19. Juli 2015














Mittwoch, achter Juli 2015. Eine Feier im Circus Lemke, einer sehr lauschigen Bar in der Selchower Straße, in der Nähe vom U-Bahnhof Boddinstraße. Da fährt meine U8 hin, da musste ich nicht mal umsteigen. Sebastian und seine Gefährtin hatten am Vormittag geheiratet, nicht zum ersten mal (also erstmalig dereinst nicht sich, andere Kandidaten). Aber nun mit viel Übung und Lebenserfahrung wollten sie es ein zweites mal wagen. Ich freute mich über das Ereignis und die Einladung, obwohl ich nicht zu denjenigen gehöre, die bei Hochzeitsneuigkeiten selige Glücksaufwallungen kriegen. Dazu hat man schon zu viel Scheitern gesehen und auch selber mitgemacht, wenn auch in meinem Fall ohne Trauschein. Ich freue mich eher, weil die beiden sich freuen und so ein warmes, leichtes Gefühl dabei vermitteln, trotz ihrer Erfahrungen. Dass die Braut an dem Tag auch noch einen besonderen Geburtstag feierte, hat wahrscheinlich nicht nur mich überrascht. Eigentlich sind die Lokale, wo es nahezu unmöglich ist, unverrauschte Bilder zustande zu bekommen, die schönsten. Schon lange nicht mehr in einer derart schummrigen Bar gewesen. Bei dem Licht sehen alle recht vorteilhaft aus, abgesehen davon, dass es sich nicht leicht dokumentieren lässt. Ich war ja nun auch nicht mit Stativ unterwegs und hatte auch keinesfalls die Absicht, den Abend mit Ablichten zu verbringen. Mein Akku war auch nahezu am Ende, ich hatte ihn gar nicht aufgeladen, weil ich dachte, für eine Handvoll Bilder wird es noch reichen. Als ich mit eingeschaltetem Monitor kein einziges Bild mehr auslösen konnte, habe ich ihn ausgemacht und nach ungefähr zehn Jahren zum ersten mal wieder über den Sucher fokussiert. Ganz seltsames Gefühl. Weil man nicht diskret dabei vorgehen kann. Das bin ich überhaupt nicht gewohnt, so normal ist es für mich, dass ich nahezu unbemerkt aus der Hüfte schießen kann, und mich dabei unterhalten, ohne dass sich die Art der Aufmerksamkeit ändert oder beeinträchtigt wird. Nicht alle, die bei dem Fest waren, sind eingefangen, oder nicht so, wie ich es gerne gewollt hätte. Aber ich speichere Eindrücke auch sehr intensiv auf meiner eingebauten Festplatte ab, ohne die Kamera zu benutzen. Schöne Gespräche, warme Blicke, schöner Abend. Den Circus Lemke kann ich empfehlen. Rauchen durfte man auch, obwohl ich das nur noch selten mache. Weil ich so überraschend von der Feier erfahren habe, war mein Mitbringsel ein bißchen improvisiert, ein Foto, das ich vor zwei Jahren gemacht habe, wo sie beide zu sehen sind, und bestens gelaunt. Diesmal habe ich leider kein Foto für euch, wo ihr beide drauf seid, aber ihr seid trotzdem eine Runde weiter. Ich bin mit einem Taxi heimgefahren, es war schon gegen drei Uhr, da fuhr meine U8 nicht mehr. Egal. Denn es war alles sehr schön.



