Ah ja, hier kommt mein anderer Norwegerpullover, auch mit praktischem Reißverschluss. Erinnert mich ein bißchen an die zünftige Skifahrer-Kleidung aus den Dreißiger- bis Fünfziger Jahren, mein Look da oben. Nur die Ski-Schuhe fehlen - und Leni Riefenstahl! Oder unverfänglicher: Liselotte Pulver und Paul Hubschmidt. Die Zürcher Verlobung heißt das Filmkunstwerk, das mir spontan dazu einfällt. Und meine Frisur stimmt natürlich überhaupt nicht. Die langen, untoupierten Zotteln: viel zu Siebziger. Ondulierte Locken und Lockenwickler sind eben einfach nicht mein Ding. Nur der Vollständigkeit halber, ein paar Bilder von damals, als die Sachen noch neu waren. Die Mütze ist freilich auch von da.
Weiß nicht, ob die Norwegerpullover mit den komplizierten Wikingermustern heutzutage an einer Maschine gestrickt werden oder noch von Hand. Im Juli oder August vor zehn Jahren war ich dort, am Nordpolarmeer, auf Andøya, wo ein Forschungsszentrum für Pottwale, die größten Säugetiere der Erde ist. Da her ist der Pullover. Und noch einen anderen hab ich gekauft. Die waren nicht billig, aber keiner sah aus wie der andere. Vielleicht doch von Hand gestrickt. In den langen Mittsommernächten. Oder vielleicht doch eher in den langen dunklen, arktischen Wintern. Die Mittsommernacht ist nicht ganz hell und nicht ganz dunkel. Eher wie ein unfassbar langer Sonnenuntergang in schummrigen Farben, der nicht mehr aufhört. Und statt ganz dunkel, wird es nach ein paar Stunden wieder taghell. Aber man kann schon gut schlafen. Die Ferienhäuser haben extra dicke, lichtundurchlässige Vorhänge, da kann man ganz dunkel machen, wenn man es braucht. Ich bin mit dem Zug hingefahren, von Berlin. Erst bis Stralsund, dann Übersetzen nach Malmö und zweieinhalb Tage Zugfahrt, zwei unendliche Tage durch nicht enden wollende, menschenleere, unbesiedelte schwedische Wald- und Sumpflandschaften, immer nach Norden, über die norwegische Grenze, pfeilgerade Richtung Nordpol, über den Polarkreis, bis zum nördlichsten Zugbahnhof Europas, in Narvik. Nicht am Nordpol, aber in der Arktis, im Nordpolarkreis, ist die Insel Andøya. Am meisten hat mich das Skelett eines gestrandeten Pottwals an einem einsamen Strand beeindruckt. In den Sand gegraben, von Moos bewachsen. Was für ein Grab. Und überhaupt das Moos. Die verwunschenen Mooswälder, mit den Moorbirken. Und ich fand im Wald, an einem Birkenstamm ein Stück von einem Elchgeweih. Ich habe den norwegischen Busfahrer gefragt, ob das von einem Elch sein könnte. Ich hatte es gehoffft. Er nickte "Yes, Elk. Three Years." Ein gleichermaßen zappeliger wie gelangweilter zehn- oder elfjähriger Junge, im Schlepptau seiner deutschen Eltern, sah mein Fundstück und wollte mich mit einer geschäftsmäßigen und demutslosen Ansprache überreden, es ihm einfach zu überlassen. Ich lehnte strikt ab und beharrte: "Nein, das ist mein Elch. Nicht deiner. Ich habe ihn gefunden und er gehört zu mir. Wenn du selbst einen findest, dann gehört der dir." Er zog eine beleidigte Schnute.