auf dem Weg Atelier zurück nach Hause gedacht: romantische Bestürzung. Ich öffnete nach Monaten die Tür der kleinen Kammer und erschrak. Über die Intensität des winzigen Raumes. So etwas kommt in Filmen vor. Wie die Szene, als Meryl Streep in "Die Brücken am Fluss" nach dem Tod des Fotografen, der von Clint Eastwood gespielt wurde, viele Jahre später einen Karton mit Reliquien der gemeinsamen Zeit erhält. Mit seinem silbernen Armreif. Und einem Buch mit den Bildern der wenigen schönen Tage bei den Bridges of Madison County. Ich holte tief Luft und begann das Laub der vergangenen Monate auf dem Balkon zu entfernen. Ein bißchen Lüften. Den Wasserstein entfernen, der immer einen Rand bildet, wenn man die Spülung mehrere Monate nicht betätigt hat. Das alte Telefon ausgepackt und dazugestellt. Und zwei T-Shirts in blauem Geschenkpapier dazugelegt. Und ein Heft vom September 2009 der Friedrichshainer Chronik. Und das zweite Paket mit den Fotografien. Und vier leere, mit schwarzem und Silberstift beschriftete Flaschen dazugestellt. Dann habe ich die Tür wieder verschlossen. Die Kinoqualität des Ganzen wurde mir erst bewusst, als ich die Treppe hinunterging und dachte, dass sicher nicht sehr viele Menschen so etwas machen. In dieser Dimension. Und die es tun, machen es vielleicht zum öffentlichen Raum. Ich sollte Führungen anbieten. Mit Eintritt und einem guten Getränk zur Begrüßung. Und im Nebenraum läuft ein Filmprojektor.
Ah ja, bloggen. Ein neuer Eintrag soll her. Viele Eindrücke im Kopf, weniger im Herz. Zeug geträumt, halleluja. Nicht zu beschreiben. Kennt man vielleicht: so intim, einem selber so entlarvend erscheinend, dass man die Assoziationsketten fürchtet, schriebe man es auf. Ich habe noch niemals vorher von der freiwilligen Selbstkastration eines Mannes geträumt. Um Gottes Willen. Ich will das gar nicht weiter ausführen. Nur, dass er sehr gelassen, um nicht zu sagen besonnen darüber sprach. Und zwar nachdem es bereits erfolgt und bestens verheilt war. Als Konsequenz vielfältigster Lebenserfahrungen. Wie um eine Geißel loszuwerden, eine chronische Erkrankung, die zuverlässig zu beschwerlichen Komplikationen im menschlichen Miteinander führte. Insbesondere mit Frauen. Ich bin fassungslos aufgewacht, auch weil ich den unwahrscheinlich erscheinenden Wahrheitsgehalt erkannte.
Dann letzte Nacht von einem Aufenthalt in einer Wohnung eines vergangenen Geliebten geträumt. Er war mit seiner (nur im Traum) aktuellen Mitbewohnerin zu einem Wochenend-Trip verreist. Es wurde in der Wohnung in der Abwesenheit der beiden eine Party gefeiert, ich war irgendwie auch dabei. An das Fest keine Erinnerung, offenbar völlig unwichtig. Als die beiden zurückkehrten, suchte ich meinen Wohnungsschlüssel im Flokati-Teppich und fand ihn fast nicht mehr. Ich beobachtete das Sonnenlicht, durch die Fenster des Schlafzimmers, in dem ein Ehebett stand, ordentlich gemachtes Doppelbett, geradezu spießig in Anbetracht des eher hippiesken Umfeldes der beiden. Im Traum dachte ich noch, beim Blick ins Grüne durch das Fenster, erstaunlich, was für gute Wohnungen man sich heutzutage leisten kann, ohne nennenswerte Einkünfte. Ich fand den Schlüssel dann doch noch an einer Stelle im Teppich und war erleichtert, dass ich nicht den teuren Schlüsseldienst rufen musste, immerhin war Sonntag.
Als ich wach meine Gedanken sortierte, fiel es mir komisch auf, dass die Frau in dem Traum, mit der er da wohnte, ja nur die Frau unmittelbar nach mir war, mit der er auch schon seit vielen Jahren nicht mehr in einer Paarbeziehung lebt. Nicht ganz auf dem neuesten Stand, der Traumdrehbuchautor. Und dann fiel mir ein, dass die tatsächliche Frau seiner Gegenwart, die in dem Traum mit ihm hätte zurückkommen müssen, keinerlei Rolle spielte. Und dass ich sie aus der leidenschaftsbefreiten Distanz verrauchter Gefühle mittlerweile sogar attraktiver empfinde, als ihn selbst. Kein Traumgedanke, wirklich. Nachvollziehbar anziehend. Die Frau vorher dagegen eine graue Maus, die sich zeitweise abmühte, bunt zu wirken, um besser neben ihn, den schrägen Paradiesvogel zu passen, aber man kaufte es ihr nicht so recht ab. Egal wie sie sich anstrengte, sie wirkte immer wie für Faschingsdienstag verkleidet.
Dieser schöne Blogeintrag sollte eigentlich noch weiter gehen, mit etwas ganz anderem. Ich tippte noch eine schöne Episode, die ich wirklich erlebte, neulich in der S-Bahn. Ganz ungeträumt. Aber die Buchstaben sind abgestürzt, weil ich auf eine falsche Taste gekommen bin, und jetzt ist es spät und ich will schlafen gehen. Die Geschichte kann ich ja immer noch erzählen. Läuft nicht weg.