18. Juli 2015















Wir liefen nach Veruschka von der Universität der Künste in der Hardenbergstraße, in die Fasanenstraße und überlegten beim Gehen, wo man noch etwas trinken könnte. Wir irrten ein bißchen herum und waren schon in der Ludwigkirchstraße beim Lokal von Dieter Meier, dem von Yello, der irgendetwas Argentinisches eröffnet hat, wir sind mal kurz durchgelaufen, ein recht elegant wirkendes Esslokal mit Tischdecken, aber gerade nicht das, wonach uns war, aber man hat es mal gesehen (ein edleres Steakhaus mit Biofleisch, wie ich lese). Irgendeine Galerie war auch auf dem Weg, mit Sachen aus Ozeanien, kostspieligen, sehr schönen Objekten, aber nicht so sehr interessanten Gästen und Getränken, also weiter. Da fiel mir ein, im Café Wintergarten im Literaturhaus, hinten beim Kollwitzmuseum, ist es doch immer nett. Also wieder in die Fasanenstraße. Man sitzt da ein bißchen wie in einem alten Stadtpalais in Wien, und wenn man die Welt- und Stadtgeschichte kennt, weiß man auch, dass der Vergleich nur deswegen bemüht werden muss, weil man keine lebendige Erinnerung mehr an eine Fülle solcher Bauten in Berlin haben kann, obwohl es sie in großer Dichte gab. Man kann also auch inne halten und sich daran freuen, dass man an einem Ort ist, der vor gut siebzig Jahren nicht so sehr besonders oder selten gewesen ist, wie er einem heute vorkommen muss. Wenn Jan und ich unterwegs sind, ist es ungefähr wie den bestellten Kaffee trinken, wenn dabei fotografiert wird, keine Ankündung oder besondere Erwähnung geht voran. Wir unterhalten uns dabei ununterbrochen weiter, als ob die Kamera überhaupt nicht benutzt wird, so normal ist es. Er hat an dem Abend allerdings ungewöhnlich viele Aufnahmen von mir gemacht, die ich überwiegend gar nicht kenne.





Ob sie jemals von ihm bearbeitet oder mir zugänglich gemacht werden, weiß ich auch nicht, das kann er wohl selber nicht sagen, weil kein Tag vergeht, an dem nicht eine neue Reihe an irgendeinem Ort entsteht. Und dann gibt es da so seine ihm besonders am Herzen liegenden Modelle. Ich bin ja keines seiner Modelle, sondern eine gute Freundin. Ich glaube sogar, eine sehr gute. Im Gegensatz zu seinen Modellen bin ich etwas sperrig, wenn es um geplante Foto-Aktionen geht. Ich ziere mich, wenn ich bestimmte Haltungen einnehmen soll, sofort komme ich mir unnatürlich und gespreizt vor und entsprechend unlocker ist mein Gesichtsausdruck. Fotomodell hätte ich nie werden können, nur mein eigenes, da gehorche ich auf Befehl. Nach dem Literaturcafé sind wir noch den KuDamm entlang geschlendert, da war so auf der Höhe zwischen Kranzler und Gedächtniskirche eine schwarzweiße Fotowand mit historischen Aufnahmen von zerstörten Fassaden, da habe ich besonders viele Bilder von Jan gemacht, es war auch nicht ganz so dunkel da. Mitterweile merke ich, dass er sich ganz gerne fotografieren lässt, manchmal sagt er sogar "los, fotografier mich mal, da vor der Wand, das kommt bestimmt gut!" Als ich ihn kennengelernt habe, war er noch ein bißchen kamerascheu, so wenig daran gewöhnt, selbst fotografiert zu werden. Vielleicht hat sich das auch gelegt, weil er entdeckt hat, dass er fotogen ist, obwohl er nicht mehr zwanzig ist. Ich finde sogar, gerade weil er nicht mehr zwanzig ist. Aber mir ist, als hätte er ein starkes Bewusstsein gehabt, dass er ein sehr hübscher junger Mann war, so um die Zwanzig. Warum er das später nicht mehr so deutlich empfunden hat, weiß ich nicht. Aber inzwischen hat sich seine Selbstwahrnehmung wieder eingerenkt. Doch, doch.








