15. August 2012



Aha. Ah ja. Eine alte Klappbrücke. Was für ein Monstrum. Bildschön. Beeindruckend. Immer der Nase nach. Ich bin immer offen für Umwege, wenn es keinen festen Termin gibt. Wenn man sich auf Umwegen, auf unbekannten, ungeplanten, dem Ziel nähert, bekommt der Weg einen unerwarteten Wert. Natürlich kann es passieren, dass man an uninteressante Nebenschauplätze gerät. Egal. Hauptsache Unerwartetes. Unbekanntes. Unwägbares. Wie neu. Steht eigentlich in allen Personalausweisen der Bezirk der Stadt, wo man genauer wohnt? Oder nur die Postleitzahl und der Name der Stadt? Ich weiß das gar nicht. Ich habe in einem alten Erinnerungsalbum noch den dunkelgrünen "behelfsmäßigen Personalausweis" für Einwohner von Westberlin zum Aufklappen. Am Rand ganz ausgefranst. Man sollte ihn ja immer dabei haben. Ich habe heute noch meinen Personalausweis immer bei mir, wenn ich vor die Tür gehe. Außer wenn ich den Müll runterbringe. Ich glaube, ich bin in den letzten fünfundzwanzig Jahren erst einmal - abgesehen vom Bezahlen größerer Beträge mit Karte - unterwegs nach dem Personalausweis gefragt worden. Und das war auch nicht eigentlich unterwegs, sondern bei einer geschlossenen Gesellschaft im Willy-Brandt-Haus, diesem World Press Photo Award, soweit ich mich dunkel erinnere. Aber sonst. Interessiert kein Schwein. In den letzten Tagen ging mir oft durch den Kopf, wie frei man sich in Berlin fühlen kann, wie unbehelligt, unkontrolliert. Ich zumindest. Und ich habe keinen Diplomatenstatus. Ich fühle mich hier ungehindert und unbeobachtet. Ganz anders habe ich die Atmosphäre in London Ende der Achtziger in Erinnerung. Oder Paris Mitte der Neunziger. Dieses Gedöns mit dem kostenpflichtigen Klappstühlen in den Londoner Parks, dieses sehr aufgeräumte und kontrollierte Gefühl. Man hat Angst, man macht einen Fleck auf den geleckten Rasen. Das Gegenteil von diesem anarchischen Hippiegefühl in Berlin. Und in Paris war kurz vorher irgendeine Bombendrohung und überall wurden dauernd die Taschen kontrolliert. Gruselig. Gut, das ist nicht immer so. Aber in Berlin kann ich freier atmen. David Chipperfield hat ja auch diese Beobachtung gemacht, dass man hier stundenlang lesend in einem Café verbringen kann, ohne dass dauernd die Bedienung nach der nächsten Bestellung fragt. In London sei das völlig unvorstellbar. Wenn er das sagt, er muss es wissen. Aber vielleicht sind sie ja inzwischen lockerer, als ich es damals empfunden habe. Bei den olympischen Feierlichkeiten war ja alles betont locker und libertär. Mich hat das olympische Feuer tief beeindruckt, als es entfacht wurde, als die vielen kleinen Feuerschalen der zweihundertvier Nationen sich wie von Zauberhand erhoben und zu einer riesigen himmlischen Flamme vereinigten. Da musste ich weinen. Das war, ohne Übertreibung, eine Sternstunde der Menschheit. Kann man hier noch einmal anschauen, wer es verpasst hat, weil es doch schon Schlafenszeit war. So, wie jetzt.

15. August 2012



Kommt man vorbei. Gebäudesimulation mit rekonstruierter Ecke.

14. August 2012



Update Schlossplatz. Also neulich, dritter März. (zum Vergleich). Das Zwischenstadium. Auch wenn es unvorstellbar ist, an diesem Platz stand der Palast der Republik. Ich erinnere mich noch gut an die kupferfarben verspiegelte Fassade. Und die letzte Ausstellung. Jetzt ist es vorübergehend eine große freie Fläche und neben dem Holzsteg verläuft parallel ein Zaun, hinter dem eine Ausgrabung erstaunlichen Ausmaßes stattfindet. Ich bin immer fasziniert, wenn mitten in der dichtesten Urbanität der Asphalt aufgebrochen wird und das Unterirdische oder Irdische preisgibt. Den märkischen Stadtwüstensand. Immer wieder Sand unter den Straßen. Überall Sand. Und auch Berliner Erdgräber sind nicht braun und feucht und dunkel, sondern hell und trocken, wie an einem Strand. Vielleicht nicht alle, aber ich habe ein schönes, frisch ausgehobenes gesehen, in Dahlem. Seither habe ich Lust auf ein Erdgrab. In Berlin. Aber so sollte ein Blogeintrag nicht aufhören, die meisten haben ja Angst vor solchen Überlegungen. Ich meine auch, man kann es übertreiben mit der Beschäftigung mit den letzten Dingen.



Einmal ausloten und dann ist aber auch gut. Es färbt auf Dauer dunkel aufs Gemüt ab, wenn man sich gedanklich zu sehr in dunkle Vergangenheiten und Verlust- End- und Abschiedsthemen verstrickt. Das habe ich vor fünfundzwanzig Jahren sehr stark gemacht, nicht aus Langeweile sondern aus Forscherdrang und um irgendwie zu begreifen, warum ich so oft Abschied nehmen musste. Ich glaube gar nicht, dass der Verlust durch den Tod eines Menschen das Dunkelste ist, was einem widerfahren kann. Es ist zwar schmerzhaft, aber nicht auf eine unheilvolle Weise, wenn man im Guten auseinanderging. Wenn man mit einem Gefühl der Liebe hinterblieb. Hinterbleibt. Viel dunkler und schwerer zu verarbeiten sind Verluste, schmerzhafte Trennungen und Trauerprozesse im Zusammenhang mit Lebenden. Man erfährt eine noch einsamere Einsamkeit, weil die Illusion einer ewigen liebevollen Verbindung nicht projizierbar ist, wie es das Ende durch den Tod ermöglicht. Ja, ich glaube, wer von der Liebe verlassen wurde, dem Gefühl und von der Illusion, hat schwerer daran zu tragen, als jemand, dem der Tod jemanden in lebendiger Liebe entrissen hat. Auch das ist unendlich hart, unfassbar schwer. Aber man hat ein Grab, an das man Blumen legen kann. Oder schaut zum Himmel und spricht miteinander wie früher. Das ist dann sehr schön und trostreich. Die im Leben Verlassenen haben lange keinen Trost. Bis sie das Leben wiederfindet. Ich habe viel darüber nachgedacht, in den letzten Jahren. Das soll nicht traurig klingen. Ich denke nur oft, wenn jemand Kummer hat, Liebeskummer hat, wie schwer es so jemand hat, sich zu erklären. Niemand kondoliert, man bekommt keinen freien Tag für ein Begräbnis. Man wird nicht verschont vom Leben. Nicht von der Arbeit, nicht vom Alltag. Man hat gelernt, sich zusammenzureißen, weil alles unsagbar ist. So entwickeln sich meine Gedanken manchmal. Vom Schlossplatz zu gebrochenen Herzen. Der Schlossplatz ist auch so ein gebrochenes Herz. Gebrochenes Mitteherz. Mir fällt gerade ein altes Lied von Bernd Begemann ein, als ich es vor vielen Jahren hörte, war es zwar nicht akut, aber ich erinnere, dass ich anfing zu weinen, weil ich erkannte, dass ich auf dieser Seite stehe. Immer und wieder stand.

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