Wie nennt man einen Punkt, an dem man immer wieder vorbeikommt. Prominent? Sensibel? Neuralgisch? Nein, nicht so wirklich, mir ist als gäbe es da irgendein bestimmtes Adjektiv dafür, das mir gerade nicht einfällt. Also ich komme immer wieder, alle Nase lang an dieser Ecke vorbei, aus meiner Wohnung linker Hand, schräg gegenüber, die Baustelle von David Chipperfields Berliner Büro, weiter, rechts um die Ecke in die Linienstraße, um kurz darauf links in die Rosenthaler Straße abzubiegen, die Rosi, wie ich gerne sage. Eine Ecke, die ich kenne wie meine Westentasche, wie es so schön heißt, einfach nur vom schlichten Durchlaufen. Es ist der kürzeste Weg zur U-Bahn-Haltestelle Rosenthaler Platz, aber da bin ich gar nicht hin, an dem Tag, also nicht nach unten in die U-Bahn, sondern weitergelaufen, einen kleinen Spaziergang in die Torstraße gemacht. Doch davon später.
Das Lesezeichen mit Veruschka und der Schlange gehörte zu einem anderen Buch, ihrem eigenen, aber vom selben Co-Autor, Jan Jacob Rohwer. Ich las damals "Hinter dem Ruhm" Ein Buch mit Gesprächen, die Rohwer mit hervorstechenden Menschen unserer Zeit führte. Sehr interessant, kann ich durchaus empfehlen.
Ramatuelle. Ich muss gerade an Bilder denken, die Helmut Newton in den Siebziger Jahren von Katharina Thalbach und Thomas Brasch in ihren Ferien in Ramatuelle gemacht hat, einem Ort in Südfrankreich, südlich von Saint-Tropez. Romy Schneider hatte dort auch ein Ferienhaus, es gibt Bilder, in denen man sie in einem jadegrünen, langen Häkelkleid sieht, zwischen Pinien und Oleander, tief braungebrannt. Ihr Sohn David wuselt um sie herum. "La Piscine", "Der Swimmingpool" - mit Romy und Delon wurde auch in einem Haus in Ramatuelle gedreht. Schöne Villa, wie ich es in Erinnerung habe. Ich war nie da, nie an der Côte d’Azur, kenne das alles auch nur aus dem Film. Auf einer der alten Videokassetten hier, ist er auch drauf. Lange nicht mehr gesehen.
Hallo Charlie, treue Seele. Mein Anziehsachen-Wetterbericht. Dreizehnter Mai Zweitausendzwölf: "langärmliges T-Shirt, kein Bikini." Würde doch auch reichen, oder nicht? Obwohl nein. Die Menschen sind da ja doch sehr verschieden. Kann es sein, dass Männer weniger frieren? Ich kann mich erinnern, bei zwei Bestimmten war mir die Heizung im Herbst und Winter immer viel
zu wenig aufgedreht. Vielleicht eine Sparmaßnahme und sie hatten wärmere Sachen an. Aber wenn ich darüber nachdenke, eigentlich doch nicht. Sie waren beide kein bißchen dick, hatten also keine wärmende Extra-Iso-Schicht. Vielleicht doch so eine Männersache.
Another day in paradise. Mein Paradies hat keine Bediensteten. Es ist ein Platz auf der Welt, an dem ich unbehelligt bin. Wo die Kaffeetasse mit dem doppelten Sprung auf dem Balkon steht, in der Sonne. Und die blauweiße Schüssel aus dänischem Porzellan mit dem Strahlenmuster. Wo niemand klopft und klingelt. Wenn ich will, kann ich weit über die Dächer schauen, wo ich alles sehen kann, aber kaum einer sieht mich. Das schönste Versteck von allen. Als ich im Mai Ferien hatte, wollte ich genau da sein, nirgendwo sonst. Ich hätte schon wieder ein bißchen Geld gehabt, um zu verreisen, aber mir ist kein bequemerer, geliebterer Ort eingefallen, als der, an dem ich schon bin. Man muss sein Glück begreifen. Mir helfen Bilder dabei. In diesem Jahr, in dem ich so zurückgezogen lebe, wie lange nicht mehr zuvor. In einer solchen Einsiedelei werden viele Menschen bekümmert. Ich habe mir vorgenommen, herauszufinden, wie ich jeden Tag mit dem, was ich jetzt habe, so zufrieden sein kann, dass man von Glücksmomenten und Lebensfreude sprechen kann. Wenn das Leben mir irgendwann noch mehr schenkt, dann explodiere ich wahrscheinlich vor Glück. Ein Zuhause zu empfinden, unabhängig von dem Zuhause bei einem oder mehreren Menschen, in sich selbst, ist bestimmt ein großes Glück. Weil es einem keiner wegnehmen kann. Bei vielen zwischenmenschlichen Sachen kenne ich mich nicht so richtig aus, aber wie man lernt, sich jeden Tag gut, richtig gut, leiden zu können, habe ich inzwischen ausgetüftelt. Falls mal jemand Rat braucht. Es ist die Kunst, sich selbst zu verführen. Mit sich zu flirten, als wäre man jemand, den man zu sich ziehen möchte, und sich deshalb sich selber von seiner besten Seite zeigt. Heute ist ein Novembertag aus dem Bilderbuch, weil es neblig und grau ist, das perfekte Wetter und die ideale Jahreszeit um sich an sonnige Frühlingstage zu erinnern. Ich spüre die Sonne, wenn ich die Bilder anschaue, das tut so gut.