Als ich vorletzten Mittwoch bei Sebastians Hochzeitsfeier war, gestand er mir, dass er vor einigen Jahren, als ich in großer Dichte private Bilder machte und hier postete, auf denen ganz viel Jan war und dann kurze Zeit später auch noch Cosmic, er darüber grübelte, ob es eine Art Polyamorie-Modell wäre, das wir praktizieren. Ich musste lachen. Ein wenig war mir schon klar, dass so vielfältige persönliche Aufnahmen Irritation auslösen können, was aber letzten Endes auch völlig scheißegal ist. Lass die Leute doch denken, was sie wollen, ermunterte Jan mein Tun. Wenn es die Phantasie anheizt, bitte sehr. Es war kein "Polyamorie"-Modell, denn es gab keine Notwendigkeit für derlei Etiketten. Sämtliche Gefühle waren intensiv, ob freundschaftlicher oder erotischer Natur. Wer welche Sorte hatte, war dynamisch bis unausgewogen. Jan und Cosmic mochten sich freundschaftlich gerne, sie kannten sich auch schon, bevor ich sie kennenlernte. Eine aufregende, inspirierende und bereichernde Zeit. Heute stehen wir uns freundschaftlich gegenüber, egal was passiert ist. Ein Schatz von Erinnerungen, den wir hüten. Die Details verrate ich dann in meiner siebentausendseitigen Lebensbeichte, die ich vielleicht einmal schreibe, wenn irgendwann einmal nichts mehr anderes zu tun ist.


14. Juli 2015








Wieder Vera. Veruschka. Wenn ich nicht hin und wieder erwähnt hätte, dass ich sie schon hier und da erleben konnte, hätte ich das gar nicht gewusst. Nirgendwo ein Plakat oder augenfälliger Hinweis. Nein, man muss sich mit dem Vorlesungsverzeichnis der UdK Berlin, der Universität der Künste beschäftigen, dann weiß man von solchen Veranstaltungen. Was ich bislang nicht gemacht habe. Aber eine langjährige Bekannte, die sich gerne mit dem Verzeichnis beschäftigt, hat mich darauf aufmerksam gemacht. Das Schöne ist ja, dass man zu diesen Vorlesungen einfach gehen kann, ohne immatrikuliert zu sein. Man muss sich weder ausweisen noch Eintritt bezahlen. Und wenn man frühzeitig kommt, kriegt man auch einen Platz. Und lauscht mehr oder weniger hochkarätigen Erörterungen oder Gesprächen. Kommt natürlich auf die Protagonisten an. Das Gute bei Vera von Lehndorff ist, egal welch schlichten Geistes die Fragestellung ist, sie reagiert immer auf eine Art, die Substanz in die Angelegenheit bringt. Manchmal auch nur durch einen subtil unwirschen Blick. So eine Andeutung von "was fragt der mich hier denn?" Aber so charmant drübergelächelt. Sieht man vielleicht auch nur, wenn man sich wissenschaftlich mit Veruschka, Vera Gottliebe Anna Gräfin von Lehndorff beschäftigt hat. Wir sahen Filmsequenzen von ihren Performances. Sagen wir performancehafte Kurzfilme. Kleine atmosphärische Kurzfilme, wie Traumsequenzen. Das ist mir nicht so fremd. Nun kenne ich auch ihre Biographie recht gut und kann mich dann schon auch einmal mit Vera von Lehndorff gemeinsam über die Fragestellung wundern. Unlängst bei CO, diesem Blow up-Symposium, war auch so ein Meister seines Fachs an ihrer Seite. Aber ich will mich an dieser Stelle nicht weiter in fragwürdige Details der Fragestellung versteigen. Jedenfalls ging es in der UdK-Gesprächsreihe "Diversität im Dialog" an diesem Abend um das Thema "Tod und Altern". Wir sahen in Vera von Lehndorffs Filmsequenzen unter anderem Szenen, in denen sie mit einer Vorstellung von irdischem, veritabel erdenreichem Begrabensein spielte, sich vergrabend ins Erdreich. Asche spielte auch eine Rolle, wie so oft bei ihren Werken. Damit malt sie auch. Mich interessierte, ob die Asche in einer der Filmszenen von einem bestimmten Objekt rührte - Papier oder etwas anderem von Bedeutung vielleicht - Briefe, Aufzeichnungen - ? Aber so detailliert wollte ich dann auch nicht nachbohren. Sie sagte aber, dass diese Art sehr heller Asche von Papier ist. Und dann gab es auch eine Aufzeichnung einer Performance in Berlin, in der man sie auf einer Chaiselongue sah, ganz in Grau gekleidet, wie der Bezugsstoff des Möbels und eine Zwiesprache mit ihrem gerade gestorbenen (unsichtbaren) Kater hielt. Der auch so ein graues Fell hatte. Das fand ich sehr anrührend. Sie erinnerte sich an Dinge, die sie ärgerten, als er noch lebte, das Zerfetzen von jeglichem Papier zu Papierschnitzeln, das ihr auf einmal fehlte. Ich fand das wahrhaftig, wie sie da mit ihrem Kater im Nirwana sprach. Danach kommentierte sie so etwas in der Art wie "na ja, ist vielleicht doch nicht so gut - ein bißchen kitschig vielleicht, oder?" So, als ob sie bei sich zuhause wäre und sich etwas von sich anschaut, und halb zu sich selber spricht, wie man so Selbstgespräche führt. Und lächelt dabei so ein bißchen unsicher ins Publikum. Da musste ich aber ganz deutlich widersprechen. Dass es überhaupt nicht kitschig war, sondern im Gegenteil sehr anrühernd. Und sie: "Ja?(??)" Mit so einem erfreut-überraschten Ausdruck. "Ja, wirklich. Das war sehr schön." Und wie man sieht, wie sie sich über das Lob freut. Ein paar andere im Publikum haben es auch noch einmal bekräftigt. Alle waren ihr zugetan. Aber das ist ja immer so. So selten es solche Gelegenheiten gibt. Es war das vierte mal, dass ich sie gesehen habe. Aus nächster Nähe. Aber so jung und leicht wie die beiden letzten Male kam sie mir noch nie vor. Und als sie wirklich jung an Jahren war, schon gar nicht. Vera von Lehndorff, die sich in der Blüte ihrer Jugend das Leben nehmen wollte, weil sie vor Dunkelheit nicht ein noch aus wusste. Ganz hell war sie, wie sie da direkt vor mir saß, in ihrem gerade begonnenen siebenundsiebzigsten Jahr, eine Freude. Wie immer. Jan war auch da. Mein guter Freund, dem ich nicht erklären muss, warum man jeden sich bietenden Termin mit Vera Lehndorff rot im Kalender anstreichen sollte. Er hat auch ein paar Aufnahmen gemacht, hier.







