as every Dings. As everytime I feel like. Wie heißt das, was alle gerade feiern? Großes Kürbissuppenfest? Ich zeige mich da ja renitent bis zu einem Grad, der auf andere wie Trotz wirken muss. Aber ich muss Sie enttäuschen. Ich finde im Internet gibt es schon genug Weihnachtsdeko. In meiner Wohnung sind sowieso zu viele Staubfänger. Aber Kerzen gerne. Und gläubig bin ich natürlich auch. Ich glaube an die Nordmanntanne und die Schneeflocke. Auch Heidentum ist eine Religion. Insofern ist mir kein Kürbis zu schade, um ihn feierlich zu schlachten. Mit Inbrunst und Andacht.
Was mir gefällt ist, dass der Schnee viele Umweltsünden bedeckt. Ich meine Bausünden. Stadtmöblierung. Geschmacksverirrungen. Rote Autos werden weiß. Gelbrote Spielplatzmöbel sind nur noch elegante weiße Erhebungen. Und dass er die Geräusche dämpft, mag ich auch. Den Lärm. Ach, ich mag ihn, wie er so da liegt und mich in Ruhe lässt. Ich mag seine Schwarzweißmalerei, weil ich eine Schwäche für Radikalisierung habe. Für klare Kontraste, Schwellenwerte. Schwarz oder Weiß. Ja oder Nein. Nacht oder Tag. Tanz oder Schlaf.
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Foto: catonbed
Jan scheint ein bißchen in seinem Archiv zu stöbern und schickt mir noch ein Bild aus dieser Reihe, das ich noch nie gesehen habe. "Für deinen Block". Also für meinen Notizblock hier. Es ist nicht sensationell und vermutlich aus einer Bewegung entstanden, deswegen hat er es damals wahrscheinlich auch nicht verwertet, aber nicht untypisch. Heranschleichen an das Opfer. Es ist schon mehr als zweieinhalb Jahre alt, vom 17. Mai 2008. Die Bilder an der Wand sind von Sebastian Rogler, er hatte damals eine Ausstellung in der Galerie Sakamoto Contemporary. Neben dem Pfeiler, hinten erahnt man ein paar herumstehende Verstärker. So viel ist passiert seit dem. Meine Haare waren um einiges dunkler als heute. Kein Wunder der Natur allerdings. Den Ledermantel trage ich immer noch gerne, der war ein Glücksgriff im KaDeWe. Nachdem er im Schlussverkauf um die Hälfte reduziert wurde, konnte ich ihn mir gerade so leisten. Vierhundertfünfzig statt neunhundert Euro. Das war auch schon hart an meiner Grenze. Wie gerne ich ihn anziehe, kann man schon daran erkennen, auf wievielen Fotos ich ihn anhabe. Man könnte denken, mein einziges Kleidungsstück. Ich erinnere mich auch noch, was ich darunter anhatte. Ein schwarzes Oberteil und einen schwarzen Rock mit schwarzen Pailletten. Aber ich habe es ja nicht schwer, mich an solche Sachen zu erinnern, weil es meistens irgendein Foto davon gibt, wenn ich irgendwo war. Und die Kamera hab ich auch noch. Keine andere benutze ich so gerne. Sie hat schon Pflaster dran, sonst geht die Klappe vom Batteriefach auf. Ich habe heute sehr tief und gut geschlafen. Vielleicht auch weil das Bett frisch bezogen ist, da schlafe ich immer noch tiefer. Komisch eigentlich. Mal gucken, ob Jan noch mehr Bilder von mir findet. Einerseits gemein, aber eigentlich auch eine schöne Überraschung, Bilder so viel später zum ersten mal zu sehen. Wie altes Fotoalbum gucken.
"Sie liebten mich und sie hassten mich, alles zur selben Zeit. Darunter waren sehr nette Menschen auch. Und da war der Willy Brandt damals da, und da bin ich gegangen und wir haben da miteinander gesprochen. Und da war so eine richtige Frau, eine Berlinerin, und die sagte su mir: 'Na? Wolln wa uns mal wieder vertrajen?' Aber da waren natürlich viele andere, die, die wollten mir das nicht verzeihen... Und das is ja, s' ja alle Liebesverhältnisse. Ja. Wenn der Eine weg geht, ist der Andere Beese, nich? Das ja nischt Neues, nich?" Marlene Dietrich 7:17
Ich mag diese Schwarzweiß-Version noch lieber. Heute Nachmittag kam das antiquarische Nuba-Buch im Schuber, mit einer unerwarteten Überraschung darin. Ich klappte das Buch auf und zwischen dem Vorsatz und der eingeschlagenen Klappe des Hochglanzeinbandes, der sehr pfleglich behandelt wurde, beinah wie neu, und das seit mittlerweile 37 Jahren, lagen sorgsam ausgeschnittene Seiten aus einem alten Stern. Ein umfangreicher mehrseitiger Artikel über Leni Riefenstahls Reisen zu den Nuba. Vermutlich von 1976, als sie den zweiten Nuba-Band herausbrachte. Ich muss ihn mal genau untersuchen. Ah - ich habe nachgesehen, Stern Nr. 41 von 1975. Der Artikel, der die Titelgeschichte dieses alten Sterns ist, trägt die Überschrift "Leni Riefenstahl sah, was noch kein Weißer sah - Nuba - das Fest der Messer und der Liebe". Dreizehn Seiten. Schöne Überraschung. Weil ich so etwas auch früher gerne machte, umso mehr. Wenn ich in einer Zeitschrift einen besonders schönen Artikel fand, der mir gefiel, zu einem Thema für das ich brannte, bewahrte ich den Zeitungsauschnitt auf, in einem zugehörigen Buch oder was es auch immer war. Ich habe das Gefühl, dass das Buch verkauft wurde, weil der ursprüngliche Besitzer nicht mehr lebt und ein Nachlass aufgelöst wird, und der Erbe oder die Erbin nichts mit dieser wunderbaren Erstausgabe anfangen konnte und das Buch deshalb so preisgünstig verkaufte.