Die letzte halbe Nacht, fast bis es hell wurde, habe ich immer wieder ein- und dasselbe Lied in drei verschiedenen Aufnahmen gehört. Desert Rose von Sting. Ich war völlig im Taumel und ich habe getanzt. Diese arabischen Klänge machen mich glücklich, ich weiß nicht warum. Die Wüste darin, so vertraut. Diese Version von Momo Djender, der schon vor vielen Jahren mit Sting auf Tournee war, und Vinh Khuat bei ihrem Auftritt bei the Voice gefällt mir fast noch besser, als die Originalversion von Sting und Cheb Mami. Phantastisch. Ach nein, ich liebe beide. Hypnotisch, magisch, zauberhaft. Da geht mein Wüstenherz auf. Ganz weit auf.
Endlich Ferien! Die Bilder zur Ferienpostkarte vom 10. Mai. Damals habe ich lauter Rollkragenpullover gebloggt, aber in Wahrheit bin ich im Bikini auf dem Balkon gelegen. Jetzt umgedreht! So schließt sich der Kreis. Aber warum bin ich nach einem halben Jahr nicht weiter? Wahrscheinlich war ich anderweitig sehr fleißig, anders kann ich es mir nicht erklären. Ich bin überhaupt so gut wie nie untätig, auch wenn es auf den Fotos anders ausschaut. So ein bißchen in der Sonne rumliegen, ist schon mal drin, das geht ruckzuck! Ich bin ein effizienter Typ. Trotzdem bin ich am Rätseln, wieso die anderen so wenige Fotos machen, ich weiß gar nicht wie man das schafft. Dann ist man natürlich noch schneller als ich, logisch. Wenn es aber erst mal Februar ist, und mein Großauftrag hier abgearbeitet, hab ich auch wieder die Nase vorn, dann können sich die anderen frisch machen!
Wie war das: Kleider machen Leute. Na ja. Leute machen Kleider. Für Kleidermacher sind Kleider ein bißchen wie Kinder, sie haben einen eigenen, eigenwilligen Charakter, der nicht mit jeder Vorführdame harmoniert. Sagen wir, ein charakterstarkes Kleidungsstück, eines mit viel Profil und oder Substanz braucht einen ebenso charakterstarken, profilierten Inhalt, Träger, Trägerin, sonst haut die Sache nicht hin. Hat die Klamotte mehr Charakter, mehr Profil oder einfach einen völlig anderen als der Inhalt, hängt das Bild schief. Die Klamotte überzeugt, wenn die Körperspannung der Power des Kleidungsstücks entspricht. Das kann sanft oder hart sein. Ein gutes Modell, also "Model", Fotomodell channelt vielfältige Charaktere, um in möglichst vielen Kleidercharakteren zu überzeugen. Es ist also neben Fotogenität auch ein geradezu geniales schauspielerisches Talent gefragt. Ein sehr harter Beruf, ganz unabhängig von der Einhaltung von Konfektionsvorgaben. Sollte man nicht unterschätzen. Mir wäre das zu anstrengend. Ich stelle mich gerne aus freien Stücken in launig selbst gewählten Klamotten vor die eigene Kamera, aber bitte nicht als Beruf. Ich sehe gerne gelungene Bilder, in denen Mode, sehr gerne auch sehr experimentell und überhöht, mit einer starken atmosphärischen Aussage verbunden wird. Einem scheinbar attraktiven, atmosphärischen Moment. Das allerdings gelingt doch eher im Bereich der professionellen Modefotografie, wo aber ja durchweg mit kalkulierter Inszenierung gearbeitet wird, was eigentlich vom Standpunkt der Effizienz beim Enstehen einer Bildstrecke jedem nachvollziehbar sein sollte. Genial wird es dann, wenn man jemanden wie Peter Lindbergh zur Hand hat, dem es gelingt, innerhalb eines kalkulierten Settings einen atmophärischen Freiraum zu schaffen und den zauberhaften Moment durch sein eigenes Charisma zu provozieren. Ich empfehle allen ambitionierten Fotografen, mit dem Feuer zu spielen, und das Unwägbare zuzulassen, einen Grad von Annäherung, einen persönlichen Moment, und dann abzudrücken. Der Zauber eines Bildes, auf dem ein Mensch zu sehen ist. liegt fast immer im Blick oder in der Körperspannung. Kraft, Feuer, Ekstase, Dynamik, Mut und Anmut.