Der Mann, der links von ihr zu sehen ist, hat bei ihren gefilmten Performances der letzteren Jahre die Kamera geführt und mit ihr die Dramaturgie entwickelt. Leider habe ich seinen Namen nicht präsent, er wird auch nicht auf der Seite der UdK namentlich erwähnt. Es gibt von diesen jüngeren Werken kaum etwas im Netz (nur das, eventuell war es daher Christopher Roth). Auf youtube finden sich ein paar Sachen, die sie mit Holger Trülzsch gemacht hat, aber das war lange vor dem, was wir an diesem Abend sahen.

























Im Auditorium waren Menschen zwischen Zwanzig und Siebzig. Nicht so sehr eine Frage des Alters, Zugang zu finden. Byung-Chul Han, der das Gespräch leitete, hatte wohl den Lehrauftrag präsent, als er zwecks Vorstellung Teile aus ihrem Wikipedia-Eintrag aufgriff, so wie man einem Marsmännchen Veruschka gerne erklären will. Aber wir sind doch Erdbewohner.

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Margarete 15. Oktober...
15.10.25, 20:44
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Margarete 15. Oktober...
15.10.25, 02:35
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14.10.25, 18:08
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Cosima Wald Sieht...
14.10.25, 15:07
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Jan Sobottka Ja, das...
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Keine Spätschäden,...
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ANH 11. Oktober 2025...
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Cosima Wald Wow 😮
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