Wie schön es gemacht ist, die Nuba-Zeichnungen auf dem schönen Vorsatz-Papier. Solche Bücher können niemals durch ein e-book ersetzt werden. So wenig wie das signierte Monster von Veruschka, das ich ganz sicher bis zum Ende meines Lebens behalten und in Ehren halten werde. Das schönste Buch, das ich besitze. Am wertvollsten sind mir die Bücher, die eine innige Widmung haben, auch wenn es einfache kleine Bände sind, oder Taschenbücher. So wie der Liebesfrühling, den ich antiquarisch erstand und dessen Widmung in Kurrentschrift mir Eugene Fausts Schwiegerpapa entzifferte. Obwohl sie nicht mir galt, rührt sie mich so sehr als ob. Ein Buch, das mir Wolf Biermann signierte, ein bißchen albern, deswegen schön. Ich bat ihn, etwas Übertriebenes zu schreiben, das amüsierte ihn. Und so weiter und so fort. Ein Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan, in den Jan etwas sehr Anrührendes schrieb, vor eineinhalb Jahren. Und noch eines fällt mir ein. Und noch eines. Und das kunstseidene Mädchen, das Isa signierte, ja musste, und ich so gerne las. Oder das feine, kleine, schmale Berlin-Buch von Jeannot und Thorsten, denen ich mich von Herzen verbunden fühle, wenn wir uns auch nur selten sehen. Oder Helges Gekrakel auf seinem Hörbuch, das er gerade übrig hatte und mir albern und trunken nach einem stundenlangen lustigen Umtrunk im Green Door in der Nacht nach seiner Lesung in den Schoß legte. Und die Zeitung, auf den ich ihn bei unserer ersten Begegnung kritzeln ließ, weil ich mich wegen des Blättchens wieder an ihn erinnerte, den verrückten Helge Timmerberg, und deswegen überhaupt dorthin ging. Und noch eines, und noch eines, und noch so ein Buch, das an einen besonderen Augenblick gebunden ist und den man an dem Exemplar ablesen kann. Oder drei Worte in Goldbuchstaben mit einem Lackmalstift auf eine kleine Schallplatten-Hülle geschrieben. Oder eine selbstgemachte CD von Sebastian, wo ich den Link zu dem Bild gerade nicht finde. Von der Signatur gar nicht zu reden. Und noch eine. Lauter schöne Erinnerungen. Lauter Poesiealbum. Schön und unersetzlich wie eine Fotografie. Oder wie ein heute so seltener, handgeschriebener Brief, von einem Menschen, der einem etwas bedeutet. Man muss auch wieder Postkarten schreiben. In diesem Jahr bekam ich eine aus Konstantinopel, darüber habe ich mich sehr gefreut. Man erinnert sich noch, dass man dafür in ein Geschäft gehen musste und eine schöne Karte aussuchen und dann noch die Briefmarke. Meistens gibt es die ja dazu in fernen Ländern. Nur in Deutschland ist es ein bißchen komplizierter mit Karte plus Briefmarke. Man muss sich schon organisieren und weiß das deshalb besonders zu schätzen. Danke für alles. Ich wurde schon reich beschenkt, man vergisst es nur immer wieder, wenn der Wind gerade ein bißchen hart ins Gesicht weht. Und ein großer, von Hand gesägter Stern aus einem Baumstamm. Und ein Schälchen aus Perlmutt. Und ein Veruschka-Artikel mit Keksen in einem Briefumschlag. Und heimlich gebrannte Filme, die mir am Herzen liegen. Und ein Büchlein von Hiddensee. Hellblau. Und Konfekt. Und Komplimente. Und dass ich in Euren Träumen auftauche. Ihr seid ja alle verrückt. Und ich bin es auch. Und ich weiß auch gar nicht, warum mir das alles gerade einfällt. Das sind die Dinge, die ich in Ehren halten will und bewahren werde.