nicht gut bestanden." Was soll das denn heißen, "ein Ende einer Beziehung gut bestehen"? Ich ahne es, dass es für Frischs Seelenfrieden angenehm gewesen wäre, wenn man nach einer gewissen Zeit, wenn die akute Verletzung bei Bachmann halbwegs angeheilt war (was sie aber vielleicht nicht war, sie hat lange unter der Trennung gelitten), eine freundschaftliche, respektvolle letzte Begegnung zustande gebracht hätte. Er ist in eine neue Verbindung gegangen, als er die Trennung verursachte. Ein einseitiges Ende wie eine Prüfung gut bestehen. Hm. Für den, der verlässt, ist es eher eine Gewissensprüfung, für den, der verlassen wird, eine Herzensprüfung. Eine echte Überwindung des Verlustes, mit einer Vergebung von Herzen, ist meiner Erfahrung nach erst dann möglich, wenn das Herz nicht mehr gebunden ist. Und das geschieht am ehesten, wenn eine neue Bindung ins Leben tritt. Vielleicht sucht das Herz immer nach Bindung, weil man es dann stärker spürt. Das Band der Bindung berührt, gibt Halt. Man darf es nicht zu fest schnüren, sonst wird die Funktion eingeschränkt. Ich glaube, ich habe zweimal ein Ende "gut bestanden", jedoch einige Jahre nach dem jeweiligen Ende. Mich beschäftigt der Verlust eines Menschen, der mir sehr nah kommen durfte, sehr lange. Immer.

24. Juni 2019

Aus meinem goldenen Notizbuch IX.
Dritte merkwürdige Notiz vom 17. Juni 2019:

„Balkon, Nachbarin (Schierker) bittet um Erlaubnis für Insektenhotel! (na klar!)"

Versuche mich kürzer zu fassen, als bei der letzten episch erläuterten Notiz. Meine kleine Werkstatt hat einen Balkon, der eigentlich ein ungefähr 4 Meter langer Balkon war und bei der offenkundigen Trennung einer großen Wohnung zu zwei kleineren, auch getrennt wurde, durch ein halbhohes Mäuerchen und eine darauf befestigte Trennwand aus Eisen. Auf meiner Seite ist ein Anstrich in einem Farbton zwischen Beige und Elfenbein. Der Rest des Balkons ist allerdings Blau-Weiß-Türkis, das Auge erblickt marokkanisch und portugiesisch gemusterte Fliesen und Kacheln, zwei verschnörkelte Eisengartenstühle in altweiß und blauweiße Blumenbepflanzung, Hortensien, Lavendel, Männertreu, Rosmarin, ein Oleander, der aber noch nicht blüht. Ein blauweiß geringelter kleiner Sonnenschirm.

Als ich am Abend des siebzehnten Juni nach der Tanz-Episode bei Rewe eine Weile herumgewurstelt habe, ich saß gerade auf einem Bodenkissen und malte was an, höre ich Klopfzeichen. Die Balkontür stand auf. Klopf, klopf, dann Rufen: "hallo, hallo? Sind sie da?" Ich saß in meinem bekleckerten Shirt mit dem Pinsel in der Hand da und habe erst mal nicht reagiert. Ich bin ja nicht so ein kommunikativer Typ, wenn ich meine Ruhe haben will. Einige Nachbarinnen habe ich schon getroffen in den letzten siebzehn Jahren, aber manche auch noch gar nicht. Die Balkon-Nachbarin gehört zu denen, die ich noch nie gesehen habe. Aber nun sah ich sie, denn ein Kopf kam plötzlich hinter der Trennwand hervor, sie beugte sich weit vor und rief noch mal. Sie konnte mich sehen, auf dem Boden sitzend, mit dem Pinsel in der Hand! Also musste ich reagieren, ich stand auf und rechnete schon damit, dass mir nun irgendeine Beschwerde unterbreitet wird, irgendetwas soll ich bestimmt unterlassen. Vielleicht einmal zu laut Musik gehört? Aber sie lächelte sehr nett. Ein kurzhaariger blonder Kopf, ca. Ende Fünfzig. Und nun fing sie an zu sprechen.

"Entschuldigen Sie bitte, aber ich wollte Ihnen etwas zeigen. Weil Sie es ja vielleicht stören könnte, farblich... also... ich möchte gerne ein Insektenhotel aufhängen, und das steht dann ja so drüber, aber Sie können das gerne anmalen. Wissen Sie, die Natur hat es doch so schwer in der Stadt, und deswegen möchte ich etwas dafür tun, dass die Insekten, die immer weniger werden und auch nützlich sind, wieder zurückkommen. Schauen Sie mal."

Und zeigt mir so ein Holzhäuschen, so ein flaches, mit mehreren Fächern für Bienen und Marienkäfer. Oben dran so Stahlaufhänger, die dann bei mir drüberstehen würden, aber scheiß drauf, die mal ich dann halt an. Habe ich ihr auch mitgeteilt. Ich habe ihr mehrfach versichert, dass ich dem Insektenhotel meinen Segen gebe und das alles wirklich überhaupt kein Problem für mich ist! Sie war wahnsinnig erleichtert, eine Urberlinerin, ich habe es genau gehört, und eine mit ganz viel Herz. Wie könnte ich da Nein sagen, zu ihrem kleinen Insektenhotel. Hat mich gerührt. Auch, dass sie so eine Wahrnehmung für meine ästhetischen Bedürfnisse hatte. Solche Nachbarn kann man sich nur wünschen. Sie wohnt da mit einem Mann, der hat aber einen anderen Namen. Wie er aussieht, weiß ich nicht. Aber bestimmt auch ein netter Mensch. Seit gestern hängt das kleine Insektenhotel, ich hab die Aufhänger übergepinselt, alles gut.

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